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Freitag, 5. März 2021

Der Elephant im Raum

Man kann es kaum glauben, aber es ist tatsächlich so, daß die große Alternative zum de- und entpersönlichten Sozialismus der Kapitalismus sein soll. Er soll es sein, der auf der Freiheit des Einzelnen aufbaut, und deshalb am menschengerechtesten ist. Und seine Lösungen wie von Zauberhand aus einem irgendwie sich einfindenden Gleichgewicht aus Bedarf und Bedarfsdeckung finden soll. Das wäre es dann, das gesellschaftliche Glück, soweit es maximal erreichbar sei. 

Etwas, das historisch zwar noch nie eingetreten ist, aber was bedeutet das schon. Es ist nur ein weiteres an Bemerkenswertem, das sich mit dieser Weltanschauung verbindet. Die im übrigen (bei uns) als Grundstrom noch erst wenige hundert Jahre alt ist. Auch wenn sie immer wieder in der Menschheitsgeschichte aufgetreten ist. Und zwar - eiderdautz! - immer dann, wenn eine Kultur zugrunde ging. Warum werden wir gleich zeigen.

Mehr an Fakten brauchen wir nämlich nicht, deren gäbe es noch jede Menge, um den Widersinn zu zeigen, der sich mit dem Begriff Kapitalismus als angebliches Garantielos zur Freiheit verbindet. Der mit "freiem Markt" oder Freiheit überhaupt nichts zu tun hat! Denn im Gegenteil, geht er von einem Menschenbild aus, das Freiheit gar nicht kennt.

Das ist sogar schon seine erste Voraussetzung weil anthropologischer Natur. Sie setzt beim Bedürfen an, bei einer Welt, die sich durch das Bedürfen, also durch die Not, am Leben hält. Der Kapitalismus geht also von jener Sichtweise aus, die in Zeiten, die noch bei Verstand waren, als tugendloser Egoismus bezeichnet worden waren. 

Aber so ist er eben, der Evolutionismus, für den Geist keine Tatsache, sondern eine bloße Täuschung der Gehirnströme ist, also ein Epiphänomen. Wie der Evolutionismus geht somit auch der Kapitalismus vom Egoismus als DEM treibenden Moment der Geschichte aus. Der aber nicht verwerfenswert ist. Weil der Mensch als bloß bedarfsgesteuerte, ja vom Bedarf bestimmte und auf Bedarf hin geordnete Zellmaschine eben keine Freiheit kennt. Und wo keine Freiheit, da keine Moral. Nicht Unmoral, nein, sondern KEINE Moral. 

Auch der Kapitalismus kennt keine Moral. Erlaubt ist, was das eigene Bedürfnis befriedigt, darum geht es. Denn darum geht es angeblich der ganzen Welt. Um Bedarf und Bedarfsdeckung. 

Somit stehen sich als Grundsituation unter Menschen immer solche, die Nöte haben, und solche, die keine haben, gegenüber. In jedem Fall Menschen, wo auf einer Seite die Not größer ist als auf der anderen. Oder die Schwäche. Oder die Niedertracht. Oder die Skrupellosigkeit. Oder die Fähigkeit und Unfähigkeit. 

Einer wird gewinnen!

Einer wird den anderen überragen, schlagen, übertrumpfen. Und das ist in der Regel der Verkäufer dem Käufer. Denn der Käufer braucht. Sonst würde er - so sagt der Kapitalismus selbst - nicht kaufen. Er ist also schwächer. Der Leser möge sich doch einfach einmal ausmalen wie es ist, wenn sich zwei Menschen gegenüberstehen, bei denen der eine dringender als der andere etwas braucht. 

Selbst dann ist das so, wenn man sich's schönredet, indem man das herrliche Märchen erzählt, daß doch auch der Verkäufer den Kunden braucht. Weil beide ja einander brauchen, oder nicht? Tja, das ist schön abstrahiert, aber in der Praxis ohne Wert. Denn da zählt der Moment. Da zählt die vereinzelte Begegnung auf Angebot und Nachfrage. Letztere, wie gesagt, als die notleidendere. Denn anders als der Anbieter gibt es beim Bedürftigen KEINE Situation, wo er auch ohne Bedarf kaufen würde. 

Oder kauft der Leser auch ein drittes Auto, selbst wenn das nur in der Garage stehen und sein Monatsbudget auffressen wird? Das wird er nicht tun. Der Produzent freilich stellt auch dann Autos her, wenn sie gerade nicht benötigt werden. Aus Gründen der Kostenrechnung. Aus vielerlei Gründen. Nicht zuletzt aus solchen politischer Art, man denke nur an ein Bündnis um vor Wahlen erfolgreiche Beschäftigungspolitik aufzuzeigen. Die Korrumpierung durch die Politik als "Nachfrage" zu bezeichnen wäre wohl an Zynismus kaum noch zu überbieten. Denn der Staat hat nicht nur Macht, sondern er steht dem Bürger nicht als dessen Nachfragebeantworter gegenüber, sondern in einem Macht- hier, Zwangssituation dort. Der Bürger wird (zumindest über Steuern) GEZWUNGEN, Nachfrage ZU SPIELEN. Auch wenn keine Nachfrage besteht. 

In jedem Fall stehen sich bei Angebot und Nachfrage zwei Seiten gegenüber, von denen IMMER die eine schwächer ist als die andere. Wo immer die eine mehr oder weniger Macht über die andere ausüben kann. Und das auch tut! Preise sinken oder steigen sofort, und daran erkennt man es, sobald sich die Machtverhältnisse der beiden Seiten verändern. Man spricht sogar in Kreisen großer Theoretiker von "Preise erzielen". Was ist wohl damit gemeint? Und wer sich die Preispolitik bei amazon ansieht, die immer ausschließlicher auf solche Zwangssituationen abzielt, um sie ausnützen zu können, sieht eine Zukunft der Brutalität (und nicht der Freiheit!) aufgemalt, die einem das Frühstück noch am späten Nachmittag hochdrückt.

Wir sehen also, wie sehr dieses gesamte Gerede um Freiheit und Kapitalismus gelogen ist. Und genau auf dem Gegenteil aufbaut, nämlich auf das wechselseitige Belauern der Menschen, ob der eine dem anderen gegenüber in vorteilhaftere Lage kommt. Bis einer der beiden so dringend braucht, daß er dem anderen und seinem Anerbieten zustimmen MUSZ, also in eine Zwangslage kommt, die dringender als die des anderen ist. 

Sagen Sie selber, werter Leser, ist das die Situation, die er mit Freiheit meint?

Der Kapitalismus ist also genauso wie der Sozialismus - und beide Weltanschauungen bauen auf derselben Anthropologie auf: Der des Mechanismus, des Materialismus und eines Freiheitsbegriffs des Menschen, der lediglich die Freiheit des Kampfes von Egoismen ist - eine Weltanschauung und Ideologie, die jeweils von jenen vertreten wird, die sich jeweils Vorteile davon versprechen, daß ihre Ideologie zur Rechtfertigungsideologie einer Gesellschaft erhoben wird. Um dann ihrem Egoismus größtmögliche Entfaltung zu ermöglichen. Und zwar auf Kosten des und der anderen.

Das Abendland ist deshalb weder wegen des Kapitalismus noch wegen des Sozialismus zu so einer weltbeherrschenden Kultur geworden. Wobei beide Seiten jeweils jammern, daß ihr Ideal noch nie verwirklicht wurde, aber endlich verwirklicht werden sollte. Weshalb beiden Seiten der Staat im Wege steht, nur auf je andere Weise. 

Das Abendland ist so groß und schön geworden, weil es einen ANDEREN, einen völlig anderen Weg des Lebens und des darin enthaltenen (also zweitrangigen) Wirtschaftens gegangen ist. Den eines Wirtschaftens, das der Hauptforderung der Nächsten- und Gottesliebe untergeordnet, diesem Gebot größtmöglich förderlich ist. Denn Freiheit ist nicht nur je ein Akt, sondern sie ist nur dann und dort Freiheit, wenn sie der Liebe genügen will. Freiheit ist erst in der Liebe Freiheit. Dem selbstlosen Geben und Selbstverschenken. DAS ist der Weg des Menschen, zu Größe und schöpferischer Kraft zu gelangen. Weil es an das Schöpferische Gottes anbindet. Und außer diesem gibt es nichts Schöpferisches. Außer diesem gibt es nur kleinen, egoistischen Nutzen. In einer Welt, die die Hölle ist, beherrscht wie diese von Teufeln und Dämonen.


*030321*