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Samstag, 28. September 2013

Anfänge des Reichs

Man wird, schreibt Rosenstock-Huessy in seiner Untersuchung "Königshaus und Stämme", den Begriff des "Reichs" nicht verstehen, wenn man es sich in seinem Anfang als ein Gebilde vorstellt, in das man sich den König hineindenkt. Es war im Anfang nicht territorial zu verstehen, sondern nur personal, und insofern war das "Reich" ursprünglich der Gewaltbereich des Hausherrn, der despotische Macht darüber hatte. 

Das alte Stammesrecht der deutschen Völker war rein personenbezogen, und wo die Personen waren, da war das Reich, da war ihr Haus. Prinzipiell unabhängig von Ort und Boden. Ein Herr war ein Herr über Personen, nicht über Land.

Erst allmählich hat sich dieses "Haus" mehr und mehr verdinglicht, verselbständigt, ist im Bewußtsein von der Person auf das (durchaus dingliche) Haus und später Land gewandert. Und allmählich haben sich die Mitglieder dieses Hauses - im Reich in seinen vier Grundfunktionen, dem Seneschalk, dem Truchseß, dem Kämmerer, dem Mundschenk - ein abstraktes Recht erbildet.

Aber die Loslösung von König und Haus war von Anfang an angelegt, denn er König WAR das Haus, und gleichermaßen war bald das Haus der König, bis der Haus selbst König war, unabhängig von der Person des Königs. Solcherart verdinglicht, hat es die Person nicht nur überlegt, es war im Bestand unabhängig von ihm.

Im selben Zug hat sich das Lehnswesen daraus entfaltet. Aus einer rein hausinternen Dienstbarkeit und Unterstellung unter einen despotische Hausherren, der keinem externen Maßstab unterworfen war, der jede Willkür ausüben konnte, hat sich allmählich ein Lehnsrecht entwickelt. Und in all dieser Rechtsentwicklung hat sich ein abstrakter Begriff des "Reichs" herausgebildet, als Rechtskörper außerhalb aller persönlichen Bezüge und Willkür. Aus Huld wird Recht.

(./) Der Begriff des Landes wird gesteigert zum Gebiet, erfüllt sich mit solcher rechtlichen Kraft, daß die Stammlande eingehen können in die größere Verfassung des Reichs. Die "Länder" ersetzen den fehlenden Staats- und Organbegriff; die Zeit ringt sich au der Gefahr der Tyrannei, die wahrlich dringend genug damals war, ein für allemal durch das einzige Mittel los, das dem anschaulichen Begreifen der Altvorderen zu Gebote stand. Neben der Macht des Herrn gibt es nun ein Recht seines Hauses, das auch gegen ihn selbst wirkt. Soweit man dem "Hause", dem "Reiche" Rechte gab, soweit nahm man sie dem "Despoten".

In dem Augenblicke, in dem das Lehnwesen sich mit den Trägern der Volksrechte, den Stämmen, abgefunden hat, d. h. mit der Bildung des Reichsfürstenstandes unter Barbarossa, ist sofort das Vordringen des Lehnwesens aus seiner einheitlichen Wurzel, dem Königshaus, beendet, und nur Ableger des Reichslehnrechtes, nicht dieses selbst, sind es, die nun im kleineren Kreise noch einmal die Entwicklung wiederholen.

Nun ist der "Feudalismus" kein Machtmittel mehr in der Hand des Herrn; dieser befindet sich auch hier in der Welt des Rechts, statt in der seiner Gnade und Beliebung. (/cit.)

Und damit holt das später "Privatrecht" genannte Recht im 12./13. Jahrhundert lediglich einen Rückstand auf, denn ein öffentliches Recht als Volksrecht der Gemeinde der freien Männer in Dorf, Gau und Land, gab es seit je ungebrochen. Aus der rein von Sittlichkeit getragenen Hausordnung wird gleichfalls eine Rechtsordnung. Und das fast zwangsläufig, weil der Bruch nicht, wie oft angenommen, zwischen Freien und Unfreien ging! Jeder Knecht, jedes Hausmitglied war AUCH Teil des Volksrechts.


*280913*