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Sonntag, 30. Januar 2011

Dann macht euern Dreck alleene.

Die Revolution in Sachsen verlief etwas aggressiver. Überall im Land wütete schon seit 1917 der Hunger, und es kam nicht erst beim Zusammenbruch des Deutschen Reichs zu Unruhen. Als man dem sächsischen König riet, bewaffnete Kräfte einzusetzen, um wieder Ruhe herzustellen, hatte der das abgelehnt. "Wenn ich hungrig bin, werde ich auch ganz unruhig," hatte er gemeint.

Friedrich August III.
Doch am 9. November sammelte sich schließlich auch in Dresden ein Demonstrationszug, und marschierte in Richtung königlichem Schloß. Dort rieten die aufgeregten Minister dem König, zu fliehen, die Aggressivität der Massen bedeute für ihn höchste Gefahr! 

Doch Friedrich August III. lehnte ab. "Wenn Krieg ist, kommt es schon mal vor, daß man in Gefahr gerät. Und wir haben immerhin Krieg." 

Am Fenster stehend erwartete er gefaßt die Demonstranten. Die aber vor dem Schloß angekommen plötzlich und unerklärlicherweise die Richtung änderten, und vorbeizogen. Wie ein Vogelzug hatte der Schwarm seine Richtung geändert.

Am 10. November rief ein Arbeiter- und Soldatenrat auch in Dresden die Republik aus. Erst jetzt packte der König die Koffer, setzte sich aber dann an seinen Schreibtisch, und wartete. Mittags meldete sich telephonisch der (frühere) Finanzminister. Friedrich August wußte, daß er neuer Minister der Republik war.

Er druckste herum, bis schließlich der König den verlegenen Mann fragte: "Na, ich hab wohl nischt mehr zu sagen?" Der Minister stammelte Unverständliches, da riß dem Monarchen der Geduldsfaden. "Was haben Sie gesagt?" Erst jetzt wagte der Minister sich klarer zu äußern. "Ja Majestät, die Sache hat sich wohl erledigt." Da verlor der König die Fassung. "Was? Die Sache? Die Sache, nach tausend Jahren Herrschaft der Wettiner, eine Sache?" Dann fielen die legendären Worte.

"Na, denn macht euern Dreck alleene."

***

Erst im Verlauf des Jahres 1919 klärte sich, was mit den Früchten der Revolution in Deutschland geschah. Gesiegt, schreibt Joska Pintschovius in "Die Diktatur der Kleinbürger", hatte das Bündnis der sozialdemokratischen Revisionisten mit den staatstragenden Mächten des untergegangenen Kaiserreichs. Nun galt es, vergessen zu lassen, wie sehr das ganze deutsche Volk den Krieg ersehnt, das Bürgertum sich einst aus dem Waffengang fette Beute versprochen und selbst die Sozialdemokratie der Kriegsfinanzierung zugestimmt hatte.

Bekanntermaßen ging der Versuch aber schief, den Krieg "dem Kaiser" anzulasten, um als "Opfer" auszusteigen. Die Alliierten - Wilson hatte sich nicht durchgesetzt, England und Frankreich oblag es, Europa neu zu ordnen - ließen sich durch die Revolution keineswegs milde stimmen, und die Reparationszahlungen waren ein Schock für die deutsche Öffentlichkeit. Nicht einmal eine "Alleinschuldserklärung des Deutschen Kaiserreichs", die der bayrische Ministerpräsident Eisner - man hatte mittlerweile eine Bayrische Republik gegründet - an die Alliierten gesandt hatte, bei gleichzeitiger Beteuerung, daß man in dieser Revolution das Schreckensregime beendet und nichts, absolut nichts mehr mit dem Kaiserreich zu tun hatte, zeigte Wirkung.


Dabei war die Stimmung im Volk höchst gespalten. Es wollte keine rechte Freude über die neue Republik aufkommen, auch nicht unter den Abgeordneten in Weimar, die dort am 11. August 1919 die neue Verfassung verabschiedeten. Man war allerorten mit dem Kaiserreich höchst zufrieden gewesen, in dem die Wirtschaft floriert hatte, wo völlige Meinungsfreiheit herrschte, und man die modernste Sozialgesetzgebung der Welt genoß. Das normale Volk konnte und wollte nicht recht einsehen, warum ein Wandel notwendig gewesen war. Wo war der gesellschaftliche "Fortschritt", den die Verfassung von sich behauptete?

Ja, die realpolitische Notwendigkeit zu Kompromissen unter den so unterschiedlichen Parteien und Weltanschauungen hatten sogar die verfassungsrechtlich verankerten Pflichten und Rechte höchst unbefriedigend gestaltet, sodaß der "gesellschaftliche Fortschritt" sehr von der jeweils an der Regierung befindlichen Konstellation abhing.


Eine Verfassung übrigens, in der der Zusammenschluß mit Österreich noch festgeschrieben war, warum auch nicht? Denn Gleiches hatte zur gleichen Zeit auch das österreichische Parlament beschlossen. Und alles das war nichts als ein Rückgriff auf die Beschlüsse in den Verhandlungen von 1848 in der Paulskirche in Frankfurt - als einzig logische großdeutsche Lösung.


*300111*