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Sonntag, 8. September 2013

Eine Geschichte

Das ist  mal eine schönere Geschichte aus Unterfranken: Da verliert eine Frau ihren Ring. Sie dreht das ganze Haus um - nichts, der Ring ist verschwunden.

Drei Jahre später gräbt der Mann den Garten um, den er immer mit dem Kompost gedüngt hat, den er aus Küchenabfällen herstellte. Und findet unter Kartoffelpflanzen das ...




Baue der geneigte Leser das zu einer Geschichte aus, nach Belieben: Er verdächtigt sie, daß sie ihn hintergehe, der Ring war wertvoll, und reich war er nicht gerade. Noch dazu hat ihn seine Frau geheiratet, obwohl wesentlich Vermögendere gleichfalls um sie gebuhlt hatten. Mit dem Ring hat er das ein wenig ausgleichen wollen. Mit dem Geld aus dem Ringverkauf, so sein Verdacht, unterstützt sie den mißratenen Sohn, der ihm nur Schande bereitet. Gerade mit jenem Ring, der seine Schuldgefühle, weil er sich am bescheidenen Leben seiner Frau schuldig fühlt, etwas befrieden wollte. Immer mehr Anzeichen sieht er aber, daß sie ihn betrügt, ihn nur noch belügt. All das Mißtrauen, all die Verdächtigungen spitzen sich zu, bis er nach den immer häufigeren Streits beschließt, sie zu töten. Er heckt einen genauen Plan aus, und gräbt bereits im Garten das Loch, in dem er sie verscharren will. Er setzt den Spaten an, beginnt zu graben, da fallen ihm vergessene, wilde Kartoffeln von der Schaufel. Er liest sie aus ...

Verschärfen wir die Geschichte: Er HAT sie bereits getötet, findet dann die Kartoffel.

Und würzen wir sie: Er wurde arbeitslos. Der Garten sollte das Haushaltsbudget etwas entlasten, so seine Absicht, darum hat er ihn vor drei Jahren angelegt. Mit der Abfertigung kaufte er seiner Frau diesen Ring. Und auf wundersame Weise geht es sich immer aus. Es fehlt ihnen weiter an nichts, so bescheiden ihr Leben auch verläuft.

Sein Mißtrauen gegen sie, befeuert von Schuldgefühlen über seine fehlende Nützlichkeit, aus der heraus er sich immer mehr zurückzog, wurde freilich maßgeblich dadurch genährt, daß sie nun für Stunden immer wieder verschwand. Er verfolgte sie, und sah, daß sie jedesmal in einem Haus in einer nobleren Wohngegend verschwand. Nach einigen Stunden verließ sie es immer wieder, mit aufgelöster Frisur, die sie auf der Straße notdürftig zurechtlegte. Als er das Türschild liest, entdeckt er, daß es den Namen eines der damaligen Konkurrenten trägt, der es zum angesehenen Rechtsanwalt gebracht hat.

Als er, später, erschüttert über den Ringfund, ins Haus geht, und sich weinend am Küchentisch aufstützt, greift er in die Lade, in der sie immer die Taschentücher aufbewahrt hat (und wie heikel war sie, wenn er in ihre Küche eingriff, weshalb er sich ganz aus allem dort zurückgezogen hatte, nichts anrührte, weil es ihr Reich war), er will sich die Nase putzen. Da greift er in ein Bündel Papierscheine, etwas Teld, aber vor allem Abrechnungen, und nun sieht er: Sie hat sich heimlich als Putzfrau verdingt, und damit vermutlich das Haushaltsbudget gestützt, das nur mit seinem Hatz IV-Geld nie gereicht hatte.

Ach ja, wir haben vergessen: das sind bloß alte Topoi, wie sie bestenfalls in unzeitgemäßen Märchen vorkommen. Heutige Geschichten müssen ganz anders lauten.




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