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Donnerstag, 14. Mai 2015

Woraus Unzufriedenheit entsteht

Es stimmt wirklich, was man sagt - daß der Italiener Antonio Rosmini (1797-1855) in seiner Gesellschaftsphilosophie einen ganz eigenen anthropologischen und gesellschaftsanalytischen Ansatz vefolgt, der sich mit keinem politischen Denker vergleichen läßt. Wir werden darüber sicher an dieser Stelle noch handeln. Immerhin gibt es Stimmen, die von einer bevorstehenden Renaissance dieses ursprünglich regelrecht verfolgten, aber so weitblickenden Denkers, dessen Schriften gar einmal am römischen Index standen, ehe er rehabilitiert, und 2006 von Papst Bendedict XVI. sogar seliggesprochen wurde. Ivo Höllhuber, dessen Bücher selber jede Lektüre wert sind, nennt ihn in seiner Geschichte der Italienischen Philosophie sogar einen der größten Denker Italiens.

Vorerst sei nur ein einzelner Gedanke aus seiner Philosophie der Politik herausgegriffen (an dem sich ohnehin gleich ein ganzer Wurzelstock mit herauszieht, der sich ob seiner Verflochtenheit gar nicht separieren läßt). Wo Rosmini über die Wünsche und deren Energie als Triebkräfte einer Gesellschaft spricht. Beim Thema "Ungleichheit", die ja viel Wünsche aus der Unzufriedenheit entstehen läßt, weist er nämlich auf eine fundamentale Realität hin. 

Daß nämlich keineswegs entscheidend sei, ob es zwischen Klassen Unterschiede gebe, und wie groß die seien. Vielmehr ist es so, daß sich Menschen immer mit ihresgleichen vergleichen. Das heißt, daß es zu Unzufriedenheitsenergien als politisches, eine Gesellschaftsentwicklung treibendes Feld nur aus Unterschieden innerhalb ein und derselben Gesellschaftsklasse kommt. Das Empfinden von Gerechtigkeit ist nämlich bedingt. Und als "jedem das seine" verstanden, erklärt sich auch dieser Umstand.

Deshalb muß eine weise Regierung dafür sorgen, daß die Trennung zwischen den Klassen möglichst klar aufrecht bleibt. Zwar wird damit die Gesamtentwicklung einer Gesellschaft verlangsamt, aber es bleibt die Sicherheit und die Zufriedenheit gewahrt, die Bedingung einer Entwicklung. So lange dafür gesorgt wird, daß die Unterschiede innerhalb einer Klasse möglichst gering bleiben. So ist auch erklärbar, daß die Kasten im Orient über so lange Zeit aufrecht blieben - sie waren wesentlicher Faktor im Bestand dieser Gesellschaften.

Das berührt auch das Sklavenproblem, und der geneigte Leser möge den Atem anhalten: Denn aus moralischen Gründen ist nach Rosmini die Sklaverei* zwar abzulehnen. Aber er sagt größte Schwierigkeiten in den USA voraus, wenn man (wie vor seinem Tod noch gar nicht passiert) alle Sklaven der Südstaaten plötzlich freiläßt.

Solange sie Sklaven sind, begehren sie nicht die Güter der Freien. In dem Moment aber, wo sie frei sind, werden sie die Güter der Freien begehren, und ihr Elend, ihre relative (große) Armut wird ihnen in einem ungeheuren Ausmaß bewußt.

Je allgemeiner der Wettbewerb um alle gesellschaftlichen Klassen und Ämter wird, desto stärker wachsen die Wünsche. Können diese Wünsche** aber nicht befriedigt werden, und das können sie auch in diesem Fall nicht, baut sich eine Energie auf, die eine Gesellschaft aus dem Gleichgewicht bringen wird.




*Der italienische Philosoph und Ordensgründer weist auf die Geschichte als Beleg hin, daß es bei der Sklaverei zuerst darum geht, ihre unmenschlichen, unmoralischen Seiten abzuschaffen, und die Personswürde zu schützen. Der Sklave muß als Schutzbefohlener (unter Arbeitspflicht) aufgefaßt werden, mit unbehindertem Zugang zum Rechtsstaat. Darauf aufbauend, muß dann die Sittlichkeit der Sklaven selbst gehoben werden. So hat sich auch in der Spätantike unter dem Einfluß des Christentums nach und nach die Sklaverei in Europa wie von selbst aufgelöst (und blieb nur noch eine Erscheinung bei den Heiden). DANN kann man den Begriff aus der Gesellschaft und dem Recht entfernen, weil er leer geworden ist. Macht man es umgekehrt, folgt Elend, Unzufriedenheit und Destabilisierung der gesamten Gesellschaft.

**Die Rosmini in mehrere anthropologisch fundamentierte Kategorien einteilt; diese Wünsche fallen in eine für eine Gesellschaft schädliche Kategorie, weil sie zum einen auf Dinge abzielen, die herbeizuschaffen nicht in der Macht des Wünschenden liegt, zum anderen auf abstrakte Dinge aus sind, die prinzipiell niemals auf Erfüllung hoffen können, weil abstrakte, ewige Ziele in der Dingwelt, in der ihre Erfüllung begehrt wird, gar nicht erfüllbar sind. Damit macht sich aber entsittlichende und jede Entwicklung verhindernde Hoffnungslosigkeit breit. Und sieh da: Nur kurze Zeit nach der Sklavenbefreiung im Süden, entstanden in den Städten des Nordens (!) der USA die Slums.




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