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Samstag, 29. November 2014

Kriegstaktik der Selbsttäuschung (2)

Teil 2) Exkurse - und noch viel Fleisch in den Fußnoten



Exkurse

Für die USA gilt sogar noch etwas anderes: Sie können nämlich mangels Qualität der Unterführer (und das hat mit dem Volkscharakter zu tun, der in Wahrheit - grotesk! - unschöpferische Unfreiheit beweist) diese Taktik gar nicht umsetzen - sie können gar nicht anders als durch zentrale Steuerung (bis ins kleinste Detail) operieren. (Zur Standardausrüstung amerikanischer Soldaten gehört bereits die Medienverbindung sogar zu jedem einzelnen.) Also spielen die Kommunikationsmittel eine extreme Rolle, die die Mittel der Auftragstaktik (Geschwindigkeit, Mobilität) mit der Notwendigkeit der Befehlstaktik (die alles zentralistisch steuern muß) verbinden - sie sind damit das eigentliche Rückgrat dieser Kampftaktik, wie an dieser Stelle bereits einmal ausgeführt wurde. 

Aus genau diesen Gründen aber sind ihre tatsächlichen Kampfgruppen in hohem Maß sogar für Angst anfällig: Der Soldat wagt es gar nicht mehr, sich auf seine Kampfkraft zu verlassen, Gefahr zu beurteilen, sondern fordert schon im Verdachtsfall Gewißheit der Überlegenheit. (Was gleichzeitig die psychische Bereitschaft zur maßlosen Brutalität im persönlichen Aufeinandertreffen mit Bedrohern vergrößert; Abu Graib ist also weder Einzelfall noch Zufall.) Beruft sich dabei auf die dank Materialüberlegenheit mögliche maßlose Zerstörung (v. a. über Luftwaffen). Die auch im Einzelgefecht angefordert wird und noch mehr Rolle spielt, als für die deutsche Wehrmacht im 2. Weltkrieg (die ja auch so operierte - die Junkers 87 Stuka war also typisch -, aber schon aus technischen Gründen nicht vergleichbar ist). 

Der Film "Wir waren Helden" (mit Mel Gibson) - an sich kein Kunstwerk, jedoch informativ - zeigt das übrigens ganz beeindruckend (und wohl unbeabsichtigt, denn er versucht sich als sentimentales Moralwerk.) Während weitere, und erstaunlich viele Filme, die die amerikanischen Militärinterventionen in Afghanistan und dem Iraq thematisieren, die oben in ihrem logischen Zusammenhang dargestellte Verbreitung der Brutalität - vermutlich gleichfalls unbeabsichtigt in ihrer Erhellungskraft - anzeigend belegen. (4)


Fußnoten, auch zu Teil 1

*Man kann darüber spekulieren, ob nicht schon das Erlebnis des 30jährigen Krieges dieses Trauma so bestimmend machte. In jedem Fall ist es in Preußen aus solchen traumatischen Erlebnissen gewachsen.

²So hat man nicht nur England und die Bedeutung des Meeres, sondern auch Rußland völlig unterschätzt, so wie man überhaupt die Geographie (Logistik!) unterschätzt hat. Rußland etwa ist schon alleine aufgrund seiner Ausdehnung von einem Angreifer vermutlich überhaupt nicht (militärisch) zu schlagen, ein Faktor des Selbstgefühls eines Volkes, den man noch heute in der Politik regelrecht ignoriert, und England war es nicht aufgrund seiner Herrschaft über die Meere. Gerhard P. Groß kommt in seiner Studie über die deutsche Militärstrategie zu dem Schluß, daß sogar noch bis in die 1990er Jahre deutsche Offiziersschulung wie im "leeren Raum" zu operieren lehrte - weil diese Operationstaktik sich so oft in Gefechtssiegen "bewährt" hatte. 

Der prägende Einfluß dieser deutschen (Teil-)Siege auf die Militärstrategie und -taktik weltweit, so Groß, ist gar nicht zu überschätzen: Die USA, Rußland, ja selbst China haben ihre Taktik daran orientiert. Und sie alle sind damit auf die gleiche Weise gescheitert, wie Deutschland: Rußland in Afghanistan, oder die USA in ihren Kriegen seit 50 Jahren. Mit einem genau das zeigenden Vorbild: Napoleon, der diese neue Ära der Kriegsführung (als Volkskrieg) einleitete, um genau daran zu zerbrechen. Aber die Tatsache, daß sich diese Taktik und Praxis so verbreitet hat, hat wiederum direkt mit der Entwicklung der (weltweiten) Kultur(en) zu Technizismus und Bodenlosigkeit zu tun. 

Es ist nicht zufällig die Kriegstaktik von Nomaden- und Steppenvölkern. Erst ein Logistiker wie Prinz Eugen konnte die Türken definitiv besiegen, indem er deren Taktik weiterentwickelte und ihr prinzipielles logistisches Problem mit der Unterstützung des Raumes (siehe: die Kriegsgrenze hier, die zunehmende Unfähigkeit der gefechtsüberlegenen weil beweglichen, aber "raumlosen" Türken, in eroberten Räumen organische Strukturen neu zu errichten, dort) besser löste.

**Der Clausewitz'sche Satz vom "Krieg als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln" wird leider meist falsch verstanden. Clausewitz sah nämlich den Krieg nur eingebettet in das Primat politischer Strategie, ihr jederzeit zu unterwerfen und anzupassen, keinesfalls als plumpes Mittel der Politik, um dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen. Ja, ohne politische Strategie läßt sich gar keine militärische Strategie denken, letztere würde in der Luft hängen.

***Der VdZ neigt jenen Ansichten zu, die die Hitlersche bzw. nationalsozialistische Unterdrückungs- und Ausrottungspolitik als Füllmaterial einer in Wahrheit fehlenden Friedensstragie sieht Nur auf einer solchen beruhend aber kann Krieg Sinn haben. Alle Schlagworte, die im Falle Hitlerdeutschlands das Gegenteil beweisen soll(t)en, sind posthoc-Interpretationen, oder hilflose Versuche diese Schwäche zu übertünchen.

³Das Schlagwort von den "asymmetrischen Kriegen" müßte also längst hinterfragt werden. Denn es beruht auf der selbstzufriedenen Täuschung, die taktische Überlegenheit im Gefecht, in der Schlacht, wäre auch eine strategische Überlegenheit im Rahmen eines Gesamtkrieges.

(4) Das seit dem 1. Weltkrieg definitiv gewordene, einen Angriff vorbereitende "Weichschießen des Feindes" durch bloße Materialtechnik (Artillerie, Bomben, Gas ...) steht in direktem Zusammenhang damit. Und wieder hat sich selbst darin belegt, was hier gesagt wird: Man studiere beispielhaft die Geschichte der Schlacht an der Somme im Juli 1916, wo britisch-französische Truppenmassen ("Befehlstaktik") nach der schwersten alliierten Artillerievorbereitung aller Zeiten (über sieben Tage) völlig überrascht auf fast ungebrochenen deutschen Infanteriewiderstand ("Auftragstaktik") stieß. Das Ergebnis war ein Blutbad ungeheuren Ausmaßes.



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