Teil 2) Erschlagen von den Balkonen der Gierigen
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Dieser Schein von Wohlstand gilt aber in mehrfacher Weise. Er gilt zum Beispiel auch, betrachten wir die Struktur unserer gegenwärtigen Arbeits- und Wirtschaftswelt. Die sich zu einem ständig und rasant steigenden Anteil an Unternehmen und Produkten führt, die nichts mehr neu errichten, sondern die das Alte ersetzen, verbessern, korrigieren und sanieren, damit es überhaupt noch seine vorgebliche Funktion erfüllen kann. Mit so einer Wirtschaft beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Denn sie verzehrt Energie - menschlich, psychisch, geistig und als Teil der Physik - die in Wahrheit vernichtet, an einen bereits bestehenden Ort verwendet und gebunden wird.
Das heißt Arbeit ja: Sie ist das Binden von Energie an ein Werk, das somit selbst "Arbeit" verrichten kann, die unserem eigenen Leben zu nützen vermag. Wohlstand ist deshalb immer eine Frucht einer immer kunstvolleren Verdichtung von Energie. Wenn wir uns aber die Lebensfrucht heutiger Generationen ansehen, uns besonders anschauen, was das Bleibende der ab den 1960er Jahren Geborenen ist - richtig, jene Generationen, die als Gipfelpunkt der sogenannten Babyboomerzeit heute beginnen, in die Pension zu gehen - dann stellen wir fest, daß fast alles, was diese Generationen errichtet haben, worein sie ihre Lebensenergie gesteckt haben, bereits verwendet und konsumiert wurde.
Ihr Leben richtete sich an Werke, die aber mangels Qualität rascher als zu früheren Zeiten der Entropie unterworfen wurden. Denn das bedeutet es, wenn man an der Qualität spart: Man verweigert einem Ding, daß es die Energie, die auf seine Schaffung einmal verwendet wurde, auch gebunden bleibt und nicht freigesetzt, das heißt auf andere Dinge, vor allem an die Umgebung abgegeben wird. Man sieht es auch an physischen Bildern***, nur haben wir uns abgewöhnt, sie entsprechend ihrer Art zu deuten, ja überhaupt das Entscheidende zu sehen. Und das ist die Häßlichkeit unserer Lebenswelt.
So wie wir uns seit vielen Jahrzehnten angewöhnt haben, nur noch an den Schein, nicht an das Bleiben zu denken, das mit unserem Tun und Schaffen verknüpft sein muß. Weil es erst so den Sinn der Welt erfüllt. Die Schöpfung ist ihrem Wesen nach ihrem Schöpfer angeähnelt, und das heißt, daß sie auf die Ewigkeit ausgerichtet ist. Alles, was unter dem Menschen steht (und das ist der gesamte Kosmos, oben wie unten), ist auf diesen ausgerichtet. Der mit seinem Tun Gott ähnlich sein muß, und damit die Welt in die Unvergänglichkeit führen soll.
Aber "von diesem Brauch", dieser über Jahrhunderte mühsamst aufgebauten Haltung der Menschen, die unsere Kultur geschaffen weil zum Erbe der Vermehrung von Dingen, in denen Energie dauerhaft gebunden ist, aufgebaut hat, wurde vor hundertfünfzig Jahren beginnend abgegangen. Seit dieser Zeit, und in zunehmendem Tempo, wurde unsere Lebenswelt mit BILLIGEN Dingen vollgestellt. Die sich mehr und mehr zu einer Scheinwelt formierte, in der alles nur noch so "aussehen muß wie" eine zu Bildern geronnene Traumwelt. Die wir jetzt wollen, und die wir nicht mehr als fernes, vielleicht nie zu erreichendes Ziel eines Lebens begreifen, sondern als Pflicht einer Realisierung, die uns in die Hände gegeben ist.
Wir werden es deshalb mit immer mehr abbrechenden Balkonen zu tun bekommen. Mit immer mehr einbrechenden Brücken und Bauten. Mit immer sinnloseren Arbeitswelten, die wie Sisyphos einen Stein, der sich auf der Bergspitze nicht hält, von Neuem hinaufrollen soll.² Bis uns die Kraft ausgeht, bis uns vor allem die Motive verdunstet sind, die unsere Vorfahren in unsere Glieder transformiert haben, die uns aber in einer Lebensführung des Lasters und der habituellen Schwäche in die Umgebung abstrahlt wie ein schlecht isoliertes Backrohr, bei dem es aus allen Ritzen pfeift.
Was zu einem Lebensgefühl geführt hat, in dem es sich bald schon alle überlegen, den Wagen des großen Ganzen davor zu bewahren, daß er in den Abgrund rollt, sondern die Reißaus nehmen, um sich persönlich und in ganz engen Grenzen wenigstens ein paar Produkte vom Markt zu sichern. Weil das Tempo, in dem sich unsere Nachbarn aufmachten, um an sich zu raffen, was nur ging, von Tag zu Tag zunimmt und skrupelloser wird. Während im selben Tempo die Beschränkungen und Regeln zunehmen, die eben diese Gierigen anderen auferlegen wollen, um ihren Raubzug ungestörter auszuführen.****
Morgen Teil 3) Anmerkungen generell, nebst solchen zum Kommunismus als Grundhaltung des westlichen Menschen und zur Frage, warum die Erfindung der Perspektive in der Malerei einem Impfen gegen Krankheiten analog ist.