Aber ein falsches Wort, und er entschwindet wieder, vertrieben von der Häßlichkeit, und zeigte sie sich in kleinstem Körnchen von Staub und Moder. Ein törichtes, eitles Wort genügt. Darum soll der Mund sich nur öffnen, um dem Rufe des ewigen Wortes zu begegnen, so Ambrosius.
Nur mit Christus rede, vergiß alle anderen, schreibt er weiter. Wenn einst niedergeschrieben wurde, daß die Frauen in der Kirche schweigen sollten, um wie viel weniger ziemt es dann Jungfrauen und Witwen, bei jeder Gelegenheit ihren Mund zu öffnen? Wie leicht ist da gegen die Tugend verstoßen, wie leicht!
Hätte, führt Ambrosius aus, hätte Eva damals geschwiegen, die Vorschrift der Schweigsamkeit beachtet, so wäre Adam nicht verführt worden.
Und wir, die wir ein paar Bücher am Kindle rasch weiterschlagen konnten, wir wissen, daß es apokryphe Bücher der Genesis gibt, in denen Adam eine vierzigtägige Buße vorschlägt, der Eva zustimmt. Denn beide sind zerknirscht und verzweifelt ob der Sünde, die ihnen nun vor Augen steht. Eine Sühne, die darin besteht, daß beide (Eva im Tigris, Adam, der außerdem fastet, im Jordan) vierzig Tage "bis zum Hals" im Wasser stehen.*
Aber wieder, wieder kommt der Teufel, diesmal in der Gestalt eines weinenden Engels, und verführt die Frau, die Buße abzubrechen. Indem er ihr sagt, daß sie allen Engeln so dauere ob ihrer Leiden, und daß sie deshalb schon nach diesen wenigen Tagen aufhören könne, es sei genug gesühnt. Wieder hört sie, wieder spricht sie vor allem, denn wieder ist sie es, die selbst und aus sich selbst entscheidet ... und damit das Bußwerk nichtet.
Das vielleicht verhindert hätte, daß Gott die Menschen aus dem Paradiese verstieß. Denn vielleicht hat er, der sich - so die apokryphe Schrift (also nicht als Wort Gottes anerkannte, wenn auch wie viele Apokryphen als Sinnschriften wenigstens in Teilen oft durchaus geschätzt und gar nicht ohne guten Einfluß auf den Volksglauben) - erst einmal nicht mehr sehen ließ, und das schon neun Tage lang, hat vielleicht nachgedacht? Wer weiß. Und vielleicht ist aber darauf die doch etwas mildere Strafe für Adam zurückzuführen? Wer weiß.
Hätte sie aber schon beim ersten Male auf die listige Frage der Schlange nicht geantwortet. Doch Eva schaute hin auf die Frucht. Es interessierte sie doch - wie beim Handy! - zu sehen, was denn da am Display war. Vielleicht kommt doch noch rasch etwas Besseres? Eine katastrophale, Wirklichkeit und damit Leben entziehende Dauerhaltung!
Und so trat der Tod durch die Augen ein in ihre Seele, als sie der Schlange antwortete. Nicht anders ergeht es dir, wenn du Törichtes, Sündhaftes oder Vermessenes, ja wenn du auch dann nur redest, wo du es nicht solltest. Geschlossen sollen deine Lippen bleiben, bis die Stimme des Herrn zum Reden dich auffordert.
Halte vom Keuschen alles fern, was verderbt ist. Und mit keusch ist nicht einfach nur die sexuelle Enthaltsamkeit gemeint, die vielleicht dem Leibe abgezwungen wird. Es ist die Haltung der Seele, die am Morgen auf den Bräutigam wartet. Die abends die Gärten verschließt, um nur an ihn zu denken, der sich nähert, sobald die Sonne durch der Vögel Gesang sich ankündigt. Willst du einen Bräutigam, so wisse deshalb und vergiß es nicht, daß der Wert der Begehrlichkeit für jeden steigt, weiß er um die Zuwendung, die dann nur ihm alleine gilt, senkt sich sein Mund auf den der Braut. Das sollten vor allem, schreibt Ambrosius an anderer Stelle, vor allem die Väter wissen, und nicht vergessen, die umso mehr ihre Töchter bewahren und schützen müssen, als hüteten sie einen goldenen Paradiesapfel, der doch so zerbrechlich ist, daß er vor jeder rohen Hand beschützt, diese von ihm ferngehalten werden muß.
Es sind Parabeln, es sind Sinngedichte, als die man lesen kann, was Ambrosius da schreibt, die um nichts weniger wahr, um nichts weniger wörtlich (im Sinnspruch wird das Konkrete nur auf andere und weiter gefaßte Ebene transponiert), um nichts weniger ernst sind, das wissen wir freilich. Über den Geist und die Kirche, über die paradiesischen Gärten und den Wandel der Braut im Hauche des Windes, der mit ihrem Haar spielt. Und den Duft, der von solchem Leibe aufsteigt, überallhin verbreitet. Sodaß er bis zum Altare dringt, und mit dem Räucherwerk die Grenzen dieser Erde durchstößt und bis zum Throne des Vaters dringt.
Gelb vor Neid, verbrennend vor ewig unerfüllt bleibendem, deshalb gut verborgenem Sehnen, wird dann die derbe Magd dieser Welt dich zu locken suchen, und hat doch nur Stein und Stroh, nur rohes Holz und stinkenden Abfall zu bieten. Wenn ihr mit Christo, so Ambrosius, der Welt aber abgestorben seid, weil ihr ihren Tand erkannt habt, warum urteilt ihr noch, als lebtet ihr in dieser Welt? Rührt nicht an, kostet nicht, tastet nicht nach dem, was zum Verderben gereicht, wenn man es gebraucht! Meide den Lärm der Straßen, und das Treiben auf den Märkten und in den Foren, suche die Stille und das Schweigen, das man nur abseits findet. Dort, wo das Unedle niemals hingehen wird, weil es vor Scham so tief errötet, daß es leuchtet in der Nacht, und spürt, daß es dort nicht hingehört.
Dort werden dich die Engel finden, die die Gäste für das Hochzeitsmahl suchen, wie der Bräutigam ihnen aufgetragen. Die nur das Unhörbare hören, und das Unsichtbare sehen. Rüste dich also mit Schweigen, und trete nur geziert mit dem rechten Kleide ins Licht.
Willst du den Bräutigam finden, so verliere dich aber auch nicht ins Äußerliche. Solches wäre falsch gedacht, denn der Schmuck, der deine Stirn ziert, ist nur dem dazu Berufenen sichtbar, weil ihn das Auge des Gemeinen fürchtet und haßt. Vermeide die geschwätzige Zunge, den gezierten Gang, dieses neugierige Aufhorchen, diesen üppigen Blick! Versagt ist dir irdischer Verkehr, denn du erhebe dich mit Geistesflügeln zum Himmel, und habe nur im Sinn, was droben ist, nicht das von der Erde.
Aber dazu müssen wir uns lösen von den Banden des Leibes, die die Seele halten als würden sie sie ersticken wollen. In Panik und Angst und Schrecken klammert er sich an die Seele, die er nicht verlieren will, weil er sonst um den sicheren Tod weiß. Denn am Himmel hat die Welt keinen Teil mehr.
So habe denn acht, schreibt der Kirchenvater, wie Christus gesucht sein will, wie wenig er aber törichtes Geschwätz liebt. Öffne deine Tore dem Worte Gottes, das sich niederläßt um seiner Braut eins zu werden. Sobald sie aber redet, verliert sie sich selbst, und verliert sich, sobald der Bräutigam redet, gehört sie noch der Welt - und will reden. Auf daß sie die Wächter der Stadt finden, des Nachts, wo die Augen stumm sind, und nur das Ohr sieht. Aber was es sieht, stößt es in Finsternis und Schande, und tut ihm Gewalt an. Auf das es, wenn dann der Morgen graut, zerschunden und voller Weh durch den Staub der Gassen kriecht, den Achtbaren als Gespött. Aber wie soll das so gemein Gemachte noch ins Himmelreich gelangen?