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Freitag, 22. Januar 2021

Es kommt auf den Standpunkt an

Als Marschall Tito im Buckingham Palast zu einem Essen eingeladen war, bewunderte dieser die vergoldeten Teller, aus denen die illustre Tischgemeinschaft ihre Dödel an Krummgurke auf Wachtelsoufflé speiste. Prinz Philipp neigte sich zu ihm und raunte ihm in vertraulichem Tone zu: "And my wife finds that is saves on breakages."

Natürlich, schreibt Mary Douglas, oxidieren vergoldete Handtuchhalter in den Toilettanlagen weniger als verchromte, und natürlich benötigt das Personal weniger Zeit, sie zu reinigen. Auch kann man sagen, daß geräucherter Naturlachs sehr leicht verdaulich ist, und daß seine Öle nachweislich gut für das Gehirn sind. Und es ist eine Tatsache, daß guter Portwein den Stimmbändern sehr wohl tut, sodaß die Stimme anstrengungslos fest und melodiös macht. 

Geht man alle Markierungen für sozialen Status durch, so kann man darauf wetten, daß jedes dieser Luxusprodukte ein unwiderlegliches Argument hat, das seine Verwendung höchst vernünftig macht. Das wahre Argument jedes sozialen Markers aber ist die Schwere oder Leichtigkeit der Verfügbarkeit. Ein wirkliches soziales Standesmerkmal ist für Nicht-Zugehörige vor allem deshalb schwer verfügbar. 

Auch das spricht, so Douglas, für die Annahme, daß man Güter, also Waren, in erster Linie als Kommunikatoren im Rahmen der Ganzheit des Existenz-Auftritts der Menschen sehen muß. Und nicht bei Kriterien ansetzen kann, wie sie Wirtschaftsforscher gerne hätten, weil sie ihnen selbst vernünftig erscheinen, wie Preis, oder eine generell über bestimmte Wirtschaftsmechanismen konstruierbare "Nachfrage". Kein Angebots-Nachfrage-Modell kann ohne die persönlichen, sozialen und psycho-sozialen Merkmale der möglichen Käufer. 

Die Geneigtheit (oder eben nicht) eines Konsumenten, ein Produkt zu kaufen, ist nicht von "rationalen Produktqualitäten" abhängig. Diese sollen eher legitimieren, wie jeder Verkäufer weiß. Vielmehr sind Käufe als Entscheidungen für Güter zu sehen, mit denen jemand seine Mit- und Umwelt "vollstellt", um mit dieser gewissermaßen erweiterten "Haut" als Grenze seiner Persönlichkeit sein In-der-Welt-sein zu kommunizieren.

Wenn man nun bedenkt (flechten wir weiter an der Anregung von Douglas), daß in gewisser Weise so gut wie alle sozialen Interaktionen auch als "Verkaufsgeschehen" betrachtet werden könnten, so relativiert sich überhaupt (und in so gut wie allen Lebensbereichen) der reale weil rationale Wert von sprachlich gefaßten "Argumenten". 

Sie reduzieren sich zu einem Aufstellen von "Vorgartenzwergen", mit denen man das Haus des "Das bin ich!" in die Welt hineinstreckt. Das aus ganz anderen Gründen - nämlich aus denen von Identität, aus dem Sein also! - besteht, und das sich im Namen zusammenfaßt. Dem etwas als EigenTUM oder EigenSCHAFT zugeschrieben wird, und das ohne das Zentrum der (bzw. einer) Person (als Träger von Zubehör, Aristoteles nennt sie auch "Akzidentien") nicht besteht.

Man kann also schlechthin gar nicht von "Waren" sprechen, wenn man sie nicht in ihrem Bezug auf jenes Personszentrum sieht, dem sie entsprechen oder von dem sie begehrt werden, weil sich der Name nur jeweils mit Gütern geschichtlich in der Welt halten läßt. 

Es ist also nicht Armut oder Reichtum, der eine Person, ihren Rang, ihren Stand definiert. Sondern es ist das Sein des Menschen, von dem ausgehend ein MEHR (das man dann Reichtum nennt) oder ein WENIGER (das man dann Armut nennt) an Gütern als notwendig betrachtet werden kann und muß. Ohne natürlich in Utopien zu verfallen, die diese Tatsache zu einer unerläßlichen Forderung der Politik macht, die die Versorgung mit Gütern zu gewährleisten hat. 

Denn somit ist auch Gütererwerb, Besitz und die Frage von Eigentum immer nur in Zusammenhang mit den Menschen und ihren Haltungen (als wirklichkeitsorientierte und -bezogene, praktisch archetypische Gestaltelemente) zu begreifen. Von dieser Person, von ihrem Stand, von ihrem Ort im sozialen Gefüge leitet sich dann ab, ob eine Unter- oder Überversorgung besteht. 

Von dieser Seite betrachtet wird somit auch verstehbar, warum Attribute (die Güter sohin immer sind, selbst bei scheinbar notwendigsten Gütern wie Brot oder Wasser) nicht nur ein Gewinn aus der Welt sind, ein Recht, sondern auch eine Pflicht einbegreifen. Der gemäß jemand eine gewisse, ihm und seiner Identität entsprechende Gütermenge haben "muß". Und sei es - und jetzt wird es für manchen der Leser vielleicht endgültig seltsam, doch er glaube dem VdZ: Dieser Gedanke findet sich sogar in den Schriften* von Thomas v. Aquin! - daß er sich dafür mit Krediten verschuldet. 


*Der Aquinate führt dies nämlich als Unterkategorie unter die einzige Rechtfertigung an, mit der das Aufnehmen einer Geldschuld moralisch legitim werden kann: Unter die Kategorie eines Mangels, der nur mit einer Leihe beseitigt werden kann.


*150121*