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Sonntag, 29. September 2013

Ehe als Erleichterung

Es ist an der Zeit, die Sache von einer ganz anderen Seite zu beleuchten. Denn was die Kirche seit langem betreibt, die Ehe auf eine Ebene persönlicher, sittlich-moralischer Leistung des Einzelnen zu drücken, passiert im Gleichklang mit gesellschaftlich-staatlichen Entwicklungen.

Aber die persönliche Seite ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere, die der Öffentlichkeit, die der Rolle, die gesellschaftliche Institutionalisierung im persönlichen Leben des Einzelnen spielt, ist untrennbar davon.

Ehe ist nicht einfach eine Übereinkunft von zwei Menschen. Und als solche quasi schützenswert, oder eben nicht, denn die Einebnung, die passiert, wenn alles zur Ehe reklamiert wird, bedeutet die Auslöschung dieses "Dings". Weil ein Ding nur ein Ding ist, wenn es sich unterscheidet, um es zu vereinfachen. Die Seite der Ehe, die es längst wieder zu betonen gilt, und die die Orthodoxe Kirche* seit je sogar in den Vordergrund schob, die der Stiftung der Ehe DURCH die Gesellschaft, durch die Gemeinschaft in die sie eingebettet ist, ist hierzulande nahezu vergessen.

Aber unter diesem Blickwinkel wird etwas anderes klar: Daß nämlich kulturelle Institutionen das Leben, das sie steigern, auch genau darin ERLEICHTERN. Nur auf persönliche Übereinkunft gründend, wird das Zusammenleben zweier Menschen zur täglich neu zu erfindenden Welt der Zweisamkeit.

Kultur bedeutet die Institutionalisierung der Lebenssteigerung, in deren Rahmen jeder noch besser zur Entfaltung kommt. Die Institution der Ehe ist somit eine ERLEICHTERUNG des täglichen Lebens in der Geschlechtsgenossenschaft und -ergänzung. Sie ist keine Last, als die sie häufig verleumdet wird, sondern sie ist eine Hilfe zur besseren Lebenserfüllung, gerade in der Zweisamkeit, die an sich keine leichte Aufgabe bedeutet. Weil sie ein tägliches Hineinsterben in den anderen ist, aus dem die Versuchung zu fliehen wohl täglich fünfzigmal auftaucht.

Im Konzept der ehelichen Gemeinschaft, in all ihren Rechten und Pflichten, steckt alles, wirklich alles, was dem Einzelnen zu seiner Lebenserfüllung nötig ist, und seiner Selbstverwirklichung dient. Ihre Institutionalisierung, die Selbstverständlichkeit, in der sie in allen Völkern besteht (bzw. bestand) weist genau darauf hin. In der dieses Grundverhältnis (!) des Weltseins überhaupt - Ehe ist das Analogon zum Verhältnis Gottes zur Schöpfung, sie ist damit auch das Analogon der Kirche als versammelte Schöpfung** - zur konkreten Form gebracht und gehoben wird. Darin gründet der Satz, daß die Ehe (mit der ihr beigehörigen Familie) die "Keimzelle des Staates" ist.

Wenn es also etwas von der Kirche zu fordern gilt, dann das, daß sie aufhört, sich feige und einseitig an die Stelle zu wenden, bei der sie es leicht hat - den Einzelnen, von denen sie Ehemoral fordert, als wäre das eine Super-Leistung in dieser Zeit. Wenn es etwas zu fordern gilt von der societas perfecta, der wahren Gesellschaft, ohne die die Welt ins Nichts fiele, dann daß sie sich mit der Politik anlegt, die diesen kulturellen Rahmen auflöst - und niemanden stört es.

Damit den vor allem jungen Menschen diese Hilfe, die sie ihnen entgegenstreckt, wieder deutlicher aufleuchtet, und zur Verfügung steht.




*Ìn der Orthodoxen Kirche wird die Ehe von der Kirche - als Ecclesia, als Gemeinschaft, als societas perfecta, als eigentliche Gesellschaft - (mit sakramentalem Charakter) gespendet, von den Einzelnen entgegengenommen, die in diesen Stand, in diese Institution gehoben werden. Diesen Aspekt wieder herauszuarbeiten wäre eine lohnende Aufgabe der katholischen Kirche, die ihn nahezu vergessen hat. Obwohl sie ihn ja gleichfalls anerkennt, etwa durch den Grundsatz, daß eine Ehe NUR vor der Kirche bzw. beteiligter Öffentlichkeit gültig geschlossen werden kann. Das ist kein Gelüste nach Machterhalt, sondern bezieht sich auf diese Doppelseitigkeit der Ehe.

**Auch dort, wo sie nicht als Geschlechtsverhältnis von Mann und Frau gelebt wird - im Zölibat, in bestimmten schöpferischen Dispositionen, im Ordensberuf, in der freigewählten Ehelosigkeit etc. - ist sie diese Analogie, ja: in JEDEM Werk, das der Mensch vollbringt.




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