Es ist das Thema des Films "Der eiserne Weg", und es ist das Thema des Jahrhunderts, ja der Knackpunkt unserer Kultur. Jene Weggabelung, an der sie falsch abbog. Und sich nunmehr auf den Bau von Hochhäusern und Wolkenkratzern, deren Spitzen allesamt in den Nebeln und Wolken verschwinden, verlegte. Es war nicht die Technik, die einbrach, das wird falsch gesehen, denn Technik würde nicht einbrechen, wenn sie nicht für jenen oder diesen Nutzen hätte. Dabei muß zwischen jenen unterschieden werden, die sie einsetzen, und jenen, die davon profitieren. Die das zumindest meinen.
Wobei sie nicht bemerken, daß sie immer zwischen zwei Fällen unterscheiden: Im einen geht es um den Zuerwerb einer Erleichterung, in der ihr Leben fortan verlaufen könne. Im anderen um den Verzicht auf jene Lebensmomente, die mit dem längeren Weg der weniger perfektionierten Technik verbunden waren.
Aber es gibt noch einen Punkt, und der erscheint überhaupt als der Wichtigste. Mit der Technik ist ein Welterleben verbunden, das die Welt selbst beherrschbar macht. Was keineswegs heißt "begreifbarer", nein, nur: Beherrschbarer. Man schneidet aus der Welt ein Bündel Zusammenhänge von Ursache und Wirkung heraus, und erzeugt das, was mit dieser kleinen oder großen Maschine (je nach Ausschnitt) eben beherrscht und hergestellt werden kann.
Im erwähnten Film geht es um diese Fragen. Die im 19. Jahrhundert sämtliche Menschen der abendländischen Kultur erfaßten. Daß sie mit den Antworten auf diese Fragen auch so grundsätzliche Weichen stellten ist den allerwenigsten klar gewesen. AM meisten noch den Besitzern und Betreibern der Maschinen, die sich in progressivem Tempo ausbreiteten, und einen Lebensbereich nach dem anderen herausrissen, umfaßten, beherrschten, und so die Lebensweise selbst umgestalteten.
Aber eben nicht nur in technischen Abläufen. Sondern in der Wahl von Wirklichkeiten. Denn nach und nach entstand so allgemein die Vorstellung einer Welt, die bis ins letzte zu erfassen, und bis ins letzte zu beherrschen ist. Aus einer Welt, die uns gegeben und zur Verwendung wie Verwaltung überantwortet ist, deren wahres Wesen aber so umfassend ist, daß es dem Menschen niemals gehören kann, stattdessen nur einem gehört, dem Urheber aller Dinge, dem Urheber und Betreiber der Welt selbst - Gott, wurde eine Welt, der das alltägliche Erfahren eine ganz andere Wirklichkeit zusprach: Die der menschlichen Herkunft und Herrschaft, damit Machbarkeit.
Der Mensch des 20. Jahrhunderts war somit ein Mensch, der meinte, alles sei machbar und ihm zu eigen. Damit wuchs seine Verantwortung, und damit die Notwendigkeit, seine Herrschaft auszuüben. Das vergangene Jahrhundert war somit folgerichtig gekennzeichnet von Ideen, die die Beherrschung der Erde (mit der Tendenz, darüber hinaus und in den Kosmos auszugreifen) zum Programm machten. Das nennt man nun Ideologien. Also die von einer Idee ausgehende, von dieser Idee und Logik beherrschte Grammatik der Welt. Der naheliegendste Zielpunkt dabei war der Mensch, die Kultur, die Gesellschaft.
Alles das hatte man - selbst aufs Spiel gesetzt, selbst in die Gottesprobe geworfen (und kein Gott griff scheinbar ein, um das Riskierte zu retten) - zerfallen erlebt. In vielen Kriegen, mit einem durch die Technik der Waffen eskalierenden Maß an Leid und Blut.
Die destillatorische Reduktion der Frage nach dem Warum
Das ist der innerste Kern von Faschismus und Kommunismus und wie die -ismen alle heißen, es ist der innerste Kern aber auch der Vorstellung von Problemen der Welt und deren physischer Verfaßtheit. Und auf letztere wollen wir den Blick lenken.
Denn mit der Technik entstand eine Vorstellung einer Welt, die so ganz anders war - und man konnte das ja scheinbar beobachten: Funktionierte Technik nicht? Konnte man mit ihr nicht die Lebenswirklichkeit in einer Totalitarität umgreifen, die nicht mehr zu überbieten scheint? Sagte uns die Psychologie nicht, daß es auch im Innenleben des Menschen, im "Geistigen", gar keine Transzendenz gab, sondern daß alles "weltintern erklärbar" war?
Was keinem auffiel war, daß die Frage nach dem Warum auf eine Weise reduziert wurde, die das Warum überhaupt aufgab. Sondern sich mit einer Erklärung über die technischen Abläufe zufrieden gab. Die aber gar kein Warum erklären weil enthalten! Warum ein Schotterberg verschwindet ist nicht damit erklärt, daß ihn ein Bagger verschaufelt und auf Lastwagen verladen hat. Sondern weil ein menschlicher Wille, also ein "rein geistig Ding", es so angeordnet und bewirkt hat.
In "Der eiserne Weg" wird deshalb Einiges recht gut sichtbar. Auch wenn die Position der Filmmacher recht klar ist. Mit diesem Film ist sogar eine Ära gekennzeichnet, die in jenen Jahren begann, und uns heute voll umfangen hält: Eine andere Behandlung der Frage nach dem Warum. Deren Beantwortung gar keine Antwort mehr isset, sondern die Antwort einfach weiterschiebt, und immer weiter, bis sie im Nebel des Hochhauses verschwindet und der Frager hoffentlich sein Interesse verliert.
Der VdZ hat eine diesbezügliche Stelle daraus markiert, auch wenn es deren einige gäbe. Es ist eine fünf Minuten dauernde Sequenz, die ab der 47ten Minute des Videos beginnt. Da wird ein Baum gefällt, und stützt auf einen Arbeiter, einen Bauern.*
Was wird dort sichtbar?
Da sagt der eine, der schon zuvor durch frommes Verhalten aufgefallen, daß dieser Unfall ein Zeichen Gottes sei. Das wischt der andere, der moderneren Sinnes ist (was er im Film auch beweist, ja, womit er die erzählte Geschichte überhaupt an sich reißt) glatt vom Tisch. Es sei kein Zeichen Gottes gewesen. "Es war ein Baum."
Und er hält sich dabei natürlich für überlegen weil gescheiter als dieses dumme Bauernpack, das sowieso nicht begreife, was da rundherum vor sich gehe. Und daß die Macher des Filmes auch dieser Auffassung sind ist kaum zu übersehen. Es ist der Grundtenor des Filmes, der da auch zeigen möchte, daß man sich nicht angemessen behaupten könne, wenn man nicht diese technische Ursache-Wirkungs-Ebene sehe und heranziehe. Denn nur dort sei auch um eine gerechtere, also schönere Welt zu kämpfen.
Ist das so? Was ist da passiert? Es wird einfach eine reduzierte Welt herangezogen. Die Vorgänge werden aus einem breiten, ja so umfassenden Wirklichkeitsfeld, daß es für den Menschen in der Unzugänglichkeit des Wissens und Vorsehens und Willens Gottes ausläuft, herausgefischt und für sich gestellt. Wie Figuren in einem Tischtheater steht nun eine völlig andere Welt vor einem. Eine, die an der Haut der Menschen, an den Mauern des Hauses, an den Zäunen der Welt, der auf technische Vorgänge und Verhältnisse reduzierte, endet.
Die selbst natürlich nur Interpretation sind, was im 20. Jahrhundert schließlich denn doch aufgefallen ist, sodaß sich - unter der Prämisse strikten Transzendenzverbotes - die Welt überhaupt aufzulösen begann, das Denken als Unzulänglich für die Welt und die Welt somit unerkennbar und unverstehbar ist. Alles Denken, alles Sprechen (aber natürlich auch alles Religiosieren) ist somit ein mit mildem, nachsichtigem Lächeln zu versehendes Spielfeld der Dummen, Minderbemittelten.
Über die die Schichte der Klugen, der Wissenden steht, die ihr Geheimnis, daß es gar keine Welt gibt, schließlich sogar für sich behält. Höchstens in den Zirkeln und Salons der Eingeweihten diskutiert, und mit einigen Flaschen Toskaner Rotweines, über dessen Finessen zu unterhalten weit ertragreicher ist als die Diskussion über Sein und Welt, hinunterspült.
Das alles, weil die Frage nach dem Warum nur bis zu einer Grenze zulässig ist, die sich dort befindet, wo das Warum begänne: Bei der Frage nach jenem Weltgesamten, wo es erst wirklich Antworten gäbe.
Sodaß der einfache Bauer, der im Film recht simpel und beschränkt rüberkommt, weit mehr Recht hat als der kluge Nachbar. Weil der nach einem Warum sucht, und ein DARUM kennt. Über das nachzudenken sich erst lohnen würde, weil es wirklich die Welt erklärt. Als so umfängliches Wirkliches, daß es in Gebet und demütig-dankbarer Beziehungsgestaltung viel treffsicherer zu adressieren ist als jede Wissenschaft es vermöchte. Denn die Welt ist im Sinn geborgen. Und sie ist aus Sinn entstanden.
Aber was für einen Sinn hätte ein technischer Ablauf - als sich selbst? Wäre das nicht nur eines: Eine sinnlose Welt? Aber warum lebt der Mensch dann noch? Und warum gibt es ihn überhaupt? Aus technischen Ablaufgründen? Das, bitte schön, ist aber keine Antwort auf die alles entscheidende Frage, die nach dem WARUM. Und in dieser Welt und Wirklichkeit wird plötzlich alles neu begreifbar. Weil in einer Welt des Sinnes tatsächlich alles ein Zeichen ist. Alles.
Auch ein Baum, der auf einen Bauern stürzt. Er wird nun wirklich zu einem Zeichen, zu einer Antwort der Wirklichkeit, ohne daß behauptet wird, daß diese Antwort immer leicht zu entziffern ist. Aber unter der Prämisse einer sinnvollen Welt erst wird diese Welt sichtbar, und erst dann begreifbar.
In einer Fülle und in einem Reichtum, der dem plumpen Sack, der sich aufs Fressen, Saufen und Huren beschränkt, weil ihm nichts sonst als seichte, auf die körperlich-sinnliche Ebene beschränkte Freuden an dieser Welt bleiben, die in Wahrheit das Auspressen einer trockenen Zitrone sind. Denn nur im Sinn, nur im Logos - der objektiv der Welt untergelegt ist, der sie formt, der sie trägt - wird auch Freude zuteil. Eine Freude, die jedes Huren um Dimensionen übersteigt.
Wer aber so denkt, reißt der Welt einen Teil heraus, und wundert sich dann nicht nur, daß das Teilegescheppere in der Hand so leblos ist, sondern wirft mit diesem auch die Welt selbst fort. Und genau das ist im 19. Jahrhundert nicht nur passiert, sondern genau das ist es, was hinter dem aufkommenden Ideenstreit steht.
In dem immer nur persönliche, beschränkte Interessen streiten, und zwar auf BEIDEN Seiten: Der der rücksichtslosen Gier (=Kapitalismus), und der des neiderfüllten Lasters (=Sozialismus), also der selben (!) sittenlosen Gier des Mächtigeren, der mächtig wurde, weil er besser wußte, wie er seine Selbstsucht durchsetzen konnte. Sodaß alles Fragen nach dem Warum nur noch in der Frage endete - und das ist tatsächlich passiert, in so einer Welt leben wir heute tatsächlich - warum man diese Mechanismen, diese Technik der Weltausquetschung, nicht selber besser in die Hände bekam, und wie man das erreichen könnte.
Sie beide benützen dieselbe Technik: Die der Leidvermeidung, aus Angst vor dem Schmerz und dem Tod, inmitten einer zum Guckkasten reduzierten, aber sinnlosen Welt. Hinter beiden Seiten also steht eine Entscheidung zur Sinnlosigkeit, die die Frage nach dem Warum gar nicht beantworten will, sondern sie nur benützt, um das Erkennen des Logos der Welt zu verhindern.
Sodaß die Frage noch einmal zu stellen wäre: Warum, bitte schön, soll man durch das Herausgreifen beschränkter Abläufe (in einer ebenso begrenzten, ja willkürlich begrenzten Welt, sodaß die Naturwissenschaften nur noch ein Streit um die willkürliche Antwort auf die Frage ist, wo man diese Grenzen denn setzen solle) die Frage nach dem Warum nicht mehr stellen? Denn es fällt nicht ein Baum. Es geschieht ein Vorgang in der unendlichen und unendlich reichen Wirklichkeit, der - ob so oder so - ein Zeichen ist, das sichtbar wurde.
*Bauern sind das erste, kaum wirklich distinkte, definierte Reservoir der arbeitenden Schichten eines Volkes, in denen aber alles Ausdifferenzierte enthalten ist. Die Bauernschaft ist somit die Grundmenge eines Volkes, dessen dritte Schichte, aus der sich im 19. Jahrhundert als erste das Proletariat herausdestilliert hat. Denn die Reduzierung der (freien) Bauern war der Zerstörung deren Lebensgrundlagen geschuldet, und brachte die Notwendigkeit mit sich, an Orte zu gehen, an denen sie überleben konnten. Das waren meist die Städte, als die Orte, an denen es Arbeitgeber - die Industrie - gab.
Bauern bilden somit (sogar als Allgemeinbegriff zulässig) die breite Basis der Pyramide eines gesellschaftlichen Organismus, deren nach oben folgende Schichten als nächste die des Kriegers und Soldaten kennt, und oben von der Kaste der Adeligen, Geistlichen, Künstler, Philosophen und Lehrer kennt, die im Gipfel in das Transzendente eintaucht: In die Nebel, die das verbindende Moment von menschlicher Gesellschaft und Gott im König umfängt.