Jahrzehntelang war in hiesigen Medien kein Sterbenswörtchen zu hören, daß es sich bei Ländern wie Tunesien oder Ägypten (oder Algerien) um Länder mit schweren Defekten hinsichtlich Menschenrechte handelte. Generationen sind aufgewachsen mti dem Gefühl, es handele sich bei Tunesien und Ägypten um Oasen des Lebensgefühls und Tourismus, und Hunderttausende Österreicher und Deutsche flogen hin und verbrachten unvergeßliche Urlaube. Gefährlichkeit bestand bestenfalls im Wassergenuß, das war häufiger Inhalt der Gespräche mit Bekannten und Verwandten, wenn sie von ihrer Nilkreuzfahrt erzählten, oder geheimnisvoll schwiegen, wenn es von Tunesien zu reden galt, das in manch delikater Hinsicht berühmt-berüchtigt war.
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Chaos in Kairo (2011) |
Sonst? Nichts. Stabilitätsfaktoren waren sie, beide Länder, zwischen dem seit Franzosenzeit immer noch ein wenig heiklen Algerien, dem wahnsinnigen Gadhaffi in Libyen, und beide Länder waren verläßliche Partner für die Welt, in der auch der islamistische Fundamentalismus im Griff war, so sehr er sich in Ägypten brutal zu Wort melden wollte.
Aber seit Nasser, der in seiner UdSSR-Nähe sowieso ein eigenes Kapitel war, seit Anwar as-Sadat, der sogar den Friedensnobelpreis erhalten hatte, und auch mit Mubarak war Ägypten ein stabiles Land, gerade im arabischen Block, in seiner Rolle in Afrika überhaupt, das schon an der Schwelle zum Standard des Westens gesehen wurde.
Und nun? Seit von den Unruhen in Kairo und Alexandria berichtet wird, lautet die Diktion plötzlich "Regime". Nicht anders verhält es sich bei Tunesien. Gerade die beiden bislang stabilsten, verläßlichsten Länder der Region, waren also von Unrechtsregimen regiert?!
Der ORF berichtet nur noch von "Aufständen gegen das Regime", als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, wir hatten es doch immer gewußt, und der KURIER, die neue Qualitätszeitung, sendet sogar eine eigene Berichterstatterin (sic!) nach Kairo, um zu beweisen, wie sehr er am Puls der Zeit hängt.
Noch immer aber keine Zeile, WARUM in diesen Ländern überhaupt demonstriert wird. Keine Zeile, was die Aufständischen überhaupt wollen? Außer: Wohlstand. Mehr Arbeitsplätze. Höhere Löhne. Teilhabe (sic!) am Wohlstand, der ja, wie wir alle wissen - so wurde es zumindest den jungen Menschen heute allesamt eingetrichtert, und den Frauen sowieso - vom Staat und seiner Umverteilungsmacht ausgeht und abhängt.
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Traumurlaub in Ägypten (2010) |
Keinen anderen Eindruck gewinnt man, wenn man Al Jazeera beobachtet, wo Ägypter - "activists" - ausreichend zu Wort kommen. Ja, der eine erzählt, daß sein Freund verhaftet worden war, ohne daß jemand wußte, warum und wo, und für 24 Stunden verschwand, sodaß sich alle Sorgen machten. Aber was erwartet man in einem Land, wo sich schon aufgrund der internen Spannungen - Islamismus vs. säkulares fortschrittliches Wohlstandsland - auch anderes? Im Gegenteil, das waren ja die Eigenschaften am "Regime" Mubaraks's, deretwegen er als so verläßlicher Partner galt?!
So groß die Sympathien mit dem "Prinzip Aufstand" auch sein mögen. Vorerst läßt sich der Eindruck nicht abschütteln, daß sich hier der Wahnsinn der Zeit inszeniert. Nicht mehr. Irgendein Geschwafele von "Demokratie" oder "democracy" - ein Wort, das wie der Schuß mit einer Schrotflinte auf eine Scheune daherkommt, irgendwie muß es ja richtig sein!? - läßt de Eindruck nicht geringer werden, daß sich hier einfach die Trägheit der Zeit (sic!) - "nicht mehr mitspielen" kann nämlich Seltsamstes bedeuten und zur Ursache haben! - mit unbewußten, dämonischen Kräften ihren Hochzeitstanz liefert. Wo einfach die Auflösung nach Luft ringt, von der die heutige Welt des Westens ja zunehmend zu glauben scheint, er wäre sie, die berühmte "
Demokratie", die alles als undemokratisch abstempelt, was sie (eben: was? wissen wir nicht ... siehe:
Vogelzug) behinderte - nicht der positive Gestaltungswille.
Und eine andere Frage erhebt sich, verfolgt man die Berichterstattung: Wo war sie zuvor gewesen, wenn sie jetzt so sicher weiß, daß es um Regime und berechtigte Volkserhebungen geht? Wo waren die Berichte über die Menschenrechtsverletzungen, wo waren die kritischen Reportagen, wo waren die Demonstranten vor ihren Botschaften? Oder will die Journaille, speziell in Österreich, einfach auf jeden Fall nur wieder bei den Siegern aufwachen?
Am nächsten Morgen, wenn die Polizei in Kairo endlich die lästigen Plünderer von den Straßen gefegt hat, die Kairo derzeit heimsuchen. Vielleicht jene tausende Kriminelle, die durch die Eroberung einiger Gefängnisse freigesetzt worden waren. (Auch dort: KEINE Regimegegner und Folterkeller, aber Kriminelle. Und Islamisten.) Oder sind es Demonstranten, die hier kurzfristig die Erfüllung ihrer Forderungen gefunden haben?
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"Friedensnobelpreisträger" ElBaradei |
P. S. Diese Groteske des Herumtastens heimischer Medien, welche Haltung denn opportun sein könnte, zelebriert der KURIER u. a. mit einem befreiten Aufschrei, daß sich nun eine "Stimme der Opposition" gefunden habe. Im
Friedensnobelpreisträger ElBaradei. Wobei sie verschämt verschweigt, daß
ElBaradei im Rahmen seiner Tägigkeit für die UN-Atombehörde diese fragliche Auszeichnung erhalten hatte. Nicht, wie man in diesem Zusammenhang meinen könnte, weil endlich ein Opfer des "Regimes" gefunden wäre. Im Gegenteil, hat
ElBaradei nie mit auch nur einem Sterbenswörtchen verlauten lassen, daß die Lage in seinem Lande prekär oder menschenunwürdig sei. Und das ist doch seltsam?
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