Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 8. Januar 2011

Waren sie bloß Selbstmörder?

Eine verblüffend einfache These mit beträchtlicher Überzeugungskraft aus der Feder des amerikanischen Psychiaters Adam Lankford stellt die Presse in einem Artikel vor. Lankford, und mit ihm eine Reihe weiterer Psychologen, haben die Lebensgeschichten von 75 Selbstmordattentätern studiert, und sie sind zu einem erstaunlichen Ergebnis gekommen: Sehr wahrscheinlich waren alle diese Attentäter, darunter Mohammed Atta, einer der beiden Piloten, die 2001 eine Boeing in die Twintowers in New York steuerten, waren hochgradig depressiv und selbstmordgefährdet.

„Wenn ich ihm ,Auf Wiedersehen‘ sagte, war ich traurig“, sagte ein Freund über Mohammed Atta. Mitbewohner erinnern sich an den ägyptischen Studenten, wie er am Tisch sitzt und seufzt: „Das ist langweilig. Essen ist langweilig.“ Er habe keine Karriere vorweisen können, sei in Deutschland sozial isoliert gewesen, ohne Familie, ohne Frau, das alles habe ihn niedergedrückt, erzählte ein Freund nach Attas Tod. Es sei nicht leicht, mit 24 als Muslim noch keine Frau zu haben, sagte er einmal – mit 33 hatte er immer noch keine.  

Atta war nicht freiwillig in Deutschland. Sein ehrgeiziger Vater hatte ihn gezwungen, im Westen einen Abschluss zu machen. Sieben Jahre brauchte er dafür, dann flehte er seine Mutter an: Er sei müde, er wolle nach Hause. Aber der Vater verlangte, dass der Sohn noch in Amerika ein Doktorat macht. Wenige Monate später war Mohammed Atta in Afghanistan, traf Osama bin Laden und sagte ihm, er sei nun bereit zu sterben.

Nicht weniger signifikant die Geschichte der Palästinenserin Wafa al-Biss.

2005 wurde die 21-Jährige mit zehn Kilo in ihrer Unterwäsche eingenähtem Sprengstoff aufgegriffen, die sie in einem israelischen Spital zünden wollte. Eben dort war sie ein Jahr zuvor behandelt worden, nachdem sie versucht hatte, sich in der elterlichen Küche anzuzünden. 

2005 machte sich auch der afghanische Student Qari Sami zu einem Selbstmordanschlag auf. Mit einer Bombe an der Hüfte betrat er ein Internet-Café in Kabul – blieb aber nicht stehen, sondern ging weiter in die Toilette, verschloss die Tür und sprengte sich dann erst einsam in die Luft.

Lankford weiter:

Von ungewollten Schwangerschaften oder verhinderten Heiraten ist in der Studie die Rede, von der Scham durch eine HIV-Ansteckung, vom Gefühl, dass das eigene Leben „nichts wert“ sei, vom Tod naher Verwandter. Oder auch von Terroristen-Anwerbern, die zugeben, bewusst nach „traurigen Typen“ Ausschau zu halten. Warum, fragt Lankford, schafft es jeder zweite Taliban-Selbstmordterrorist nur, sich selbst zu töten? Sind diese Männer wirklich so ungeschickt – oder geht es vielen von ihnen vor allem darum, ihr wichtigstes Ziel zu verwirklichen, nämlich den Selbstmord?

In jedem Fall, so die Amerikaner, seien die Indizien so verblüffend, daß man die gesamte Motivforschung für Selbstmordattentäter neu durchdenken müßte. Die Sache liegt höchstwahrscheinlich ganz anders, als man bisher annahm.

***