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Montag, 10. November 2014

Gezielter Völkermord als Kriegsmittel (1)

Die Entnazifizierung Deutschlands, schreibt Jörg Friedrich in dem auch sprachlich großartigen Buch "Der Brand", hat bereits 1941 begonnen, und war 1945 abgeschlossen. Denn als dem detusche Volk im "moral bombing", dem gezielten Vernichten ganzer Stadtstriche, ganzer "Weltteile", die für einen Menschen während der Angriffe keinerlei Überlebensmöglichkeit mehr boten, jede Brücke zu seiner Vergangenheit abgebrochen wurde, als es allen gleichermaßen nur noch ums Überleben ging, war Ideologie nicht einmal mehr Nebensache. Nur noch aufrecht erhalten von Funktionären. Aber das betroffene Volk dachte nicht mehr an Ideologie, sie war ihr gleichgültig. WEr alles verlor, hatte an Lebenskultur ohnehin kein Interesse mehr. Depression war fast allgemein, wenn man wie in so vielen Städten 100, 120, 150 Angriffe in diesen Jahren erlebt hatte. Man kochte nicht mehr, man wusch sich nicht mehr, man kümmerte sich nicht mehr um Kleidung.

Ausgenommen - die Beamten, die, die vom Staat nach wie vor lebten. Oder Geld fürs Denunzieren bekamen - von 1941 bis 1945 gab es in Deutschland 15.000 Todesurteile, das Zehnfache der Zeit seit 1933. Oft für Bagatelldelikte, wo sich jemand eine Wurst aus den Trümmern in die Tasche gesteckt hatte. Die bekannte Geschichte.

Der Bombenkrieg der Alliierten war nur ganz anfänglich an "militärisch wichtigen Zielen" interessiert. Schon bald aber war das uninteressant, nur noch ein scheinheiliges Argument. Die waren auch viel zu schwer auszuschalten. Viel effizienter war dagegen das flächige Auslöschen ganzer Stadtviertel. Wo in engen Gassen Althaus an Althaus stand. Wo Markierungsflieger erst den Rayon absteckten, durch Abwerfen verschiedenfarbiger Markierungsbomben das Ziel für die höher fliegenden Bomber erkennbar machten, woraufhin Sprengbomben Fenster und Dächer öffneten, woraufhin ein Vielfaches von Brandbomben, oft so dicht geworfen, daß nicht einmal ein Fahrrad noch durchfahren konnte, die Stadtfläche auslöschte.  "Moral bombinb" nannte man das auf Seiten der Alliierten. Und England hatte darin ja bereits Erfahrung, wie in Indien einige Jahre zuvor.

Technisches Ziel dabei war ein Feuerorkan: In gewisser Dichte, wo sich die vielen Einzelbrände zu einem einzigen Brand zusammenschlossen, wurde durch die Verbrennung so viel Luft angesogen, daß ein regelrechter Sturm aus dem Ansaugen von Sauerstoff entstand, der die Flammen bis in 4000 Meter Höhe unter enormer Hitze auflodern ließ. Luft zum Atmen war da am Boden aber nicht mehr vorhanden. Wer meinte, in Kellern sicher zu sein, erstickte, verschmorte, verkohlte, weil die Keller zu Backöfen wurden, man das Gemäuer oft noch eine Woche später nicht angreifen konnte, weil es so heiß war.

Besonders ausgeklügelt waren die abgeworfenen Zeitminen. Sie sollten verhindern, daß zu früh - also: ehe die Menschen in den Kellern erstickt, verbrannt, verschmort waren - mit den Aufräum- und Befreiungs- und Bergungsarbeiten begonnen wurde. Man mußte sie fürchten.

Der Bombenkrieg der Engländer und Amerikaner wollte nicht militärische Ziele treffen. Er wollte Menschen töten. Offiziell, bewußt, gezielt. Man plante Angriffe nach Opferzahlen, und war regelmäßig enttäuscht, weil der Überlebenswille, die Überlebenskraft der Deutschen alles übertraf, was man sich vorstellte. Mehr als 20-40.000 Tote waren nicht zu erreichen. Wie in Hamburg, Darmstadt, Dresden, Krefeld, etc. etc. Bomber-Harris träumte aber vom ultimativen 100.000-Toten-Angriff. Aber die Deutschen taten ihm nicht den Gefallen. Es war kaum zu glauben!

Aber das machtge wenig. Denn das Bomber Command in England fand heraus, daß Klein- und Mittelstädte das viel lohnendere, effizientere Ziel waren. Militärisch waren die zwar meist wertlos, militärische Ziele wurden bestenfalls als schamvolles "Argument" dann und wann angeführt. Der Ausstoß der Rüstungsindustrie war aber nie so hoch wie im Februar 1945. Man traf die Industrie nicht wirklich.

Aber man hatte ohnehin längst das Volk zum militärischen Faktor erhoben. Um militärische Ziele ging es nicht. Und kleine Städte waren viel effizienter völlig zu zerstören. Berlin lohnte - trotz der gigantischen Angriffe - nicht wirklich. Es war viel zu "brandsicher", zu zerstreut verbaut, mit viel zu breiten Boulevards und Straßen, Brandabschnitten, und hatte kein richtiges Zentrum. Das war bei Köln, Stuttgart (ach, wie das brannte!), Dortmund, Bremen, Karlsruhe, Hannover (!) oder München schon anders. Nicht einmal, nicht fünfmal, nicht zwanzigmal. Hundertzwanzigmal. Hundertfünfzigmal. Die Krupp-Werke in Essen, als Stadt völlig niedergebombt, hatten insgesamt nur wenige Stunden Produktionsausfall. Es stand nichts mehr in der Stadt, und Sprengbomben verpufften, weil keine Wände dem Druck entgegenstanden. Aber man wußte: da ware noch Menschen! Das mußte das Feuer erledigen. Als die Amerikaner mit Bodentruppen nachrückten, 1945, standen sie sogar vor der Erfahrung, daß sich Ruinen sogar äußerst gut zur Verteidigung eigneten.

Wie schön (und für die Bevölkerung aussichtslos) brannten doch die historischen Altstädte eines Weinortes wie Heilbronn, oder in Krefeld, oder in Schweinfurt, oder ... oder ... man WOLLTE eine Kultur auslöschen. Als im Frühsommer 1944 jede Luftabwehr des Deutschen Reiches zusammenbrach, wurde der Bombenterror so gesteigert, daß im letzten Dreivierteljahr des 2. Weltkrieges fast so viel Bombenlast abgeworfen wurde, wie in all den Jahren zuvor. Nun konnte man sich austoben. An manchen Tagen zogen 9-10.000 Bomber und Jagdbomber - die gleichfalls keine militärischen Ziele hatten, sondern bewußt die Bevölkerung terrorisieren sollten - über Deutschland und bombten nieder, was ihnen auffiel. Begleitet von Jagdbombern, die sich gezielt und mit Auftrag auf Zivilansammlungen stürzten. Man wollte das Volk treffen, die Moral. Und wenn es wie in Swinemünde ein reines Massaker an Flüchtlingen wurde, die gerade den Schiffen entstiegen waren, die sie aus Ostpreußen evakuiert hatten. 20.000 Tote, nur dort und bei einem Angriff. Man muß verstehen, die Bomber hatten Peenemünde nicht gefunden.

Alleine auf Hamburg fielen in den Nächten der Großangriffe mehr Bomben, als Deutschland im ganzen Krieg auf englische Ziele als "Vergeltung" abgeworfen hatte. Man feierte in den Fliegerhorsten, wenn man zurückkam, und vom gelungenen Totalbrand der historischen Altstadt Würzburgs berichten konnte.  Beratschlagte mit streng objektiver Sachkenntnis und -miene, wie man die Feuereffizienz noch steigern konnte. Ohne Feuerorkan war alles fast sinnlos. Manche Städte, wie die Universitätstadt Bonn, wurden überhaupt nur als "Übungsziele" für neue Vernichtungsstrategien im Zusammenwirken von Spreng- und Brandbomben, Zeitzünderminen und Markierungsflugzeugen, vernichtet. Man wollte ihn erreichen, diesen Orkan, der wie ein Glühofen von selbst zu arbeiten begann.

Und es gab da durchaus neue Wege. Würzburg war etwa so eine dieser Entwicklungsstufen. Man hat hier den "Fächer" erstmals angewandt. Ein markanter Punkt - historische Gebäude waren dafür ideal, sie waren auch aus großen Höhen erkennbar - wurde von niedrigfliegenden ersten Mosquito-Jagdbombern (Luftabwehr gab es ja Ende 1944 kaum noch) gezielt in Brand gebombt. Weitere leuchteten mit Brandbomben in grün oder rot einen trichterförmigen Korridor aus. Von nun an flogen alle die hunderten, ja tausenden Flugzeuge allesamt zuerst über diesen Punkt. Zehn, zwanzig Maschinen in der Minute. Ein Markierungsflieger der Bomber Commands teilte jedes Flugzeug nach Sekunden ein, die es mit dem Abwurf warten, und nach der Richtung in dem aufgehenden Trichter, in die sie fliegen sollten. So wurde die Flächenwirkung, die für ein Flammeninferno notwendig war, am perfektesten erzielt, geplant und überwacht und vor Ort dirigiert. Aber nicht auf einmal. Nach den ersten Wellen kamen noch einmal die Mosquitos, kontrollierten den Treffererfolg, und korrigierten per Funk die nächsten Wellen, nötigenfalls.

Besonders Highlight: Die Bomber flogen nach so einer Attacke zurück, wendeten aber nach einer Zeit wieder, um nach 60 oder 90 Minuten zurück zu sein. Dann war damit zu rechnen, daß viele Menschen aus den Bunkern und Kellern bereits herausgekommen waren. Vor allem waren dann auch die Rettungsmannschaften effizient auszuschalten. Denn löschen durfte die Brandherde niemand, sie mußten sich ja zu Inferna entwickeln, die Welt zu einem nicht mehr von Menschen bewohnbaren Raum machen. Das war das Grundkonzept.



Morgen 2. Teil) Es ging gezielt um Menschenvernichtung. 
Der Feind war nicht ein Staat, sondern ein Volk, das nur eines nicht konnte: Aufgeben.






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