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Samstag, 8. Januar 2011

Vorenthaltener Lebenssinn

Daß unser Leben so in Mechanismen, in Ablauftechniken eingespannt ist, hat eine Konsequenz, die einen aufs erste erstarren läßt, denn da deutet sich ein Schlüssel für vieles an. Und Heidegger regt ihn in seiner berühmten Ansprache "Die Technik und die Kehre" an.

Denn wenn alles, was den Menschen umgibt, zu einer bloßen Abfolge von Zwangsläufigkeit wird, wenn alles, was der Mensch dazu beitragen kann, eigentlich nur die Erfüllung (Heidegger bettet diesen Vorgang ein in die wunderschöne Begrifflichkeit von "Entbergen" und "Bestelltheit zur Unverborgenheit", wobei Bestelltheit zum unausweichlichen Geschick wird) eines Schrittes, der gar nicht anders aussehen könnte, den die Logik (die ja ebenfalls eine Technik ist) regelrecht erzwingt, verliert sich jede schöpferische, und damit die eigentlich humane Dimension. Der Mensch wird zum bloßen Handlanger eines Mechanismus.

Vor allem fehlt ihm damit eines: er hört nicht mehr den Ruf, an der Welt gestalterisch tätig zu werden! Dieser Ruf, der ihn eigentlich in seiner tiefsten Tiefe, und damit am vollständigsten erreicht, und der den wahren Anruf durch die Wirklichkeit und damit Gott bedeutet, hebt ihn erst in seine wirkliche Dimension der Gebrauchtheit, die nur er erfüllen kann.

Fehlt das, wird der Aufruf an ihn zur bloßen Abfolge-Pflicht, fehlt ihm damit auch der Lebenssinn. In den Worten Heidegger's: "Hierdurch verschließt sich die andere Möglichkeit, daß der Mensch eher und mehr und anfänglicher auf das Wesen des Unverborgenen und seine Unverborgenheit sich einläßt, um die gebrauchte Zugehörigkeit zum Entbergen als sein Wesen zu erfahren."

Es fehlt ihm also am Mut, der Welt frei und mutig zu begegnen, übersetzt man dies ins eher Lebenspraktische. Es fehlt ihm der Mut, von der Welt Aussage zu sich zu erwarten, und sie damit im Staunen erfassen UND SIE SELBST SEIN LASSEN zu wollen. Die Welt selbst wird nur noch "in Hinblick auf" entborgen, der originäre, individuelle Blick des Einzelnen wird irrelevant, er formt sich, um im Leben bestehen zu können, zum bloßen Erfüllungsgehilfen um, ja wird selbst ein Gestell", eine Maschine.

Identität kann sich so gar nicht mehr ganzheitlich bilden, sieht man davon ab, daß der Welt selbst ihr Wesentliches gar nicht mehr entborgen wird! Es bleibt also die Welt immer weiter verborgen! 

Identität verkommt zur Funktion, so sehr ein ganzer Mensch eine Aufgabe hat. Der entscheidende Punkt, meint Heidegger so erhellend, (und er trifft sich damit sogar mit dem Grundanliegen von Fénelon, so fernliegend der Gedanke im Moment manchem vorkommen mag,) liegt in der Grundhaltung, in der er der Welt entgegentritt.

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"Das Geschick der Entbergung [wenn also der Mensch zur bloßen Erfüllungsfunktion wird, Anm.] ist in sich nicht irgendeine, es ist DIE Gefahr. [der menschlichen Selbstverfehlung; Anm.] Waltet jedoch das Geschick [der Begriff ist im Sinne der Verhängtheit, Unausweichlichkeit zu verstehen; Anm.] in der Weise des Ge-stells, dann ist die höchste Gefahr. [...] Sobald das Unverborgene nicht einmal mehr als Gegenstand, sondern ausschließlich als Bestand den Menschen angeht und der Mensch innerhalb des Gegenstandslosen [denn in einer solchen Welt gibt es keine Dinge, keine Gegenstände mehr, sondern nur noch Funktionen; Anm.] nur noch der Besteller des Bestandes [denn das einem Ding als Eigenschaft mögliche ist dann das von ihm erwartete, als Sinn, auf den es reduziert wird, so wie man z. B. den Fluß zum Energiespeicher hochstaut, und ihn damit auslöscht; Anm.] ist, 

geht der Mensch am äußersten Rand des Absturzes, dorthin nämlich, wo er selber nur noch als Bestand genommen werden soll. [Und wenn man sich die aktuelle Diskussion um "Bildung" - nur eines von so vielen Beispielen - ansieht, gruselt es einen noch mehr, weil dieser Befund so real und nahe ist.]"

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Aber Heidegger beschreibt damit sogar die Gefahr heutiger "Religiosität". Letztlich, meint er, sinkt - inmitten einer so verstandenen, aufgeschlossenen weil so erlebten Welt - sogar Gott zur bloßen Wirkursache, zur "causa efficiens", und alles Hohe, Erhabene, Heilige und Geheimnisvolle verliert seine wesensgemäße Ferne. Eine bloß kausale Welt, aus Ursache und Wirkung, wird zunehmend nur noch "richtig", aber sie verliert alles "Wahre", das sich entzieht.

In einer solcherartigen Welt wird (in einer völligen Verkennung des Gesamtwesens der Welt!) schließlich alles Begegnende zum vom Menschen Gemachten! [Weil der Mensch nur noch seinen ausgewählten technischen Aspekten, eben "Gestellen", und diesen als Funktionserfüller, als abrufbaren "Bestand" also, begegnet; Anm.] Wie folgerichtig ist also damit auch jede dieser Hysterien der Weltuntergangsszenarien, die von Menschen gemacht worden sein sollen, wie sie uns - am Symptomatischesten: in den Grünbewegungen! - seit Jahrzehnten begegnen. Und im "Klimawandel-Syndrom" (so möchte ich das nun bezeichnen) so verzweifelt versuchen, die ganze Welt darein einzubinden.

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