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Montag, 31. Januar 2011

Braucht man es wieder?

Nun soll Auschwitz saniert werden. Vor allem Deutschland, die USA und Österreich haben bereits an die 80 Millionen Euro in einen Fonds einbezahlt, der ab nächstem Jahr die gesamte Anlage in Polen sanieren soll. Es gehe, schreibt der Standard, um die Erhaltung sämtlicher Anlagen. So seien die Baracken teileise verfallsgefährdet, die 13 km Stacheldraht in miserablem Zustand.

Sollte man nicht vielmehr diese Anlagen den Gang alles Zeitlichen gehen und verfallen lassen? Statt sie - welch perverser Gedanke! - funktionsfähig zu halten?

So sieht auch ein Gestüt o.ä. aus. Mauern, Zäune, Schienen.

Ist wirklich ein Ding für sich selbst das beste Zeugnis? Eben genau nicht. Mit einem Besuch in Auschwitz (oder in Mauthausen etc.) wird doch genau das Gegenteil erreicht: nur unter großer Vorheuchelung von Betroffenheit wird das nichtssagende, häßliche, nüchterne Gebäudeensemble zu jenem Schreckensort, der es einmal gewesen ist.

Nur, wenn das was hinter diesem Gebäude steckte, wenn das, wozu sie dienten dargestellt und nachzufühlen wird, erfüllt solch eine Stätte ihren Zweck: der Erinnerung. Dort lag der Schrecken, nicht in den Ziegeln, dem Holz. Das darzustellen aber kann nur ein Kunstwerk leisten, das mehr kann als die "Realität". Von mir aus eines wie jenes aus den Fäusten von Alfred Hrdlicka vor der Albertina in Wien. Das wirklich den Schrecken faßbar macht. Und sich nicht in lächerlichen Ziegelmauern ergeht, die noch dazu järhlich frich ausgeweißt und alle fünf Jahre neu verputz werden, in Krematoriumsöfen, die proper geölt und rostfrei gehalten werden, sodaß jederzeit ein ausgedörrter Leichnam wieder verbrannt werden könnte.

Die Absicht, an diesen Schrecken zu erinnern, der den Menschen daran erinnern soll, zu welcher Unfaßbarkeit er fähig ist, wird mit der Aufrechterhaltung der realen historischen Dinge konterkarriert. Sie wird banalisiert, denn Ziegelwände bleiben Ziegelwände, Holzbaracken Holzbaracken, und Öfen Öfen. Nichts an ihnen wird jemals wirklich nachvollziehbar machen, wozu sie dienten. Nicht einfach dem Feuer, sondern dem Schrecken. In den tiefen Schichten der Wahrnehmung wird genau dieser aber trivialisiert, banalisiert, wird ihm genau der Schrecken genommen. Es ist ein Irrtum, anderes anzunehmen. Und wirft die Frage auf - warum soll so ein Konzentrationslager funktionsfähig gehalten werden?

Ein Ding ist nicht aus sich heraus etwas. Es ist "nichts", macht man seinen Zusammenhang nicht deutlich. Aber das geschieht nicht durch "Realismus", sondern durch Darstellen dessen, wozu es auch dienen kann. Ob es gut oder böse ist aber hängt vom Mensch ab, nicht vom Ding selbst. Auschwitz im Originalzustand "in Schuß zu halten" aber macht genau dieses Begreifen gar nicht mehr möglich. Weil es die Schuld auf das Ding - nicht auf das sinnlich faßbare des von Menschen verursachten Schreckens legt. Sodaß auch Argumente wie "genau das solle ja gezeigt werden: wie trivial das Böse sein kann" pädagogisch nach hinten losgehen.

Das ist ja genau einer der großen Irrtümer zu meinen, das Böse sei in eine bestimmte historische Gestalt gebannt, und trete immer gleich auf. Vielmehr hat auch das Böse nur das "Gut", das Sein. Sein Geheimnis liegt in der Umwandlung, im Mißbrauch, in der Verdrehung!

In Auschwitz wie in jedem anderen KZ, das man als Gedenkstätte erhalten möchte, wäre einzig ein Kunstwerk angebracht, das den genius loci aufrechthält. Den Rest sollte man verfallen lassen, denn als "Gedenkstätte" erhält die nackte Realität nur die Erinnerung wach - und das kann nur die Erinnerung der Opfer selbst sein! Und welches Opfer der damaligen Ereignisse kann seinen Schrecken immer präsent und wachhalten wollen? Jetzige und zukünftige Generationen können sich nicht "erinnern", das ist Schwachsinn. Man kann also nur das "Dahinter" wachhalten, den abstrakten und absoluten Sinn, indem man es - in der Kunst - präsent hält. Die Realität hält nichts präsent, außer ein Stück "unbestimmter" Materie.

Also sollte man das beenden. Auch ein verfallender Ort hat ja eine starke Aussage. Oder, wenn kein Künstler (außer Hrdlicka) in  der Lage ist, diesen Schrecken in sich wachzurufen, in sich zu suchen, um ihn darzustellen, sollte man wenigstens die Symbolisierung suchen. Wenn diese auch tatsächlich ein Ablaufdatum hat, weil sie nur auf aktuellen kulturellen Sprachkontext zurückgreift, Symbole also auch (anders als Kunst) ihren Sprachgehalt verlieren und ins Unverständliche absinken können.

Die technische Fertigkeit hingegen, die mit einer Konservierung eines KZ ebenfalls tradiert wird, als aufbewahrte Anleitung solchen Massenmord zu bewerkstelligen, die könnte ruhig in Vergessenheit geraten. Ein KZ also "in Schuß" zu halten macht höchstens nachdenklich, welche unbewußten Kräfte das wünschen könnten.

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