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Dienstag, 16. März 2021

Politiker als Kriegshäuptlinge (2)

 Teil 2) Man erwürgt Kriegshäuptlinge, wenn man Frieden will.


Damit würden wir nicht mehr und nicht weniger tun als das nachvollziehen, was in früheren Zeiten tatsächlich anders war (weil der Monarch vom Kriegsherren unterschieden war), und in ethnologischen Gegebenheiten bei allen Völkern und zu allen Zeiten anders war. Wir brauchen eine strukturelle Teilung in Kriegs- und Friedensregentschaft.

Denn der Charakter einer Regierung im Krieg ist nicht graduell, er ist substantiell von der im Frieden unterschieden. Und darf deshalb nicht in einer Hand liegen. Ein Kriegshäuptling ist deshalb bei den Ngungdu in Zaire wie bei den Cheyenne in Ohio nicht auch ein Friedenshäuptling. Man kann Identitäten nicht wechseln wie Schuhe, je nach Wetter.

Und von der Situation des Staates her befinden wir uns in einer Kriegssituation. Das bedeutet, daß sich die Regierungen in ihrem Vorgehen nach Notstandsverordnung als Führer im Krieg deklariert haben. Bei welchem das Gebot des nackten Überlebens über alles gestellt wird und jedes normale Leben sistiert. Auch hier ist ja das Leben eines Volkes nicht graduell anders, sondern es ist substantiell anders. Und darf deshalb nur eine gewisse Zeit dauern, sonst stirbt das Volk!

Das ist nicht nur vielen Menschen bereits bewußt, sondern führt bereits zu aktiver Rebellion. 

Warum aber fehlt den Regierenden offensichtlich die Empathie mit dieser Situation, in die sie das Volk gestürzt haben - indem sie das Volk töten wollen, um es zu retten? 

Immer waren deshalb Kriegshäuptlinge personal von den Häuptlingen, den Königen unterschieden. Aber es waren nicht sie, die das Ende dieser Notsituation bestimmt haben. Es war die Diplomatie, die ihnen die Vollmacht wieder entzogen hat. Und gar nicht selten wurden die Kriegshäuptlinge sogar nach Beendigung des Krieges umgebracht weil in Normal- und Friedenszeiten zurecht als Gefahr eingeschätzt. 

In deklarierten Notzeiten wie diesen ist nicht nur das Leben des Volkes, sondern auch das normale Handwerk des Regierens sistiert, ausgesetzt. In Zeiten wie diesen, in denen das Handeln der Politik nichts mit dem normalen Leben zu tun hat und bei weitem übersteigt, und zwar nicht einfach graduell, sondern kategorial, wird die blanke Macht der Regierenden so deutlich wie noch nie. Denn sie wird hier zur blanken Gewalt. So nimmt die Identität der Herrschaft den Charakter der für den Kriegsfall ausgerichteten Herrschaft an, und jeder, der an diesem Spezialhandwerk teilhat, wird in dieser Identität so real und gefestigt wie sonst nie. Er kann schließlich nur das.

Nie mehr kann es unter ihm deshalb ein normales Zueinander von Volk und Herrschaft geben, weil die einmal gefühlte Gewalt der Notherrschaft jede Friedensharmonie übertönt und erdrückt. Und ein selbstverständliches Zueinander von Kopf und Leib, wie es in Normalzeiten der Fall sein muß, will sich ein Volk in Freiheit und Lebensfreude entfalten, unmöglich macht.

In der gegenwärtigen Lage wird aber auch der Politiker, der eigentlich für Normalzeiten gewählt und gedacht war, im wahrsten Sinn zur privilegierten und aus der Not der Bevölkerung ausgenommenen Kaste. Und zwar so sehr wie noch nie. Denn ihm bleibt etwas, das er dem einfachen Mann per Federstrich entzieht: Leben.***

Dieses Leben aber entzieht man dem Volk. Und man tut es ohne jene innere Sicherheit der Wahrnehmung, die sich am Leben selbst orientiert. Wenn sich aber Regieren nicht daran ausrichtet und von diesem Rhythmus und Herzschlag ein eigenes Handeln bestimmen läßt, wird die Politik in jedem Fall (!) zur Schreckensherrschaft.

Morgen Teil 3) Zusammenfassend läßt sich somit sagen: Es zeigt einen strukturellen Fehler, daß der Stimme des Normalen die Macht fehlt. Dabei gäbe es sie. Die Kriegshäuptlinge suchen sie selbst. Aber sie suchen sie am falschen Ort. Mehr noch: Sie können sie gar nicht finden.



*140321*