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Freitag, 20. September 2013

Das makellose Opfer

Matthias Vereno weist in seinem "Vom Mythos zum Christos" darauf hin, daß das Opfer nur in Verbindung mit der Makellosigkeit der Opfergabe gesehen werden kann. Nur dann ist es jene "Selbstbeschädigung", aus der heraus sich das Zerteilte in die Heilheit des Ursprungs zurückbindet. Das ist das Wesen des Opfers in allen Religionen und Zeiten gewesen. Sodaß der Priester, der Opfernde, der selbst Opfer ist, indem er auf den weltlichen Lebensvollzug Verzicht leistet, entsprechend makellos sein muß: bei gutem Verstand, gesund und zeugungsfähig, und moralisch unbescholten.

Womit Vereno den direkten Bezug zum Zölibat herstellt. Der nicht, wie der heutigen Schnoddrigkeit entsprechend als bloß auf die Person des Priesters bezogen gesehen werden kann, sondern eine Gesamtdimension der Kirche und des religiösen Vollzugs hat.

Aber im Opfer wird der ursprüngliche Bruch - in dem ALLE Weltreligionen gründen, auf den sich ALLE Mythen der Menschheit in ihren ersten Erzählungen als Erinnerungen und gedeutete Ahnungen beziehen - des Menschen wieder geheilt. Nur im Opfer, das erst Raum für die Anwesenheit des Göttlichen gibt, ist deshalb seine Heiligkeit herstellbar.

Im Verzicht auf die (mögliche) Geschlechtlichkeit weist sich die Spitze wie der Ursprung der Weltwerdung, die ein Zeugungsakt ist, in seiner Quellhaftigkeit für das Leben selbst aus. Auf welche Bedeutung gerade ihre Bedeutung für den Menschen hinweist - und ihre Frucht (auch) als seelische Frucht in der Person des Priesters bringt.

Was wäre von Priestern* zu erwarten, die auf diese Transzendenz, auf dieses Hereinholen des Göttlichen in Gestalt ihrer Lebensgestalt, keinen Wert mehr legen? Liturgiefunktionäre und -mechaniker? Sozialarbeiter? Was hat so ein Mensch dann noch zu geben, als rein innerweltlich-menschliche Qualitäten, wenn sich in seiner Gestalt dieses Heiligungsopfer nicht mehr vollzieht? Ein Beseitigen dieser Verzichtspflicht ist also keine Übung praktischer Klugheit, sondern der Schlüssel zur Wegnahme des Religiösen aus der Religion. Deshalb geht auch ihr Kalkül - Beseitigung des Priestermangels - nie auf. Ein Priester, der kein Ganzopfer mehr ist, hört auf, Priester zu sein.**


*In den meisten Fällen (Protestantismus, Islam) wo Ehelosigkeit nicht zur priesterlichen Sphäre an sich gehört, gibt es auch gar keine Priester, in denen das Göttliche auf besondere Weise anwesend ist (sakramental), sondern bestenfalls Prediger.

**Das betrifft den Künstler (oder auch den Philosophen) prinzipiell nicht weniger, wenn auch anders.




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