Was theologisch eindeutig ist, was philosophisch eindeutig belegbar ist (denn Philosophie kann nur hinweisen, verweisen, sie kann die Wahrheit selbst nicht definieren, ist im wahrsten Sinn Magd, werkzeuglich, dienstlich) findet sich im alltäglichen Glaubensleben kaum noch. Und wo es in formalen Fragmenten noch da ist, wird man das Gefühl nicht los, daß es nicht mehr wirklich geglaubt wird, die befruchtenden Wurzelwasser also bereits fehlen.
Gerade bei sogenannten "Traditionalisten", wie sich die Besucher der "Alten Liturgie" gerne nennen, ist der Hochmut die vielleicht häufigste Erscheinung. Glauben wir wirklich (noch), daß alles, buchstäblich alles, und das heißt: Alles Geschichtliche, alles Seiende, alles was ist (indem es auf Gott zu isset), von diesem Gott am Kreuz abhängt?
Die gesamte Evangelisierung Europas hat sich jedenfalls darum gedreht: Glaubten die Heiden, die in diesen unseren Ländern gelebt haben, unsere (damals noch nicht, heute nicht mehr bekehrten) Vorfahren also, daß alles von der Erlösung durch den am Kreuz hingeopferten Gottmenschen abhängt. Glauben wir's?
Kein Gutmenschentum, keine noch so "gute" Tat hat Wert, wenn sie nicht durch das Lamm Gottes vor Gott getragen ist. Da spürt man im Grunde nix, das geschieht geistig, im ontologischen Gefüge der Welt nämlich. Es geschieht mit dem Schlüssel, dem Gehorsam als Aufgabe jedes Eigenwillen in der Hand, in der Herzenseinigung mit Jesus, in diesen wir dann hineingenommen wurden und werden. Ein Akt, der im realen, also real geschehenen Schritt der Taufe angelegt sein muß, und nur deshalb möglich wird. (Von der Begierdetaufe mag ich nicht reden, sie ist zum einen vermutlich extrem selten, wenn auch im Sterbeprozeß möglicherweise recht häufig, auf daß der Liebe Herrgott seinen Himmel vollkriege,)
***
Das sogenannte "Neuheidentum", mit dem wir es heute zu tun haben, ist immer von Hochmut getragen. Als Verweigerung des Gehorsams. Aber vor allem - aus Angst! Es ist deshalb eine Flucht vor der eigenen Schuldhaftigkeit, und seine Liturgien sind immer Handlungen, die den Teilnehmenden das Selbstgefühl der Geheiltheit und Erlöstheit vermitteln.
Wie viel es doch dadurch mit Protestantismus und allen diesen evangelikalen, pfingstlerischen Charismatismen, die auf erschreckende Weise bereits das Katholische durchfault haben, zu tun hat. Die von demselben Subjektivismus (das Gefühl als Grundlage des Urteils) ausgehen.
***
In Wahrheit ist die Frage, wie Gott aussieht, wie der Gottessohn aussieht, eine Scheinfrage. Ich bin sicher, daß wir es wissen. Daß wir deshalb augenblicklich, wenn er vor uns steht, wissen, daß DIESER DA GOTT IST. Und zwar aus seiner Gestalt! Aus seiner Erscheinung! Als Objekt der körperlichen Sinne, sozusagen (die freilich ohne Geist blind und taub), bloßes "Geräusch" bleiben.
Siehe Cochlea-Implantat bei Säuglingen, die nur "Rauschen" haben, also keineswegs "hören" - bleiben.
Sodaß alles unser Verhalten auch eine direkte Antwort auf das ist, WAS WIR KENNEN. Weil wir es sehen. Weil uns die gesamte Schöpfung so deutlich von Gott erzählt, ihn darstellt, ihn in seiner Charakteristik erkennbar macht, ihn durch das von Gott ausgegangene Wort ("Name") von Mensch zu Mensch weitergegeben, uns dieses geistige Sehen von Anfang an gegeben hat. Das wir prinzipiell nur im Empfangen uns "aneignen" können, auf das wir also nicht selber kommen können.
Erkenntnis ist also völlig anders, als die Aufklärung behauptet hat. (Und nach deren Vorgabe die sogenannte "Naturwissenschaft" seit hundertfünfzig, zweihundert Jahren sucht - ohne diese je bestätigt gefunden zu haben, ohne, daß man der Logik Gewalt antut und vor allem in frei erfundenen Legenden, im behaupteten autoritativen Range des Mythos, ausweicht.)
Erkenntnis ist eine über das gegebene Wort geschenkte, geschenkhafte und gewährte Teilhabe an der Wahrheit als Grundstruktur und vor allem -grammatik, als dem lebendigen, letztlich und in der Wahrheit vom Heiligen Geist getragenes weil letztlich innertrinitarischem Zueinander als Grammatik der gesamten Schöpfung, ja des Kosmos. Sie ist insofern also "dialogisch", weil sie den Rahmen wie Boden der persönlichen Beziehung zur Wahrheit selbst braucht.