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Freitag, 1. Mai 2015

Ausrichtung aller Politik

Die Mittel, die eine Regierung anwendet, schreibt Antonio Rosmini einmal, müssen über eine gesetzlich berechtigte Lenkung zum Endzweck der Gesellschaft hinaus auch noch von Natur aus wirksam sein. Was ist nun der Grund für ihre Wirksamkeit? Welche ist die allen so sehr gemeinsame Eigenschaft, durch die sie die Wirkung erzielen können, nach der sie im gesellschaftlichen Zusammenleben streben? Gibt es überhaupt diese allen gemeinsame Eigenschaft?

Ja, es gibt sie, schreibt er weiter. Und sie besteht in der Wirkung, die diese Mittel auf die Gemüter der Menschen ausüben. Wie viele Seiten die Politik auch haben mag, so ist sie schließlich nur ein leerer Name, oder sie wird sich auf die Kunst, den Geist der Regierten auf den Zweck der Gesellschaft hinzuleiten, zurückführen lassen.

Denn vom Geist geht alle menschliche Tätigkeit aus, und zum Geist kehrt sie wieder zurück. Die Künste, die Wissenschaften, die Unternehmungen aller Art sind Produkte des menschlichen Tätigkeitsdranges, und dieser hat seinen geheimen Ursprung und gewissermaßen seinen Brennpunkt im Geist der Menschen: ebendorthin weist er mit seinen Wirkungen zurück.

Denn wohin zielen alle Errungenschaften der menschlichen Tätigkeit, wenn nicht zur Befriedigung der menschlichen Sehnsucht? Daher wird es in jedem System immer wahr sein, daß alle äußeren Dinge nur Mittel sein können, mit denen die Sehnsucht des Geistes befriedigt wird, und darum wären diese Mittel nichts wert, wenn sie nicht bis zum Geist vordringen könnten, und nicht dazu beitrügen, ihm die ersehnte Befriedigung zu gewähren. 

Dieser gute Einfluß auf die Gemüter muß sonach der Charakter, die gemeinsame Eigenschaft und der letzte Grund aller politischen Mittel sein, auf daß sie als wahrhaftig wirksam gelten können. So zeichnet sich hier das Wesen und die Natur des philosophischen Teiles der Politik klar ab.

Diese sucht und findet in der Natur des Menschen selbst den Zweck der bürgerlichen Gesellschaft und schreibt vor, daß dieses Ziel kein anderes als das wahre menschliche Wohl sein kann. In dieser Natur liegt auch die Wirksamkeit aller politischen Mittel begründet, und sie legt fest, daß diese Wirksamkeit einzig und allein in dem guten Einfluß besteht, den sie geltend machen, um die Sehnsucht eben dieser menschlichen Natur zu befriedigen.

Hinter allen Fragen der Tagespolitik steht also in Wahrheit nur eine einzige Frage: die nach der Natur des Menschen. Nur in der Hinordnung auf deren Ziele kann einzelpolitische Maßnahme ihr "gut" oder "schlecht" definieren. Geht die Politik von einem falschen Menschenbild aus, ist keine ihrer Maßnahmen zielführend, bestenfalls ist sie das zufällig. Eine Gesellschaft, ein Staat zerbricht nämlich nicht an Einzelmaßnahmen. Er zerbricht am Mangel an Konsens über die Zwecke der Politik, er zerbricht an der divergierenden Auffassung über die Natur und das Ziel des Menschen.
 




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