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Sonntag, 3. Januar 2021

Die Welt wird nie mehr so reich sein (1)

Die Welt ist nur, weil und wo sie stets gegenwärtiger Durchstoß in die Fleischwerdung ist

Es starben mehr Junge als Alte, mehr Frauen als Männer, mehr Arme als Reiche, die es sich oft leisten konnten, aus den Städten, die die Hotspots der Ausbreitung waren, auf ihre Landsitze zu fliehen. 

War die Krankheit schon schlimm, waren es aber vor allem die menschlichen Reaktionen. Sie schufen ein Klima unentrinnbaren Schreckens, der Europa binnen eines Jahres überschwemmte, das bewirkte, daß die Menschen in Depressionen fielen, der Apathie und Agonie folgte. Geschäfte blieben geschlossen, Werkstätten wurden verlassen, Höfe verwaisten, und in erschreckendem Tempo holte sich die Natur die von der Zivilisation aufgegebenen Areale zurück. Was die Landschaft noch mehr in eine Stimmung der Aussichtslosigkeit und Düsterkeit versinken ließ.

Wie die genauen Zahlen sind, wieviele Tote es wirklich gab, ist bis heute nicht klar und unter Historikern umstritten. 

Denn es lag im Wesen der Zeit, Zahlen als "Dimensionen der Wirklichkeit, bezogen auf den Standpunkt des Rezipienten" zu sehen, nicht als numerisches Dokument.

Die Toten waren natürlich höchst auffällig. Und das in katastrophal unhygienischen Lebensverhältnissen, vor allem in den Städten. Deren Straßen stinkende Müllhaufen waren, weil man noch lange nicht wenigstens den römischen Zivilisationsstand - Kanalisation - erreicht hat.

Man verließ die Kranken, man verließ die Toten, ließ sie meist einfach liegen, nachdem man sie auf die Straße - dieses chaotische Niemandsland, dieser Nicht-Ort - geworfen hatte. Dort wollte niemand mit diesen stinkenden Leichenhaufen zu tun haben. 

Die Obrigkeiten begriffen es nun als ihre Aufgabe, und sorgten schließlich dafür, daß die verwesenden Kadaver wenigstens in Massengräbern verscharrt wurden. Und das geschah oft so hastig und schlecht, daß nicht selten Hunde und angelockte Wölfe die leblosen Körper fraßen. Tod und Hölle also, wohin man blickte. Medien brauchte es nicht, die Bilder, ja die umfassenden sinnlichen Eindrücke kamen auch so frei Haus und waren allumfassend.

Es gab Städte, die 90 Prozent ihrer Einwohner verloren, der Aderlaß anderer lag bei gerade einmal einem Zehntel davon. Es gab sogar Landstriche (wie ein Teil Böhmens), in denen es überhaupt keine Toten gab. Auch Rußland blieb seltsamerweise lange Zeit verschont. 

Aber es ging den Menschen ohnehin in allen Bereichen des Redens und Denkens nur um die Dimension. Genaue Zahlen interessierten niemanden. Denn es ging im Denken und Erkennen um das Interpretieren von Zeichen, von Symbolen. 
Weil hinter ihnen - und damit auch hinter der Seuche - ein Anruf Gottes verstanden wurde. Der nun lautete, das Leben vollständig zu ändern. Gott stellte somit alles auf Null, und die böse, verfallene, in Irrtum und Unmoral abgerutschte Menschheit mußte neu und mit neuen Konzepten beginnen. 

Insofern gab man auch nun wenig auf Zahlen. Viel mehr kam es jetzt auf Angst und Schrecken an. 

Denn jeder verließ jeden, jeder ließ jeden im Stich. Eltern ihre Kinder, Kinder ihre Eltern, Freunde ihre Freunde, Liebste ihre Liebsten, Pfarrer ihre Gemeinden, Ärzte ihre Patienten, jeder jeden. Weil jeder jeden für todbringend ansteckend hielt ohne genau zu wissen, wie das vor sich gehen konnte. Hier war es der Atem, dort die Berührung und somit die direkte Übertragung.

Wie hoch die Totenzahlen wirklich waren ist schwer abschätzbar. Denn die uns vorliegenden Berichte waren nur Teil eines allgemeinen Schreckens, der sich ausgebreitet und zur Hysterie gesteigert hatte. Manche sprechen von einem Drittel der Gesamtbevölkerung Europas, andere von einem Fünftel. Andere meinen, es wären viel weniger gewesen. 
Die Bevölkerung von Paris (um die 20.000) wurde den Berichten nach halbiert. Von Avignon liegen wiederum, folgt man allen Nachrichten (auch höchst offizieller Stellen), Totenmeldungen vor, die überhaupt die Einwohnerzahl ums Doppelte übersteigen. 

"Der Mangel an Arbeitskräften verdüsterte die Zukunft," schreibt jedenfalls Barbara Tuchmann in "Der ferne Spiegel". Und meint damit sicher den Mangel an schöpferisch tätigen Menschen. Warum das so war kann man nämlich auch anders argumentieren. 

Teil 2) Die Tatsachen, die Fakten, die Hysterien, die Phantome, 
die mehr wiegen, weil es um Symbole geht: 
Der große Reset als Neubesinnung auf Gottes Ordnung

 

*301220*