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Montag, 30. September 2013

Unbestimmbarkeit des Wesens

Wir können das Wesen Gottes jenseits des Seins nicht bestimmen, so wenig, wie wir das Wesen des Vaters der Lüge bestimmen können.

Wie sich Gott, Sein Wesen als absolute Fülle seiner selbst bewußten Seins objektiviert, so objektiviert sich das Unwesen des Vaters der Lüge als absolute Nicht-existenz in absoluter Unbewußtheit. Doch stehen sich beide nicht als polare Entsprechungen gegenüber, sonst würden wir wieder im dualistischen Manichäismus landen. 

Gottes Wesen objektiviert sich als bewußtes Sein. Aber der Vater der Lüge ist niemand, der sich objektivieren könnte. Nur er, Gott, objektiviert auch ihn. Und er objektiviert den scheinbaren Gegenspieler eben nicht als Sein und Bewußtsein, sondern als Seinslosigkeit und Unbewußtheit. Wir können exakt nicht einmal sagen, das Nicht-seiende sei "zugelassen" als die Grenze des Seins. Denn diese Grenze hätte doch immerhin, wenn auch nur als die ausdehnungslose, in sich selber substanzlose Grenze, an der Wirklichkeit des Seins teil. 

Diese substanzlose Grenze ist die Außenansicht der empirischen Wirklichkeit, die Ebene der reinen Quantität, des Grenzaspektes der all-einen Wirklichkeit als reines Teilsein. Und hier ist das Negative nur wirklich als Verneinung der Verneinung. Es ist nicht wirklich als gegenwärtiges "seiendes" Nicht-sein, sondern immer nur als gewesenes. Gott objektiviert den Vater der Lüge also nicht als den, der nicht-seiend ist - als die Grenze der Wirklichkeit - , sondern als den, der nicht-seiend war; also als den, über den die absolute Unendlichkeit des Wirklichseins immer schon hinausgegangen ist. So bleibt der also Gebannte in die extremste uns nur denk- und vorstellbare Wesenlosigkeit gebannt.

Die Wirklichkeit der Weltvernichtung ist nicht in einem irgendwie "moralisch Bösen" begründet, dem ein Sein zukäme, in quasi über den Dingen schwebenden moralischen Qualitäten, sondern in einem Aufheben des Wesens, der Distinktheit der Dinge selbst - in ihrer Entstaltung und Entwesentlichung. Mit dem direkten Verweis auf die Häßlichkeit und Funktionalisierung als Äußerung der Weltvernichtung. Der Kern der Welt, ihr Sein, ist Gestalt. Gestalt, die sich aus jener "energeia" Gottes heraus erfüllt, deren Eintrittstor das Mysterium des Opfers als Höhepunkt und Erfüllung der Freiheit und Selbstmächtigkeit des Geschöpflichen selbst ist. Während ihre Vernichtung als Rückzug der wahren Wirklichkeit - in sich unbestimmbar, nur am Objekt bestimmbar - erkennbar wird.*



Matthias Vereno, in "Vom Mythos zum Christos"



*Wir erkennen nicht "das Böse", sondern wir erkennen sein Wirken im drohenden Seinsverlust eines Dings der Erkenntnis. Wir erkennen die böse Tat durch die Zerstörung (Entstaltung) eines Dings, an der aber sogar Wirkliches, Sein beteiligt sein muß, weil nur Wirkliches zu wirken vermag. Die Lüge lügt nicht durch Nichts, sondern durch (ungeordnete, etwa dimensionsverschobene) Wahrheiten.

Das zeigt sich prinzipiell im Alltäglichsten des Erlebens. Etwa in einem Gespräch, das der Verfasser dieser Zeilen jüngst führte. Da meinte sein Gesprächspartner, daß das Rauchverbot in jeder Öffentlichkeit doch nur gut sei, WEIL DAS RAUCH SCHLECHT SEI. Woraufhin der Verfasser dieser Zeilen ihm auseinandersetzte, daß es zwei verschiedene Dinge, und zwei verschiedene ethische Bereiche und Dimensionen betrifft, das Schlechtsein des Rauchens (etwa bei quantitativer Übertreibung) zu bestimmen, und die Art, damit umzugehen. Ein öffentliches Verbot des Rauchens nimmt hingegen dem Nichtrauchen sogar seine ethische Qualität bzw. verändert sie. Sodaß ein generelles Rauchverbot ethisch SCHLECHT werden kann. Und tatsächlich auch vielfach und beobachtbar ganz anders motiviert ist als in der Liebe zum Guten.




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