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Montag, 10. Januar 2011

Drei Stufen zur Kunst

Wie ein Podest, das über drei Stufen zu begehen ist, sei die Kunst zu bewerten, schreibt Gottfried Niemann, und zwar: egal welche Kunst, auf alle treffe es zu. Keine der drei Stufen sei dabei unwichtig oder vernachlässigenswert, und das vollkommenste Kunstwerk weise auch die vollkommenste Harmonie dieser drei Stufen auf. Dennoch sei der Wert dieser Kriterien in dem Maß  gewichtig, als sie machbar - oder nicht ist.

Michelangelo/Adam: Vollkommene Harmonie
Die erste Stufe sei die der Technik, sie sei vom Zentrum am weitesten weg, sei auch durchaus erlernbar, und aus ihr alleine könne sich eine Scheinkunst aufbauen, die Kunst vortäuscht, aber nicht ist.

Anderseits geht es ohne Technik auch nicht. So wenig entscheidend sie hinwiederum sei: denn für viele Kunstwerke gelte, daß ihr Zauber, ihre Aussage so stark sei, daß Mängel in der Technik übersehen werden können. Ja, für manche sehr ausdrucksstarke Künstler gelte, daß ihre Technik prinzipiell hinter ihrem Ausdruckswillen hinterherhinke, und zum geringsten seien sie selbst wohl damit zufrieden.

Dann komme die zweite Stufe, die mit "Stil" oder Gestaltungsprinzipien bezeichnet werden könne. Hier entscheiden Dinge wie Komposition, Mittelverwendung (die also Kenntnis der Mittel eines Kunstmediums voraussetzt), Harmonie der Elemente etc. Auch, wenn überhaupt Geschmack in der Kunst eine Rolle spiele - denn Geschmack ist an sich das Kriterium des Kunsthandwerks, einer (bestenfalls) Vorstufe zur Kunst - dann sei hier sein Platz.

Stil aber ist übertragbar, Gestaltungsprinzipien sind imitierbar. Beides sind auch eingebettet in eine Zeit und in eine Kultur, haben also gewisse "überpersonale" Qualität.

Raffael: überbetonter Stil
Nicht, wie schließlich die dritte und bedeutendste Stufe: die der persönlichen Note, der persönlichen Aussage, des persönlichen, und in aller Menschheitsgeschichte unwiederholbaren Ausdrucks. Diese Stufe sei gar nicht erlernbar, diese sei auch nicht machbar. Dieser ganz persönliche Ausdruck sei einem Künstler in seine Persönlichkeit geschrieben, und deshalb [darüber wurde an dieser Stelle bereits mehrfach gehandelt] geht es, wie Goethe sagt, ohne Persönlichkeit gar nicht - auch die ist ja, bekanntlich, nicht machbar. Von hier aus erst belebe sich die Materie, mit der der Künstler (in den übrigen Stufen) umgehe.

Mit dieser Faustregel lasse sich, über Übung, ein sicheres Kunsturteil aufbauen, gewisse Sachkenntnis vorausgesetzt. Natürlich aber sei es eine Tatsache, so Niemann, daß die überwiegende Masse der Kunstwerke mehr oder weniger weit hinter dieser vollkommenen Harmonie hinterherhinke. Damit müsse man dann eben leben. Sie wiesen alle eben einen Mangel in zumindest einer der Stufen auf, sodaß andere überbetont seien. Ohne zumindest Spuren aber ALLER dieser drei Stufen könne man keinesfalls von Kunst sprechen.

Ganz sicher aber kein Kriterium aber ist, WAS in der Kunst dargestellt ist. Dieser laienhafte Irrtum ist zwar nicht auszurotten, weil er ganz andere Ebenen und Interessen bedient, aber er ist der Kunst - dem Antlitz des Wahren im Schönen - bestenfalls verderblich.

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