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Freitag, 14. Januar 2011

Einen Stand geopfert

Die kleinen Bauern, so schreibt es der Standard, fühlten sich von ihren Interessenvertretungen nicht ausreichend vertreten. Sie fürchteten ein Bauernsterben, denn in allen Vertretungen dominierten die Interessen der Großen und Finanzkräftigen, während der Kleinbauer nicht mehr überleben könne.

Als wäre das neu. Das war mit dem EU-Beitritt 1995 beschlossene Sache! Genau das war ja das neue Leitbild des Bauern der Zukunft, ich war viel male Zeuge solcher Aussagen durch Meinungsbildner und Politiker, die den anwesenden (und völlig zu Recht!) besorgten Bauern in leuchtenden Farben schilderten, welche Erfüllung der österreichischen Landwirtschaft winke: denn die offenen Märkte würden zukünftig heißen, daß Chancen bestünden, das rohe Material für den Parma-Schinken zu liefern. Lastwagenweise, nicht mal hier, mal dort. Freilich, das hieße allerdings, auf Qualität umzusatteln, denn dann müßten eben alle Schinken auf den Zentimeter dasselbe Maß haben.

So, wörtlich, war es zu hören. So hat man ihnen dann die neuen Betriebsgrößen verkauft, die nötig waren - 70 Hektar als Rentabilitäts-Untergrenze für die Schweinefurche (wegen des dort möglichen Maisanbaus) von Tulln nach Wels. Und die Kredite hat man ihnen gleich mit verkauft, mit denen dann (EU-gefördert, natürlich) die Höfe zu Lebensmittelfabriken umgebaut werden sollten. Natürlich in Schilling, wie es hieß, wörtlich, denn niemals würde man doch den Schilling aufgeben! Das liefe zukünftig bestenfalls zweigleisig, in doppelter Währung. Kein Scheiß, das haben offizielle Referenten der Regierung den Bauern erzählt!

Man könne es doch nicht aufhalten, meinten so manche damals mit wissendem Blick. Der Landwirtschaft müsse doch, seien wir ehrlich, ein wenig Druck gemacht werden, die suhle sich schon viel zu lange viel zu sehr im warmen Bettchen der staatlichen Förderungen, die betriebswirtschaftliches Denken verhinderten. Mit dem EU-Beitritt beschleunige man in der Landwirtschaft nur, was unausbleiblich sei.

Es mag sein, es mag sein, daß dies so war, dabei aber immer noch so ist. Denn zwei Drittel des EU-Budgets geht für Landwirtschaftsförderung drauf, Opfergeld der übrigen Wirtschaft, die niedrige Lebensmittelpreise braucht, um Kaufkraft für Dolby-Surround-Anlagen und all den übrigen Ramsch freizuschaufeln.

Aber Landwirtschaft ist kein Betrieb wie eine Lackfabrik oder ein Waschmaschinenhändler. Landwirtschaft ist eine Lebensform! Und deshalb sind mit dieser Erwerbsform auch Leben, Identitäten, Schicksale verbunden. Damit ist Zeit eine Dimension, die wesentlich wird, die Abstraktionen zum gefährlichen Gut macht - "irgendwann wird es nicht ausbleiben" ... 10, 15, 20 Jahre sind für einen Menschen ein halbes Erwerbsleben. Mehr hat er nicht! Und er hat diese seine Lebenszeit nur einmal. In solche Zeiträumen baut sich Persönlichkeit um, und damit baut sich auch die gesamte Umgebung in ihrem Geben und Nehmen mit um. Es ist also nicht menschlich, diese Lebenszeit (per Zwangsverordnung) zu opfern, um es der nächsten Generation "leichter" zu machen! Ziel der Politik muß zuerst einmal der aktuelle Mensch sein! Man kann nicht 200.000 Menschen - weil sie "demokratisch gesehen" nur eine kleine Minderheit im Lande sind, der nicht einmal die Zukunft gehört - in vorauseilendem Gehorsam ihr Leben nehmen. Demokratie muß Schutz gerade solcher Minderheiten bedeuten, sonst ist sie Diktatur der Mehrheit!

Um dieses Ziel (die Abnabelung von den Förderungen, wobei: das geht sowieso nicht, es würde unser ganzes System kollabieren) zu erreichen wäre ethisch vielleicht vertretbar gewesen, nach und nach wegzunehmen, was man - ungerechtfertigt, sonst wäre ja auch die obgenannte Argumentation ein Unrecht gewesen - an Zuviel gegeben hat, womit man - auch das ein Kriterium - eine natürliche Entwicklung verfälscht, deformiert hatte.

Aber Menschen zum Identitätsverlust zu zwingen, indem man als Kalkül beschließt, zwei Drittel (um diese Menge geht es) der Landwirtschaften ALS LEBENSFORMEN zugunsten der Umwandlung der Bauern zu "Produzenten", diese Lebensform also "zu opfern", soll heißen: diesen Zehn- und Hunderttausenden keine Chance zum Überleben zu lassen, das ist Unrecht!

Jedes Unrecht aber verlangt Sühne, verlangt Opfer, verlangt Gutmachung. Man darf also gespannt sein. Das blüht uns ja erst noch.

Neu aber, neu ist an dieser Verlassenheit dieses Standes durch seine Interessensgemeinschaft rein gar nichts. Man kann sich höchstens wundern, daß erst jetzt solche Töne angeschlagen werden. Die vermutlich von den nächsten Beschwichtigern - und Bauern haben aufgrund der Unbeeinflußbarkeit so vieler ihrer Lebensfaktoren (alleine das Wetter! und: SIE können gar nichts machen, wachsen muß es von selber, wie einmal einer sagte) oft ja auch eine fatale Schicksals- und Weltergebenheit als Lebenshaltung, für ein Volk ein unermeßliches Reservoir an Lebensqualität! - aber die Münder gestopft erhalten werden.

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