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Montag, 23. September 2013

Ohne Schuld kein Opfer

Weil das Opfer wesensmäßig eine Teilhaftes, Zerstörtes, von der Heilheit Getrenntes voraussetzt, schreibt Matthias Vereno, ist es weniger auf die Schöpfung selbst ausgerichtet, sondern auf deren Wiederherstellung, auf die Heilheit, durch ihre Reintegration in den ursprünglichen Sinnzusammenhang.

Es ist also naheliegend, daß eine Zeit, die sich selbst als vollkommen sieht, die sich in ihrer Desintegration bestenfalls als unschuldiges Opfer fremden Einwirkens versteht, für das sie keine Verantwortung (und damit keine Schuld) trägt, auch keinen Sinn mehr im Opfer sehen kann. Wenn der Mensch sich selbst Maßstab für das Vollkommene ist, fehlt ihm NIE etwas zur dieser Vollkommenheit - ist seine Desintegration bestenfalls Zugefügtheit, die gar nicht zu ihm gehört, die durch innerweltliche Maßnahmen behebbar ist. Weltverbesserung wird damit zum religiösen Programm.

Schuld haben heute immer die anderen, und dazu gehören auch die Vorfahren, die Eltern, die Umgebung. Sich von ihnen zu trennen, die Verhängungen mit ihnen zu lösen, bringt also jene Erlösung zur Heilheit, nach der wir uns ja nach wie vor sehnen.

Der Verlust des Opfers aber, und zwar im speziellen des Läuterungsopfers, das die Potenz zur Entzweiung in sich selbst begreift, bringt zwangsläufig den Verlust des Menschlichen mit sich, gerade weil die Heilheit nicht vom Über-Menschlichen erwartet wird. Erst in dieser Selbsttranszendierung aber wird Raum für Geist, und damit für das Menschsein. Das sich erst wirklicht, irdisch wirklicht, wenn es auf den Sinnzusammenhang im Ganzen ausgerichtet ist, dem zuzugehören es nur erfahren, feststellen, aufgreifen, nicht machen kann.

Und hier wirken sich die geläufigen Evolutionstheorien am Schrecklichsten aus. Denn sie vermitteln dem Menschen eine Weltimmanenz seines Sinnzusammenhangs. Welt aus sich heraus aber ist sinn- und richtungslos. Sie verliert ihren Wert als Symbol des Transzendenten, als Sinnbotschaft weil Aufforderung. In eine solche Welt implantierte "Religiosität" wird damit leer und manichäisch: In einer entwirklichten Welt.




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