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Donnerstag, 13. Januar 2011

Das Licht erzählt, ob es hell oder dunkel ist

Christoph Waltz
Christoph Waltz, Oscar-Preisträger 2010, im Interview im Spiegel - Das Licht, das auf einen Charakter fällt, definiert, ob er gut oder böse ist. Nicht "das Spiel" des Schauspielers - es darf das Urteil nicht schon mit verkünden.


SPIEGEL ONLINE: Ist es für Sie interessanter, den Bösewicht zu spielen?
Waltz: Es ist eine meiner Lieblingsdiskussionen, was genau einen Bösewicht ausmacht. Viele wollen nur Gewissheit, wer der Gute und wer der Böse ist. Für mich als Schauspieler ist aber die Debatte das interessante. 

Ich schaue erst einmal, was die Figur macht - wo sie sich von anderen unterscheidet und weshalb ihr Verhalten vielleicht als böse angesehen werden kann. Eine Figur als Bösewicht zu kennzeichnen, ist vor allem ein Kürzel für die dramatische Konstruktion einer Figur. Als Anleitung, wie die Figur zu spielen ist, ist das Label aber irrelevant. Das erledigt einen Charakter auf der Stelle.
[...] Die Frage, ob eine Figur gut oder böse ist, halte ich für mich als Schauspieler für hinderlich. Ich versuche, der Wertung eines Charakters soweit wie möglich fernzubleiben.

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Was Waltz in seiner wie stets so wohltuend reflektierten Antwort sagt ist nichts anderes, als daß häufig die Beurteilung einer Rolle und einer schauspielerischen Leistung nach völlig falschen Kriterien vollzogen wird. Viel zu viel Gewicht wird nämlich auf den Schauspieler selbst gelegt - als "Hervorbringer" einer Rolle. Und vor allem Laien machen den Fehler, die Farbe der Figur der Figur direkt zuzuschreiben. Während die Rolle der Handlung, der Stellung der Figur im Stück oder im Film, die Reaktionen der anderen, das Bühnenbild, etc. etc. jene Faktoren sind, die diese Figur erst hervorbringen!

Nicht anders ist es ja in der Malerei, und von ihr kann man als Metapher viel lernen: denn es gibt gar keine Farbe für sich! Sie mag gewisse physikalisch meßbare Eigenschaften haben, aber das erklärt noch lange nicht, warum sie - in dieser oder jener Anwendung, noch dazu - so oder so wirkt. Kräftig, leuchtend, hell, dunkel ...

Das Farbmittel hat nur eine begrenzte "Lokalfarbe", entspricht also in etwa einem bestimmten Farbwirkungskreis. Aber wie sie letztlich wirkt, hängt vor allem (neben Faktoren wie Perspektive, oder Form, an der sie angebracht ist) von den Komplementärfarben ab (also von scheinbar widersprüchlichen Farben), und schließlich von der Harmonie des Ganzen Bildes! (Und Film ist eine bildende Kunst, eine Abfolge von Bildern.) Und das alles sind nur einige wenige Andeutungen - Niemann faltet sie in "Einführung in die bildende Kunst" so großartig aus.

Aufs Schauspiel umgelegt bedeutet das, daß viel zu oft die Wirkung der Figur dem Schauspieler selbst zugeschrieben und überantwortet wird. Daß er viel zu oft gelobt (und damit zerstört), wie kritisiert (und damit verunsichert) wird, weil er für Umstände an seiner Arbeit verantwortlich gemacht wird, deren Opfer er selbst ist.

Was einen Bösewicht ausmacht? Sicher nicht, daß er "böse schaut" ... Sondern daß sein Schauen in diesem Augenblick als böse interpretiert wird. Dabei denkt er vielleicht an die Pizza des Vormittags. (Und genau das zeigte nämlich seinen Charakter, wenn er das in einer Situation denkt, wo es um Leben und Tod geht, und genau das - ohne daß es jemand weiß - macht das Widersprüchliche aus.)

Schauspiel ist eben wie jede Kunst im Gelingen ein Geheimnis. Es ist nicht positiv zusammensetzbar, wie ein Baukasten. Es ist aber zerstörbar. Und meist wird es zerstört.

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