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Donnerstag, 26. September 2013

Leiden unter der Selbstentfremdung

Es tut im Herzen weh zu lesen, was anläßlich der Buchbesprechung zu "Das Mädchen Buch" von Elisabeth Rauffauf in der Presse zu lesen stand. Denn wenn da geschrieben wird, daß Mädchen zwar scheinbar die Gewinner des Bildungssystems seien - Buben die Verlierer - so relativiert Rauffauf das. Vielfach würden Buben nur lauter schreien - Mädchen aber "funktionieren besser" und leiden still unter dem hohen Erwartungsdruck, dem sie sich ausgesetzt sehen, der sie aber zermürbt.

Es tut im Herzen weh, weil es die Spaltung in sich selbst zeigt, in die man Mädchen (Frauen) heute systematisch treibt. Was von ihnen als konkrete Beruflichkeit und Lebenserfüllung verlangt wird, steht im Gegensatz zum fraulichen Wesen, das empfangender Natur ist. Das seine Individuierung zur Gestalt in der Welt von einem Bestimmenden her erwartet und empfängt, dem die Frau sich zuschreibt und an dem sie Mensch in der Welt wird. Die Emanzipation hat diese Bestimmung nur unbestimmt gemacht, die Herkunft der prägenden Worte nur verschleiert, die aber um nichts weniger prägend und wesentlich geworden sind. Weil die Natur nicht betrogen werden kann. Sie sucht sich ihre Wege.

Darin liegt auch begründet, daß Frauen oft handeln, aber mit den Folgen ihres Handelns nicht fertigwerden. Hinter Schlagworten wie "Alleinerzieherin als Armutsfalle" etwa steht genau das. Sie werden zu einem Verhalten der Selbstbestimmung gedrängt, dessen Auswirkungen sie aber nicht bewältigen. Doch die Ideologien, mit denen ihr Selbst notdürftig konstruiert ist, halten alle Fenster zur Wirklichkeitserkenntnis, zur Selbstgesundung verschlossen.

Erschütternd zu sehen, wie häufig Frauen, hinausgestoßen in die Welt zu einem faktischen Sosein, das ihnen "Selbstbestimmtheit" abverlangt, ausgestattet mit Autorisierungen wie etwa akademische Titelanhänge, und stille Erfüllungsgehilfen, stille Vollzieher jener Männlichkeit sind, ohne davon zu wissen. Damit sind sie erst recht aus dem Spiel genommen, weil ihre spezifische Art in der Welt zu wirken ins Indirekte abgeleitet wird. Damit werden sie wirklich Opfer - von Verhaltensregeln, denen sie nicht entfliehen können. Unter der irrigen Prämisse, daß das Wesen der Welt und des Selbstvollzugs in der Welt im Vollzug rationaler "Richtigkeit" läge.

Und gar nicht selten, ja längst zumeist ermuntert von Männern, die gerne auf den Zug aufspringen, und sich ihrer Verantwortung allzu gerne entziehen, in der sie die Last des Hauses" zu tragen hätten. Die man ihnen abnimmt. Die mit Wonne jene Schlagworte eines angeblich angesagten "neuen Mannseins" perpetuieren, das Netz des Drucks auf Frauen verdichten, die ihnen selbst die Lebensmühe des Mannseins ersparen.

Es sind die Männer, an denen es läge, die zum Handeln aufgerufen wären, auch wenn sie sich erst durch viel Schutt zu graben, viel Gegenwind durchzustehen, viel zu bluten hätten. Aber die Frauen warten darauf. Weil es ihr Wesen ist.*

Das Wesen der Welt, das Wesen der Geschichtlichkeit, das Maß des Lebens in der je aktuellen und aktuell als menschlicher Wirklichkeit zu gebärenden Gegenwart ist aber ihre ständige Neugeburt aus der Selbsttranszendierung, aus dem Opfer. In der jeweiligen geschlechtlichen Eigenart, im Gebären und liebenden Nähren hier, wie dort in der Gewalt des schöpferischen Wortes. In der Weise des Seins.



*Wenn Otto Weininger in "Geschlecht und Charakter" davon spricht, daß jede Frau zuallererst auf Verheiratung abzielt, so spricht sich darin genau das aus: Sie braucht die Identitätsbestimmtheit. Der Feminismus hat nicht diese Bestimmtheit beseitigt - er hat (über die institutionelle Schwächung der Stellung des Mannes, des Vaters) nur die Gattenwahl in die Hand genommen.




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