Was Peter Frankenfeld in einer TV-Aufzeichnung von 1973 so bewundernswert gewandt vorexerziert überrascht in mehrerlei Hinsicht. Deren bemerkenswerteste die noch vor 50 Jahren selbstverständliche und problemlos mögliche Bezugnahme auf die kleindeutsche* Gesamtheit aller im (angeblichen) Kaiserreich von 1871 samt deren Nachfolgestaaten versammelten Völker.
Es ist nicht nur amüsant, diesem Sprachenpotpourri zuzuhören, sondern was man hier zu hören kriegt, macht die Seelen dieser Völker greifbar. Sich mit dieser Tatsache, daß Sprache und Seele untrennbare Korrespondenz haben, auseinanderzusetzen ist gerade heute von immenser Bedeutung. Weil wir längst lebenskräftige und -fähige Parallelgesellschaften in unseren Ländern haben, die zwar keineswegs "staatsfähig" sind, die aber aus ihren Seelenlandschaften heraus andere Kulturen bedeuten. Die mitten unter uns leben werden, ob uns das nun paßt oder nicht. Nicht weniger lebendig bleiben, als es die Seelen der deutschen Völker sind, die nach 1945 aus dem großdeutschen Raum (sozusagen) fast zur Hälfte entwurzelt und in das Deutschland der Gegenwart geworfen wurden.
Zwar könnte man nun sagen, daß die Veränderung des Klimas im öffentlichen Sprachraum* dem Umstand geschuldet ist, daß diese zugewanderten Menschen mittlerweile ausgestorben sind. Aber man täusche sich nur nicht.
Denn in den Nachkommen, also auch in den nächsten Generationen (ja dort mit neuem Aufschwung, wie die Erhebungen der zugewanderten Gastarbeiter dritter Generation belegen) dieser Vertriebenen, Ausgesiedelten, Verachteten und (versucht) Vernichteten bleiben Volksseelen präsent, das auch heute noch geschichtsmächtig bleibt. Sie bleiben das in Bezug auf das politische Geschehen, auf die Stimmung in unseren Ländern. Die von Gruppen bestimmt werden, die im heutigen Deutschland und Österreich eine erhebliche Bevölkerungsgruppe bilden.
In ihnen wirken Kräfte, die sich zum einen in ihrer Charakteristik des jeweiligen Zugangs auf die Welt äußern. Und man übersieht genau das, woraus wir Heutigen lernen könnten. In ihnen wissen wir einen erheblichen Anteil unserer Bevölkerungen als Ausgegrenzte, als Außenseiter, als Nicht-Dazugehörende.
Nun ist eine Tatsache, daß gesellschaftliche (und damit kulturelle) Veränderungen immer von Randgruppen und Minderheiten ausgehen. Denn während die "Masse" der Menschen, also die Verwurzelten, von Beharrungsvermögen geprägt sind, streben Randgruppen, Außenseiter und aufgrund der fehlenden Ansprache ihrer Seelencharakteristik durch die Kultur der angestammten Bevölkerung, zu der sie dazugeworfen wurden, daß sie zeitlebens Unverstandene bleiben.** Und die "Gastkultur" nicht verstehen und gar nie verstehen werden. Und nie ernstgenommen werden, nie in ihrem innersten Anspruch relevant sein dürfen.
Mit dem wesentlichen Beisatz: Daß Volk und Land in einer unauflöslichen Korrespondenz stehen.
Das ändert sich auch nicht über Jahrhunderte, weil es eine Schöpfungstatsache ist: Jeder Mensch ist auf einen bestimmten Boden bezogen: Es gibt keinen Menschen ohne Ort.
Das wird noch verständlicher, wenn man weiß, daß Sprachen nicht, wie heute dahergeplappert (was als "Bildung" zu bezeichnen man noch die Chuzpe hat!), keineswegs "posthoc entstandene" Informationsträger des Menschen sind, sondern dessen Konstituenten. Weil der Mensch aus dem Wort, dem Namen geboren wie auf diesen hin entsandt wird. Das ist sein Lebenssinn, und je weiter er sich davon durch faktische Umstände entfernt, desto gefährdeter ist er, vernichtet, ausgelöscht zu werden. Was den einfachen Querbezug ergibt, daß Menschen ohne Volk und Sprache über mittlere Frist vom Antlitz der Erde verschwinden.
Somit haben wir die Tatsache vor uns, daß diese Wurzellosen, diese Massen von Zugewanderten, nie verwurzelt werden können. Weil sie von Kräften geprägt sind, die nicht mehr sichtbar werden, alles Dasein aber Darstellen, also Inkarnation, also Sichtbarwerdung IST.
Diese ontologischen Strebungen müssen (weil sollen) aus bestimmten historischen (in Wahrheit: gegenwärtig politischen) Gründen unbewußt bleiben, in der seltsam irrationalen Hoffnung, daß sie damit überhaupt verschwinden. So sehr ist das gewollt, daß die darstellenden Elemente dieser Volkschaften und Völker - wie ihre Sprachen, die man oft als "Dialekte" verkennt - sogar aus den Wegen der offiziellen Wissensübermittlung und damit -weitergabe ausgeschlossen bleiben.
All diese Menschen werden also zukünftig nur noch einen archäologischen, detektivischen Zugang zu sich selbst finden können. Man stelle sich also die Zukunft vor, die Konsequenzen daraus. Und die Distanz, die so breite Bevölkerungsschichten unserer Staaten zum gegenwärtigen politischen, kulturellen, gesellschaftlichen Leben haben.
Man durfte und darf über diese simplen Geschichtstatsachen bis heute nicht wirklich sprechen. Was nicht weniger bedeutet, als daß weite Bereiche der seelischen Kräfte in unseren Ländern chthonisch bleiben. Was sie zu einem guten Teil sogar gefährlich macht, weil sie das irrationale Potential der heutigen Handlungsneigungen deutlich erhöhen. Aber in einer Gefahr, die fernab von den stupiden Erklärungsgeschichterln der (angeblichen) Psychologie liegt. Die ja sogar aus ihren Prämissen, aus den Grundannahmen über Welt und Wirklichkeit heraus völlig ungeeignet ist, das Seelenleben zu begreifen.
Höre der Leser nun mit erweitertem Blick dieser nun noch genußreicheren Sprachkaskade zu, die eine der bis heute wahren Größen der Moderationskunst und der daraus so selbstverständlich erfließenden gepflegten Unterhaltung hier bietet. Jetzt wird der Leser vielleicht noch mehr bestätigen können, daß sie in ihrer Aussage über uns, über Sie, über den VdZ, über den Nachbarn und über die Vorgänge auf den Straßen für sich spricht.
*Auch wenn der Begriff manche verwundern mag - ohne die deutschen Völker, die sich bis 1918 unter österreichisch-ungarischem Kaiserstab versammelt hatten, war jede Lösung eines "Deutschland" immer nur als "kleindeutsche Lösung" verstanden worden. Gut ein Viertel aller Deutschen, also aller Menschen in ihren jeweiligen Völkern und Sprachen, lebte NICHT im Bismarck-Deutschland von 1871.
**Man müßte einmal die Geschichten der Menschheit näher untersuchen, um festzustellen, ob nicht der Satz gültig sein könnte, daß es überhaupt nie und nirgendwo "ethnische" oder "kulturelle" Konflikte gab. Sondern, daß es sich immer um Konflikte aus einem irgendwie gearteten, nirgendwo verstandenen "Staats-"Begriff handelte.