Jon Stewart, amerikanischer Talk-Show-Moderator, macht sich über Zuckerberg und Facebook lustig (nachdem er alles mögliche noch durch den Kakao gezogen hat, der dreiminütige Facebook-Beitrag findet sich ab Minute 10.:40). Marc Zuckerberg, mokiert er sich, weigere sich (mittlerweile, wie üblich: bei Drohung der Medien, ihn ein wenig weniger zu mögen, schon etwas weniger), die Geschäftsdaten für Facebook offenzulegen. Die giengen niemanden etwas an. Und das sagt jemand, so Stewart, der ein Networking gegründet hatte mit dem Anspruch, daß niemand auf dieser Erde noch irgendetwas nicht öffentlich machen sollte. Wikileaks everywhere, sozusagen.
Wie habe ich in "Der Odysseus" den Maler Adrian sagen lassen? "Warte nie bis sie merken, daß auch ein Gott beim Scheißen stinkt."
Diese Zahlen nicht zu veröffentlichen hat natürlich sehr klare wirtschaftliche Hintergründe. Facebook macht derzeit 2 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr, davon sind rund 200 Millionen Gewinn, was ja eh recht ordentlich sein könnte, wobei die amerikanischen "Gewinne" in Europa ordentlich abzuwerten sind und gerade mal dem entsprechen, was hierzulande "cash flow" heißt, also in etwa dem entspricht, was an Geld übrigblieb. Und das ist ja noch lange kein "Gewinn". Für Amerikaner sind nämlich nicht einmal Abschreibungen gewinnmindernd.
Der kolportierte Unternehmenswert von 50 Milliarden Dollar würde somit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 250 bedeuten. Das heißt (grob): Facebook wird derzeit zu einem Wert gehandelt (1 % der Aktien wurden jüngst für 500 Mio Dollar verkauft), der rund 250 zukünftigen Jahres-Cash-Flows entspricht! Das ist ja recht ordentlich!
Zum Vergleich: Google- und andere seriöse Aktien bewegen sich bei Kurs-Gewinn-Verhältnissen zwischen 10 (ab da ist eine Aktie ein heißer Anlegertip, weil unterbewertet), und 20 (ab da wird es heikel, ab da beginnt die Überbewertung, also die Blase). Etwa diese Größenordnung bezeichnet man generell als "gesund", und solide Anleger orientieren sich u. a. an solchen realen Zahlen, wie "Umsatz" oder "Unternehmensgewinn".
So etwas ist zu Ende der 1990er Jahre ja schon einmal kräftig in die Hose gegangen, damals, als die Internet-Blase erstmals platzte. Die man so verlockend "New Economy" nannte. Weil gegen alle Vernunft verkündet wurde, daß sich Geschäfte aus dem Nichts machen ließen. Ließen sich nicht. Ließen sich noch nie.
Aber jeder kann sich ausmalen, wer davon profitiert und an solchen Einschätzungen interessiert ist. Nämlich jene, die Unternehmensanteile besitzen (oder damit nur handeln wollen) und sie (angeblich) beim bevorstehenden Börsengang verkaufen werden. Wer immer diese Aktien dann kauft, erwartet zum einen etwas, weil er etwas weiß, das die anderen nicht wissen, und seine Aktien bald rentabel machen - oder er wird einfach abgezockt. Goldman & Sachs, die New Yorker Investmentfirma, ist ja bekannt für ihre seriöse Geschäftsgebahrung. So hat man vor zwei Jahren seinen Anlegern Immobilienzertifikate zu Höchstkursen verkauft, und selber ... auf fallende Kurse gesetzt. Im folgenden Börsencrash hat Goldman & Sachs kräftig verdient. Ganz im Gegensatz zu seinen Anlegern.
Die natürlich gewaltig Druck machen, daß sich ihre Investition auf rentiert! Die sind es dann, die in den Jahresversammlungen der Aktionäre verlangen, daß endlich verdient wird, und die operative Unternehmensführung wird - sonst darf sie gehen - ordentlich schwitzen, um diese Gewinne einzufahren. Was hat Facebook zu verkaufen? Äh ... ah so. Information. Information? Daten. Daten von und über ihre Anwender. Aber anders als bei Wikileaks steht hier ja nicht (zumindest: nicht nur) private Eitelkeit dahinter. Sondern der Makler der österreichischen Versicherung, hinter dem tausende Privatanleger stehen, die ihre Lebensversicherung zu ordentlichen Gewinnversprechen abgeschlossen haben, sonst würden sie zur Konkurrenz gehen, und der Konsumentenschutz eingeschaltet.
Daka: Die Börsenkurse fielen |
Was enttäuschte Kleinanleger bedeuten können, hat sich in diesen Tagen in Bangladesh gezeigt. In der Hauptstadt Daka kam es zu regelrechten Straßenschlachten, weil 5000 Anleger sich geprellt fühlten und demonstrierten, nachdem die Börsenkurse 2010 noch um 80 Prozent gestiegen waren, und plötzlich, binnen weniger Stunden, ein Kursrutsch zu beginnen schien, der sämtliche Kurse gleich mal um 10 Prozent fallen ließ.
Aber derzeit geht ohnehin ein seltsames Gespenst um, weltweit. Schon beginnt sich Kritik zu rühren. Zum Beispiel an den USA. Die dortige Geldvermehrung der letzten beiden Jahre - und schon wieder sind die nächsten 700 Milliarden Dollar an die Druckmaschinen in Auftrag gegeben - hat nämlich bewirkt, daß schon die bisherigen gigantischen Geldmengen, mit denen amerikanische Wirtschaft auf teils groteske Weise (durch oft völlig sinnlose Investitionen) "belebt" wurde, wie eine hungrige Drachenflut die Welt umschleichen, ständig auf der Lauer nach lukrativen Anlagemöglichkeiten, und dann nationale Märkte mit ebendiesem Geld überschwemmen. Die Presse berichtet davon, denn (u. a.) Brasilien fürchtet die Auswirkungen solchen Kapitalzuflusses: als eines der wenigen Länder, die wirkliches Wirtschaftswachstum haben, und mit einer solcherart drohenden Inflation (und Verzerrung der gesunden Faktoren) aus den Angeln gehoben werden könnte.
Anderseits müssen die USA ihr Geld aber irgendwie aus dem Land bringen, und die Währung über Volkswirtschaften, die noch weniger ausgedünnt sind als die eigene, durch reale Investitionen wieder auffetten, sonst ersauft die US-Wirtschaft in jedem Fall. Das geht eben nicht mit Facebook-Blasen. Das braucht wirkliche und solide Werte und Produkte. Keinen Tratsch von Leuten, die nach etwas suchen, ohne zu wissen wonach, aber weil es alle tun weiterhin ihren Eintrittspreis bezahlen: sich so weit ausliefern, daß andere ihre Schwachstellen erkennen; andere, die auf ihre ganz realen Werte abzielen. Ihr Verhalten, mit dem sie ihr sauer und vor allem real verdientes Geld ausgeben.
Was das mit den weltweit weiter und klammheimlich gestiegenen Lebensmittelpreisen zu tun hat? Zumindest eben das: in Wahrheit sucht Geld immer sehr sehr reale und beständige Werte. Das Geld, in dem man nun die Welt überschwemmt hat, muß aber irgendwie - und wird irgendwo - auf diese Wertbasis zurücktrocknen!
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Thomas Steinemann, Chefstratege der Vontobel-Gruppe in der Schweiz, meint deshalb im NZZ-Interview ebenfalls, daß die Schwellenländer - eben Länder in Lateinamerika, Asien und Osteuropa - still und heimlich eine regelrechte (gesunde) Gegenwelt aufgebaut haben. Lag 1990 ihr Anteil an der Weltwirtschaft noch bei 20 %, liegt er heute bei 30 %, und wird zweifellos weit4er steigen. Denn im Gegensatz zu den westlichen Ländern, die ausnahmslos mit dem Rücken zur Wand stehen, haben diese Länder sehr gesunde Staatshaushalte, was ihnen selbst im Krisenfall noch Handlungsspielraum gibt (den die westlichen Länder nach der letzten Krise nun endgültig nicht mehr haben). Außerdem fällt auf, daß der Kapitalzufluß in diese Länder sich auf Aktien und Realwerte konzentriert, und nicht auf reine Produkte des sogenannten Kapitalmarktes.
Nach und nach steigt auch deren Rating (als Parameter der Kreditwürdigkeit), und damit sind sogar Staatsanleihen aus diesen Ländern fast Geheimtips, weil die Zinsen dort immer noch deutlich über jenen westlicher Länder liegen - allerdings: bei hoher Zukunftsphantasie. Man beachte dabei nur, daß manche dieser Länder ihre Währungen gegenüber dem Schweizer Franken um 70 Prozent aufgewertet haben! Die Risiken liegen allerdings in einer Überhitzung dieser Märkte, worauf die Kontrollbankendieser Länder ja (nun auch in China) reagiert, und die Zinsen erhöht haben. Die Frage ist lediglich, ob es nicht zu einer (allerdings: kurzfristigen) Rezession in diesen Ländern kommen könnte, in der die Immobilienpreise (Eckfuß aller Kredite) unter Korrekturdruck geraten würden.
Steineman meint aber, daß dieses Risiko eher von den Medien hochgeredet wird. Denn die Kapitalströme in diese Länder betragen nach wie vor nur rund 7 Prozent der weltweiten Kapitalflüsse (die letzten 10 Jahre zusammengenommen).
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