Wenn wir aber sagen, daß alles in einem Wort gründet, so muß noch mehr gesagt werden (und wir haben die Ableitung hier bereits einmal unternommen), daß dieses Wort ein Name ist. Der Name für jene Person, die dieser Name ist, sodaß die Teilhabe an diesem Namen auch die Teilhabe an der Person selbst bedeutet. Wenn es denn in der rechten Haltung geschieht, ungeschuldet und nur im Bitten und Flehen. Nicht als Herrschaft, also keineswegs als Namensmagie. Wie die Kabbalah (glaubt man Gustav Meyrink in seinem "Golem") es technisiert zum Weltenschlüssel in der Sprechformel machen möchte.
Sagen wir nicht "Im Namen des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes", weil wir eine Handlung als von diesen kommend bezeichnen? Sodaß in dieser gesagten Teilhabe eine ganz reale stattfindet, und nur im Sagen dieses "im Namen"?
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Aber nun wird der Weg kurz, von dem aus diese Teilhabe an dem einen, alles begründenden und tragenden, im Sein erhaltenden Namen auch in einem anderen Punkte zur Weltensäule wird. Denn in der Öffnung, die dem Herzen eigen wird, wenn es in dieser rechten Haltung actu wird, öffnet sich das Tor der Welt hin zum Göttlichen. Das aus dem Universalen, das dem Namen Jesu so eigen ist, daß beides in eins fällt, und nur ihm.
Und zwar vorstellbar wie Abspaltungen, wo aus einem riesigen Pool von Möglichkeiten an Menschen alle Menschen hervorgehen. Wo somit aus dem Namen, in dem alle Namen enthalten sein müssen, alle Namen hervorgehen, in denen sich eine Seele zum Menschsein konzentriert.
Ob nun im Johannes oder Agnes oder Herbert, ob in Birger oder Michael oder Dragobert, sind die Namen die Pflanzschalen, in denen sich ein Allgemeines zu einem Spezifischen, ein Universales zu einem begrenzt Individuellen, auf einen bestimmten Ort konzentrierten Individuum - denn es ist der Ort, der individualisiert! es ist der Ort, der somit das ist, wodurch etwas und jemand "wird" - konstituiert. Konstituiert durch die Selbsttranszendierung. Und die ist ein Selbstüberschreiten auf ein Bild hin, auf eine Person hin, die der "Ur-Birger,", der "Ur-Sebastian", der "Ur-Johannes" war.
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Jeder später Kommende, dessen Teil als Ablaufmenetekel der Welt, in dem das Grundgesetz der Thermodynamik in einer eigenen Charakteristik erkennbar wird: Als Weg vom Allgemeinen zum je Spezielleren, das zugleich aber auch das Ärmere ist. Bis sich das Geflecht der Menschen so stark ausdifferenziert hat, bis auf dem schmalen Ort, an dem er zu stehen kommt, eines Tages gar kein Platz mehr ist, auf dem noch ein Mensch zu stehen kommt. Spätestens dann ist er da, der Tag des Endes, der Tag der Abrechnung, der Tag an dem die Welt aufhört.
Aber jeder dieser Kurt und Fritz und Gerlinde und Rattaboimine, jeder ist nur ein später Folgender dieses einen Ur-Fritz und -Gustav. Und er ist überhaupt nur er selbst, wenn er sich als Repräsentant dieser einen Art Mensch zu sein begreift. Dessen Individualität nicht darin besteht, daß er eine andere Kappe oder ein anderes Wamst oder ein anderes Güpfelchen am Schnubbel trägt, sondern daß er eine andere Art der Repräsentanz hat.
Die sich freiich im Rahmen der Grundgesetztheiten des Gustav-Seins bewegen muß, die aber dadurch "eigen", "individuell" ist, und NUR dadurch, das sie an diesem Ur-Gustave teilhat. In der rechten Haltung. Sonst fällt er ins Nichts. Nicht ganz, aber graduell, und mehr oder weniger, und irgendwann zu viel. Dann ist er tot. Und dann ist er vergessen.
So existiert nur, was im kleinen Plätzchen, dem Ort als Wesenskomposit, als Einzelnes einem großen oder riesigen Allgemeinen zugehört, in dem der kleine Name am äußersten Vorposten der Fronten und Begegnungen am großen ganzen Namen teilhat. Und diesem Namen alle Ehre verschaffen will, wie aus dieser Ehre selber lebt und den ihm gehörigen Grad der Autorität hat, weil ein Name auch eine bestimmte Position impliziert.
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So wie wir "Cappi" zum Orangensaft, "Keli" zur Limonade, Cola zum (egal welchem) Schwarzgebräu sagen, "Flotte Lotte" zum Passiergestell, und "Rüstiger Hansganz" zum Sauschlägel, die alle einmal und zum ersten Male unter diesem Ur-Namen an unsere Ohren gedrungen sind. Sodaß fortan im Namen eine Gattung des Existierens die Weltbühne betreten hat. Und alles Dingelchen, das fortan die Nutzanwendung fortführt, die nun im Weltengefüge ihren Platz, Anspruch und Pflicht weil Erwartungshaltung in so unzähligen anderen erweckt hat - denn eine Nachtbar ohne Cola ist nicht mehr möglich, die Nachtbar ist darauf ausgerichtet.
Ein Caesar ist ein Kaiser, eine Art, ein Ding, das einer Person entstammt. Ein Name wurde zum Ding, zum Titel! Mit dem sich mancher gerne schmückt, und noch mancherer alles daran setzt, daß ihm dieser Titel zugesprochen würde. Von jemandem, der diesen Namen in der Hand hält, um ihn vergeben zu dürfen. Dessen eigene Position in der Welt sich sogar (mit) daraus ableitet, daß er diesen Kaiser/Caesar zu vergeben, jemandem auf den Kopf zu drücken hat. Auf daß dieser unter dem höchlichsten Hut verschwinde, der Kaiser/Caesar ihn absorbiert.
Was sich im großen Weltenspiel so nachvollziehbar abrollt, hat dort nur seine große Musterrolle für jeden Einzelnen. Nur die Ebene ist anders. Die Art ist dieselbe. Und der Schweizer (der Melkknecht) ist nicht weniger KaiserSchweizer, wie der DreiPhasenhobler der KaiserDreiPhasenhobler, und wie der KonnotationenAmbrosius ein KaiserKonnotationenAmbrosius ist.
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Haben wir es denn heute aber anders? Sollten wir uns nicht (wenigstens hier) jeden Jammerton ausnahmsweisig versagen? Nennen wir unsere Kinder nicht nach Vorbildern, an denen wir Eigenschaften bewundern, die wir selber gerne hätten? Oder wir, indem wir sie in unserem Nachwuchs (endlich) finden? Hat sich also in der Teilhabe an den Eigenschaften eines Ur-... durch und mit der Namensgebung je etwas geändert?
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DAS ist der Grund, warum wir als alte Katholen, die wir nun mal sind, nicht den Geburtstag feiern, wie es die Heiden tun und getan haben, und damit die Welt und die leiblicher Abstammung hochpriesen als wäre sie der Umstand, daß es von diesem oder jenen in die Welt gebumst wurde auch ist, was ein Ding zu einem Ding macht, nein: Ein Ding wird zu einem Ding, weil es seinem Begriffe zustrebt, und ein Heinrich ist ein Heinrich, weil er seinem Väteli und Müateli ein herzlich Pfiatgott jodelt, wenn er aufbricht, um dem ersten Heinrich der Weltgeschichte zu- und nachzustreben.
Sodaß dieser Heinrich der Stammvater einer ganzen Pyramide, ja eines Pyramidengebäumsels wurde, das er stolz dereinst vor den himmlischen Vater trägt, der sie dann an den großen großen Knopf, diesen einen Namen anhängt, an dem alle Pyramiden hängen, große, kleine, alle, sodaß am Beginn wie Schlußstein der Kathedrale der Schöpfung auch hoffentlich ein kleines Ambrosius "sein-wollen" hängt. Siehst Du's nicht, werter Leser?