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Dienstag, 4. November 2014

Über den Sinn des Eigentums am Boden

Viel und immer wieder wird in Österreichs Medien die Behauptung aufgestellt, Ungarn würde österreichische Landwirte, die in Ungarn Boden bewirtschaften, enteignen. Sieht man davon ab, daß die Bereitschaft, Ungarn zu verleumden, nicht nur mit kommunistischen Politkampfmaßnahmen gegen die "rechte" Regierung, sondern auch mit einer Art Privatkrieg vor allem der österreichischen Raiffeisenbank zu tun hat, die über Beteiligungen maßgebliche Medien (Kurier, Presse, Profil, Kleine Zeitung ...) bestimmt und sie als taktisches Mittel einsetzt, weil ihr in Ungarn die Felle davonschwimmen, mit Profiten, deren Moralität man durchaus in Frage stellen könnte, ist an dieser Behauptung nichts wahr. Außer daß einem Rechtsmißbrauch ein Riegel vorgeschoben wurde, der den Sinn der Gesetze, die hier angerufen werden, umgangen hat.

Tatsache ist, daß nach der "Wende" in Ungarn wie in sämtlichen ehedem kommunistischen Staaten Kollektiveigentum zu äußerst niedrigen Preisen an die Bevölkerung "zurückgegeben" wurde. Die konnte aber mit Eigentums-Anteilsscheinen nichts anfangen, und hat sie verkauft. Gekauft haben jene, die Geld (und Kredit) hatten. Betriebe, Fabriken, Häuser, und eben - landwirtschaftliche Flächen. Auf diese Weise sind übrigens die berühmten "Oligarchen" entstanden, denn einige haben es besonders gut verstanden, Eigentum zu sammeln. Das binnen weniger Jahre - weil etwa als Fabriken wieder in Betrieb - wieder viel Geld wert war. 

Auf diese Weise haben bis 1995 auch österreichische Bauern große Flächen in Ungarn erworben. Denn nur ein geringer Prozentsatz der Eigentümer an landwirtschaftlicher Fläche hatte Interesse daran, sich wieder als (kleiner) Landwirt sein Leben zu gestalten. 

Aber dann hat Ungarn reagiert. Und per Gesetz den Verkauf ungarischer Äcker und Weiden an Ausländer untersagt. Das betraf nicht die bereits getätigten Käufe, die blieben gültig, und sind es bis zum heutigen Tag. (Sie sind also von den monierten "Enteignungen" nicht betroffen.)

Doch die findigen Burgenländer und Steirer ließen sich davon nicht beirren. Man fand einen Weg durch die Gründung von ungarischen Gesellschaften, mit einem Ungarn als Eigentümer, und österreichischer Beteiligung als Nutznießer. Der Kaufbetrag wurde nun als "Pacht für 99 Jahre" (die Ersitzungsgrenze, ab 100 Jahren geht ein Gut automatisch in das Eigentum des gewohnheitsmäßigen Nutzers über) auf einmal bezahlt, und in der Praxis änderte sich recht wenig. Investiert wurde nun halt in diese Gesellschaften, deren offizieller Eigentümer aber über Privatverträge entmachtet war. Und sie betrieben auch die Landwirtschaft.

Der Sinn des Gesetzes aber wurde damit unterlaufen. Ungarn hat das nun vor zwei Jahren repariert. Und sämtliche dieser Zivilverträge für null und nichtig erklärt. Da freilich begann den rund 200 österreichischen Bauern der Hut zu brennen. Denn eiderdautz - ihnen gehörte nun gar nichts mehr in Ungarn, und sie hatten auch keine Rechte mehr. Auch was investiert war, fiel an die formalen Eigentümer.

Was aber ist der Sinn eines Gesetzes, das sich auf "Ungarischer Boden den Ungarn" eindampfen läßt? Beginnen wir mit einem Gegenbeispiel: Vor Jahren hielt sich der VdZ längere Zeit im Oderbruch auf, jene Landschaft, die sich Bad Freienwalde nördlich bis an die Oder erstreckt und einst sumpfiges Marschland eines Oderarms war, mit dem Friedrich der Große durch Entwässerung schlagartig ein riesiges landwirtschaftlich nutzbares Gebiet gewann. Und an solchem hatte das damalige Preußen ja bekanntlich Mangel. Nach der Wende 1989/90 wurden auch die dortigen Kolchosen reprivatisiert, mit demselben Ablauf wie in Ungarn: die Bevölkerung der "Industrieproletarier" war kaum mehr interessiert, zu Landwirtschaft zurückzusteigen. Also verkaufte man. Billig. Und diese Gesellschaften wiederum - verpachteten die oft riesigen Flächen, die die Kolchosenwirtschaft hinterlassen hatten. Fährt man heute durch den Oderbruch fallen diese endlosen Felder auf, und auf ihnen - so man Glück hat - einige Traktoren. Mit niederländischen Kennzeichen. Denn was war geschehen? Vor allem kapitalstarke niederländische Gesellschaften haben diese Flächen gepachtet, und nützen sie auf Teufel komm raus, vor allem zur Ölfrucht-Produktion. Also mit Monokulturen. Weil aber die dort ansässige Bevölkerung ihre Arbeit in Berlin oder sonstwo hat, entvölkert sich so eine ganze einstige Kulturlandschaft. Sie wird ausgequetscht wie eine Zitrone, mit Monokulturen, und wenn nichts mehr zu holen ist, die Böden erschöpft sind ... bleiben vermutlich entvölkerte Halbwüsten zurück.

An diesem Beispiel zeigt sich was passiert, wenn ein Staat seine Kulturlandschaften vom Eigentum entkoppelt. Denn nur mit Eigentum, mit der Perspektive, das Land auch für die nächsten Generationen fruchtbar zu halten, und vor allem als Wohn- und Kulturumfeld zu lieben und zu gestalten, bleiben einem Volk auch seine Kulturlandschaften erhalten. Und damit seine Kultur vor der monistischen Verstädterung bewahrt. Zudem ist eine eigentumsbasierte Landwirtschaft noch immer der wahrscheinlichere Garant dafür, daß die Produktion vielfältiger und regional bedarfsorientierter eingerichtet wird. Zwar hat auch in Österreich der "ab Hof-"Verkauf statistisch eine eher geringe Bedeutung, die aber in der alltäglichen Praxis durch reale Auswirkungen äußerst vielfältiger Art (bis hin zur Gebrauchtheit der älteren Generationen - diesen Eindruch etwa hatte der VdZ bei Besuchen auf Bauernmärkten im Mostviertel immer wieder; viele der dortigen Produkte waren von den Omas und Opas hergestellt, oder von diesen dort verkauft), die kaum aufzuzählen einen Wert beweisen, den keine Statistik ausdrücken kann.

Das hat in einem Agrarland wie Ungarn noch verschärfte Auswirkung. Denn immerhin ist in den letzten Jahrzehnten die Agrarproduktion, die immer die eigentliche (und fast einzige) Stärke des Landes war, rasant geschrumpft. Sonstige Industrie gab und gibt es wenig. Die Agrar- und Bodenpolitik der letzten Jahrzehnte zeigt also nicht gerade an, daß sie erfolgreich war. Ungarn begäbe sich sehr hautnaher gestalterischer Möglichkeiten, würde es weiter in dieselbe Richtung gehen wie bisher, wie nach 1989. Und es kann schon ob der Bedeutung der Landwirtschaft im Gesamtgefüge des Landes nicht zulassen, daß nichtungarische Interessen die Verwendung seiner eigentlichsten Resource, des Bodens, bestimmen. Noch vor zwanzig Jahren haben in Ungarn über eine Million Menschen (bei 10 Mio Einwohnern) von und in der Landwirtschaft gelebt. Heute sind es knapp 300.000 - das zeigt die Dimension der Umbrüche.

Boden, der es immer noch ist, von dem jedes Land lebt, auch wenn das heute kaum noch jemand zu begreifen vermag (denn Brot und Käse gibt es in fünfzig Sorten im Supermarkt, dessen Regalinhalte oft tausende Kilometer von ihrem Herstellungsort entfernt hergestellt wurden), ist mehr als bloßer "Nutzen", welchen wiederum ein bestimmtes Bedarfsprofil - statistisch - definiert. Er selbst ist es nämlich, der über seine Form wie seine Gestaltung - als Kulturlandschaft - etwas vorgibt, das man erst als regionale Kultur, als regionalen Lebensstil bezeichnen kann. So, wie die Architektur die Rhythmik der Bewohner eines Gebäudes bestimmt, und über sie die Lebenskraft, die Art der Lebensgestaltung, den Stil sogar, tut dies auch eine Landschaft. Im großen, aber auch im allerkleinsten Bezugsfeld. Wird der Boden enträumlicht, aus seinem Raumgefüge herausgerissen, wird dieser Regionalbezug, diese regionale Position in einem Lebensraum, sogar zum Hindernis. Boden wird zum "Gestell" (Heidegger), zur bloßen technischen Größe.

Auf diese Weise wird ein Land umgeprägt und einseitig in moderne Lebensgeflechte eingebunden, die es ohne diese Lebensgeflechte gar nicht mehr bestehen lassen. Damit aber auch in Krisen abhängiger machen. Was das bedeutet haben wir ja bei der aktuellen Krise seit 2008 erfahren, die den Zentralismus auf eine Weise hypertrophiert hat, die sich vor zwanzig Jahren niemand hätte vorstellen können. Man denke nur an die EZB, die europäische Zentralbank, die sogar in rechtsfreien Raum gestellt wurde, weil sie sonst diese Zentralismusfunktion - ohne die Europa in zahllose Staatsbankrotte gerutscht wäre - gar nicht ausüben könnte.

Einem Staat Unmoralität vorzuwerfen, wenn er diese Rückbindung seines Bodens an seine Bevölkerung nicht auflösen möchte, wie das offensichtlich in Deutschland schon so weit gediehen ist, ist deshalb nur mit Zynismus zu erklären. Dem Wunsch, daß es dem anderen mindestens auch so schlecht gehen solle wie einem, denn Leben, Gemeinwohl ist weit mehr als Finanzwirtschaft und Bruttoinlandsprodukt. Und nur in dieser Geistigkeit kann sich meschliche Freiheit entfalten, zur Kultur. Wohl also jener Politik, die sich dagegen zur Wehr setzt, die Lebenskultur eines Volkes im selben Maß dem Nutzen aufzuopfern, wie es ohnehin bereits so viele getan haben und weiter tun. Die noch die Zusammenhänge zwischen Eigentum und Verantwortung kennt und hoch in Ehren hält.

Es wird gerne und viel vom "Europa der Regionen" geredet. Aber das können nur leere Phrasen sein. Denn wie sich auch an diesem jüngeren Beispiel in Ungarn zeigt, wird alles, was diesem Europa seine Regionen erhalten könnte, systematisch ausgehebelt und in ein politisches Eck gestellt, wo niemand, der sich nur über bestimmte öffentliche Anständigkeitsideologeme definiert, gerne hingreift. Aber dort gehört sie nicht hin. Und es ist mehr als verständlich, wenn ehemalige Ostblockstaaten ihre Bürger vor Dingen schützen, die diese selbst sich gar nie vorstellen konnten, die aber als Auswüchse westlicher Nutzenoptimierung Entwicklungen eingeleitet haben, die von einem Staat, der weiter sehen muß als mancher Bürger, der im täglichen kurzfristigen Nutzendenken feststeckt, teilweise zumindest per Verordnung eingeschränkt werden müssen. Um dem Staat auf lange Frist keine irreparablen Schäden zuzufügen.





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