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Mittwoch, 5. November 2014

Poesie und Dramaturgie

Was aber ist eigentlich Poesie, das "Gemachte", das "machen", wie sie wörtlich zu übersetzen ist - und an diesem Wort zugleich zerschellt. Denn viel Richtiger ist sie das "Handeln in Freiheit", und nur in Freiheit möglich.

Deshalb ist ihr Ort auch das, worum das Drama kämpft. Das zu Anfang von der Gegenüberstellung von Freiheit und Notwendigkeit, Zwang, Unfreiheit lebt und definiert werden muß. In der falschen Entscheidung, die den dramaturgischen Schlußpunkt des ersten (bzw. den Inhalt des zweiten) Aktes bedeutet, in dem sich diese Entscheidund auszuwickeln beginnt, folgt die Handlung der Logik der Notwendigkeiten. Jene Notwendigkeiten, in denen auch das Publikum sich gefangen sieht. Und sie scheinen mit allen entsprechenden Logizismen und Zwängen auch zum Erfolg zu führen.

Aber sie kulminieren, und zerschellen am Wesen der Welt, die nach Freiheit verlangt. Diese meldet sich nun als eigentliches Humanes, und treibt sich zum Sieg: in dem die Haupthandlung in Poesie gewandelt wird, frei geworden durch die leidhafte Erfahrung des Zwanges.

Es ist falsch, Poesie mit irgendwelchen ästhetischen Gefühlen und irrationalen Seltsamkeiten gleichzusetzen. Das ist sie nicht. Sie ist der Aufschwung des Menschen zum Geist, und damit zur Freieit, denn nur in Freiheit ist Geist möglich. Und nur in Freiheit - also in Poesie, als das was man auch mit Größe beschreiben kann - ist Handeln möglich. Erst dort ist der Ort der Entstehung von Geschichte als freies Handeln des Menschen, der die Welt aus der Wahrheit heraus gestaltet, in der er in die Insecuritas weiterschreitet. Das Gelingen obliegt nicht ihm. Nur das Handeln in Freiheit. Der Rest liegt in Gottes Hand. Wahrheit deshalb, weil der Irrtum ein Aspekt der Unfreiheit ist, aus der Unfreiheit entstammt. Sie ist eben genau etwas anders, weit mehr, als logisches, folgerichtiges Geschehen, das Frucht der (geistlosen) Notwendigkeit ist.

Das was also ein Drama zum Ende führt, und es gilt gleichermaßen für die Tragödie (als Kampf zweier poetischer Entscheidungen, die aber um ihre Hierarchie ringen, als Fortentwicklung des Dramas also), aber es eigentlich von Anfang an an der Hand hält, ist - Poesie. Auf sie muß es zusteuern, nach ihr aber verlangt es auch. Das ist das Sehnen, das gute dramatische Handlung kennzeichnet. Und nur hierin ist "Spannung" auch zulässig, als Bangen um die Freiheit, die man mehr und mehr ahnt, und immer klarer im Fortgang der Handlung in ihren Konturen erkennt.

Diese Freiheit ist es ja auch, die zur eigentlichen Peripetie führt: als Einbruch der Forderung nach Freiheit, als Kollaps der Notwendigkeiten. Denn Notwendigkeiten gehen nie mathematisch mit Null auf, sondern eben im Gegenteil: sie kollabieren. Die Welt ist kein Summenspiel, ihr wesentlicher Quell, ihr Inhalt gar, ist die Freiheit, die aber etwas völlig anderes ist als Willkür.

Damit ist aber auch klar, daß eine Haltung, die keine Freiheit mehr kennt, die Poesie verfehlen muß. Ihr bleibt nur noch Absurdität, Willkür, Sinnlosigkeit und nihilistische Verzweiflung. Das gilt auch und vor allem sogar für die Personenzeichnung, denen ihr eigentlicher Konflikt nämlich fehlt.

In der Arbeit an einer Dramaturgie heißt es also herauszuarbeiten, wo die Faktoren der Notwendigkeiten, und wo die der Poesie, der Freiheit sind. Insofern zeigt sich das Weltbild der Schaffenden als entscheidender Faktor, ob Dramaturgie gelingt, oder zur bloßen Verwicklung von Vorkommnissen wird.




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