***
Finis amoris. - Unsere Liebe hienieden muß enden gleich den Flüssen. Es fragt sich nur, wer sie verschlingt. Die Wüste oder das Meer? Der träge Sand der Mittelmäßigkeit, der alles austrocknet oder die Abgründe der göttlichen Liebe,die alles krönen? Der Tod oder die Verklärung, das Nichts oder die Ewigkeit, die sie erwartet?
***
Definition der Promiskuität: Intimität ohne Liebe.
***
Für die liebende Frau stellt der Mann einen Zweck dar. Auch für den innigst liebenden Mann dagegen bleibt die Frau immer noch ein Mittel - zweifellos das höchste Mittel - eine Mischung von Mittel und Zweck, aber nie reiner Zweck.
"Das Haupt für einen jeden Mann ist Christus, das Haupt für die Frau ist der Mann."
Eine letzte Frage, die nur gestreift werden soll. Ist denn der Aufstieg der Liebe, wie ich ihn {,,,] geschildert habe, in der rein natürlichen Ordnung, auf der Ebene der bloßen Zuneigung zwischen Geschöpfen, möglich? Ich glaube nicht. Um ein endliches Wesen trotz seines Nichts, wegen seines Nichts, über seine Grenzen hinaus zu lieben, muß man es als Boten einer Wirklichkeit lieben, die es übersteigt. Wir können das Relative als solches nicht absolut lieben.
Übrigens trinkt der Mensch in jeder großen Liebe, auch wenn sie nicht geläutert ist, aus dem Geschöpf wie aus einem Kanal, nicht wie aus einem Gefäß. Die erwählte Seele ist im Morgenrot der Liebe Botin der kosmischen Fülle; in der geläuterten Liebe ist sie die Botin der göttlichen Fülle. Sie verbindet den Menschen zuerst innig mit der sinnlich wahrnehmbaren Welt, um ihm sodann durch das Kreuz die geistige Seele zu offenbaren, die die Welt erschafft und trägt. Dabei wird selbst ihre Leere gleich einem offenen Tor zum Sein geliebt.
Der Mensch gelangt nicht sehr weit in der Verklärung einer menschlichen Liebe, falls er durch sie, wenn auch in noch so mittelbarer und verhüllter Weise, nicht schon Gott liebt. Dieser heldenhafte Aufstieg der menschlichen Liebe gelingt nur tief religiösen Seelen; sie setzt wenigstens eine undeutliche Vorahnung des Übernatürlichen, eine dunkle Erwartung des Abgrunds der göttlichen Liebe voraus, dessen unendlichen Ruf die Liebenden vom höchsten Vorgebirge der geschaffenen Liebe aus vernehmen.
Die letzte Wesenheit der großen Liebe zwischen Mann und Frau besteht in einer Folge göttlicher Eingebungen und Gnaden, die einer Seele durch den auserwählten Kanal einer anderen Seele (dieses Zurücktreten Gottes zugunsten der sekundären Ursache ist das Zeichen des unfaßbar tiefen Zartgefühls Gottes) übermittelt werden. Das Geschöpf schenkt hier mehr als sich selbst (deine Hände sind reicher als deine Seele, sagt der Dichter zu seiner Geliebten ...): es offenbart einem andern, unter allen erwählten Geschöpfe das göttliche Geheimnis der Welt und das menschliche Geheimnis Gottes.
Zitate aus Gustave Thibon, "Das Leben zu zweit"
***
Der Protestantismus hat noch eine andere Entwicklung ausgelöst. Er hat die Utopie umgesetzt, daß jedem alles offen stehe, daß es keine ontologische Beschränkung desen gibt, was einen Menschen zur Glückseligkeit führen kann. Denn alles lag fortan nur noch in Fähigkeiten, nicht mehr im Stand.
Damit hat er die Grundlage dafür gelegt, daß generell die Unterschiedlichkeit der Menschen geleugnet wird. Bis zu dem Punkt, daß die Frauen - eine der Benachteiligten, an die sich der Protestantismus wendet - völlig aus dem Blick verloren haben, daß Mann und Frau JE ANDERS sind, und sich sogar wesenhaft unterscheiden. Stattdessen haben wir es mit dem Umstand zu tun, daß der Mann dafür verachtet wird, weil er nicht dem eigenen Geschlecht gleich ist - er hat aufgehört, ein "anderer" zu sein. Er hat nicht jene Eigenschaften, die hinkünftig erwünscht weil menschlich und damit normal sind. Ein Anderssein ist untersagt.