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Sonntag, 23. November 2014

PR, Wahrheit und Begriff

Es ist nur eine Kleinigkeit, scheinbar, aber an ihr zeigt sich beweisartig etwas Fundamentales: In einem Kommentar las (oder hörte) der VdZ über die IS. Und so ganz nebenher meinte der Sprecher, daß diese ja früher ISIS hieß, nun aber IS heiße. Sie wissen ja, die fundamentalistische Terrororganisation.

Schlagartig wurde da etwas klar. Denn hier zeigt sich die Handschrift von Public Relations-Psychologen. Eines ihrer Prinzipien ist, daß Begriffsfindung eines der wesentlichen Momente der Öffentlichkeitsarbeit ist. Die Menschen brauchen dabei nicht nur Schlagworte, sondern sie brauchen damit einhergehende psychische Auffassungsbilder, Konnotationen, die damit ausgelöst werden. 

Die ISIS (Islamic State of Iraq and Levante - Levante als Begriff ist traditionell mit "Großsyrien" oder "Syrien" austauschbar) war von Arabien und den USA - unter anderem - nicht nur gefördert, sie war als Anti-Asad-Gruppierung ins Leben gerufen worden. Sie waren damals im PR-Theater der Welt "die Guten", die gegen den Terror des Terrorregimes in Syrien kämpften. 

PR-technisch aber funktioniert es schlecht, aus Guten plötzlich Schlechte, Böse zu machen. PR als Instrument der Politik kann nicht mit langen Erklärungen arbeiten, mit historischen Entwicklungen, mit Differenzierungen. Sie muß einfach sein.

Also mußten die PR-Stuben der Politik (wo auch immer die saßen, und in welchem Namen immer sie agierten) einen neuen Begriff finden.* Und dazu wurde der Begriff "IS" eingeführt und etabliert. Die Verkürzung auf "Islamic State" ermöglichte nun auch, die ursprünglich lokale Bewegung als Bedrohungsbild zu internationalisieren. "Islamic State" ist regional nicht mehr begrenzbar. Es weitet das politische Ziel eines islamischen Staates auf die ganze Welt aus. Das mag sogar den treibenden Kräften in der IS recht sein. Aber er hat sein politisches Zentrum in Damaskus, dem traditionellen Sitz und Zentralort des Kalifats als politischer Form des prinzipiell universal orientierten islamischen Staats.

(Siehe dazu morgen - Exkurs: Warum die IS völlig falsch eingeschätzt wird.)

Aber es war schlicht und ergreifend auch notwendig, um internationale Politik zu rechtfertigen, die innerhalb weniger Monate von schwarz auf weiß umfärbte. Wahrheit ist ohne Begriffe undenkbar. Ohne Wahrheit aber kann der Mensch gar nicht leben, weil er keine Orientierung findet. Wahrheit jedoch ist eine Frage der Begriffe, in denen alle Dinge gründen. Diese können nicht (zumindest nicth langfristig) umgedeutet, quasi mit neuen Inhalten gefüllt werden. 

Die zeugende, weltschöpferische Kraft eines Wortes, eines Begriffes, liegt im Anfang.

Die Lüge, die Manipulationsabsicht, weiß das, zumindest instinktiv (und hier ist dieses Wort auch für den Menschen verwendbar). Zwar bedient sie sich gleichermaßen der Begriffsverwirrung, indem sie Änderungen der Inhalte behauptet, aber die rein psychologische Ebene hat keine Dauer. Sie muß neue Begriffe - für neue Inhalte - erfinden. Die Gender-Sprache zeigt das eindrücklich, die ja eine neue Sprache ist. Und deshalb war es auch für die politische Propaganda notwendig, aus der ISIS die IS zu machen.



*Die PR funktioniert heute umso leichter, als sämtliche Medien der Welt (schon aus kostentechnischen Gründen ) den Beruf des Redakteurs nahezu auflösen. Erst in diesen Wochen wurde z. B. bekannt, daß Gruner & Jahr seine Zeitschrift "Brigitte" zukünftig sogar überhaupt ohne "hauptberufliche" Redakteure führen wird. Medien heute sind längst und ganz real zu Verwertungsmechanismen von PR geworden, denn die effektivste Textproduktionsmaschine ist Public Relations, die auf öffentliche Meinung und Stimmung NICHT verzichten kann. Medien lagern also Kosten aus. Während sich seit vielen Jahren schon ein in den 1980er Jahren noch vom VdZ miterlebter Wandel der PR - von offenkundigen Unternehmensinformationen hin zu "public interest" - vollständig vollzogen hat. 

Heutige PR informiert nicht mehr die Presse, wie das der VdZ noch lernte, aber damals bereits im Umbau erlebte, sondern sie macht der Presse Vorschläge, wie ihre Informationsabsicht in einen "neutralen Artikel von öffentlichem Interesse" verpackt werden könnte. Während sie gleichzeitig in die Rezeption - etwa durch Postings, sogar unter genau diesen Artikeln,  durch vorgetäuschte Facebook-Profile von Personen, etc. etc. - eingreift, um "Allgemeinheit" - als ontologisch fundierten Sollensdruck für den Leser, der sich sonst "im Widerspruch zur Welt" erfährt, und diese, DIESE ist das Maß der Wahrheit - vorzutäuschen.

Das geht heute, bei diesen Medien-Möglichkeiten, ohne jeden Zweifel so weit, daß uns nahezu alles - wirklich: Alles! - was uns im Internet oder den social media begegnet, in immer höherem Ausmaß reine Erfindung aus Manipulationsabsicht darstellt. Deren Plausibilität zu prüfen in dem Maß sinkt, als der persönliche, gewissermaßen "haptische" Kontakt fehlt. Denn jede Botschaft hängt in ihrer wirklichen Wirkung von der Person ab, in der sie manifestiert wurde. Die Wahrheit ist Person!




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