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Freitag, 9. Juli 2021

Zu uns nur durchs Allgemeine (1)

Kultur ist im Wesentlichen die Institutionalisierung der Natur des Menschen (und natürlich im weiteren Sinn alles dessen, was ihm zu-, bei- und untergeordnet ist, als Eingliederung in seine Welt). Damit werden mit dem Wachstum einer Kultur die Menschen, die ihr zugehören, immer einfacher zu ihrer eigenen Natur geführt. Einfach, indem sie diese Institutionalisierungen annehmen und deren Prägekraft durchlaufen, werden sie (auf andere Weise betrachtet) früher reif. Denn der Einzelne, gezwungen sich "alles selbst" zu erforschen, wird damit (das kann man gleich sagen, die Geschichte lehrt es) "nicht fertig." Denn das Leben hat seine Phasen, und das Aufrichten gehört deren kürzerer zu, dem Juvenilen, der Jugend (bis 30 Jahre.) Ab da wird ausgebaut, geschmückt, weitergebaut. Aber die Grundweichen stehen. Und dann ist Schluß mit dem Aufrichten von Institutionen. 

Fehlen diese Institutionen, so wird also der Mensch gezwungen, um seiner eigenen Entfaltung willen Institutionen zu schaffen, die zuerst privatim sind, nur für ihn und sein engstes Umfeld gelten (allerhöchstens; denn auch dieses begegnet ihm mit demselben Anspruch, gehört und beachtet zu werden, was enorme Reibungsverluste mit sich bringt), damit er schließlich seine eigentliche Lebensaufgabe, die inhaltlicher, nicht struktureller Natur ist, vollziehe. Also etwas im Vollsinn "isset", "ist", und "als" dieser oder jener die Welt um ihn gestaltet. Wozu natürlich auch gehört, die angemessenen Wirkkreise und Reichweiten zu finden. 

Denn es ist nicht gerade kraftschonend, wenn ein Dummer und ein Gescheiter (wir machen es einfach, um es zu illustrieren) gleichermaßen darum ringen, wer denn nun im Kreise der Gemeinde gehört wird. Wo doch der gehört werden sollte, der "weder dumm noch gescheit" ist, sondern der, der "an diesen Platz gehört". Ohne daß aber eine Institutionalisierung bestimmt, wer das sei, bleibt nur ein Kampf um leere Tüten, sozusagen.

Ach, wir verlieren uns ... zurück. Wir wollten etwas Bestimmtes sagen. Sagen, daß gerade heute die Individualisierung (mit der Begleitfrage nach der Identität) eine so überwältigende Rolle spielt. Daß dies der Grundbehauptung, daß es in einer Kultur (mißt man deren Höhe und Stand) auf die Institutionalisierung ankäme, um den Einzelnen zu formen (der dann das je eigene Gesicht des je größeren Allgemeinen ist). Der Widerspruch ist nur deshalb scheinhaft, weil das Allgemeinere (also die Institutionalisierung als Ziel, auf das hin zu überschreiten ist, sodaß also nicht momentane Befindlichkeiten etc. bestimmen, sondern das Alltagsleben im großen Ganzen durch ein festes Gerüst geregelt ist. Das allen ihre Wege vorgibt, die sie zu gehen haben, egal wie sie sich fühlen, und weitgehend auch egal, wie "fähig" sie sind (der Leser weiß mittlerweile, wie das gemeint ist).

Aber genau darin hat der Einzelne seine Individualisierung. (Der Einzelne, der natürlich immer ein Individuum ist, also einzigartig und unwiederholbar durch den Ort, in den hinein er geboren wird; und zwei Dinge können nie am selben Ort sein, und zwar durch die Ursache, die für ihr Dasein verantwortlich ist.) Gerade indem er sich nach einer außer ihm liegenden Aufgabe ausstreckt, die er zu erfüllen hat, geschieht das Individuelle wie beiläufig, wie zufällig, und IST dann tatsächlich. 

Das heißt, daß das Fehlen des Allgemeinen (dessen Beseitigung zum Behufe ausgerufen ward, den Einzelnen besser zu individualisieren) zwangsläufig nach sich zieht, daß der Einzelne seine Individualisierung verliert. Er bleibt ein Bündel ungeordneter Eigenschaften, die dann heute sogar noch als Ausweis des Individuellen gewertet werden. Das aber nie zu einer Form kommt. 

Somit ist eine Zeit, in der die Individualisierung durch die Diffusion des Allgemeinen fehlt, auch eine Zeit immer größer werdender Unzufriedenheit. Und zwar einer Unzufriedenheit, die keiner so wirklich zuordnen kann. Auch wenn sie natürlich ständig alle möglichen Namen und Bestimmungen als angebliche "Ursache" der Unzufriedenheit trägt. 

Somit FOLGT die Revolution aus dem Umsturz der Ordnung. Sie ist nicht die FOLGE der Revolution selbst, die auf einen immer größer werdenden Allgemeinzustand von Unzufriedenheit folgt. Soll heißen: Der Umsturz der Ordnung ist bereits geschehen, wenn es zur (somit: angeblichen) Revolution kommt. In welchem Zustand wir uns ja derzeit befinden. Was sich schon dadurch anzeigt, daß den "Great Reset" alle, wirklich alle herbeisehnen, egal welcher Seite man sie zurechnen wollte, und gleichgültig, welche Vorstellungen sie haben, was denn das Bessere sei, das es anzustreben gelte. Und wozu sich die Stunde in so riesen Schritten durch den "Zufall Corona" geneigt hätte.

An noch einem Widerspruch läßt sich das Gesagte belegen. In dem wir behaupten, daß wir Heutigen nicht das Individuelle suchen, das ist nur eine indirekte Folge der Abwesenheit gerade dessen. Sondern, daß wir das Allgemeine suchen, weil nur darin das Individuelle liegen kann. Wir sehen es daran, daß wir eine ganze Palette von Techniken haben, dem Einzelnen seine Individualität (weil Freiheit) abzusprechen, und ihn in ein Allgemeines aufzulösen. Nehmen wir alleine die Freud'sche Psychologie und Psychoanalyse her. Die einzig daraus besteht, dem Einzelnen die hohe eigene, also frei aufgestellte Motivation zu einem Handeln abzusprechen, und sein Handeln allgemeinen Vorgängen zu übergeben. 

Dann hat der Vater nicht gehandelt, weil er es so wollte, sondern weil er damit etwas kompensieren wollte. Dann hat die Mutter nicht so geredet, weil sie so reden wollte, sondern weil sie etwas verbergen wollte. Dann haben die Kinder nicht gehandelt, weil sie so handeln sollten, sondern weil sie damit etwas Drittes bewirken wollten, ohne darum aber zu wissen. Ja, das gilt fast generell: Ohne davon zu wissen handeln die Menschen. Sie entscheiden und urteilen, ohne zu wissen, was sie in Wirklichkeit entscheiden wollen.

Morgen Teil 2) In dem Wunsche, dazuzugehören, der wenn er ungesättigt oder verwirrt bleibt (wie bei einer Frau, die viele Männer hatte, die somit den einen nicht mehr erinnert, dessen Spuren sich verwischt haben weil von anderen, jeweils aktuell intensiver als in der Erinnerung präsent erfahrenen, überlagert wurden) dies aus Mangel an der Identifikationsfigur tut - drückt sich der Wunsch nach der Einheit des Menschengeschlechts überhaupt aus. Das somit als die richtige Ordnung erkennbar werden kann ...