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Samstag, 23. Mai 2015

Wie es mit dem Islam weiterging (3)


Teil 3) Alles falsch - aber nichts gelogen




Darin gründet übrigens die dem Menschen des Vorderen Orient (nebenbei: auch dem Griechen der Antike) nachgesagte "Verlogenheit", die alles andere als eine solche ist: Der Orientale interessiert sich einfach nicht für Details, ihm geht es alleine um das Große Ganze, um das "Dahinter", um die Lebens- als Erlebensqualität.*

Wer einmal, nur einmal mit Türken (wie der VdZ vor einiger Zeit wieder einmal) Geschäfte macht, wird das feststellen. Mündliche Vereinbarungen sind nichts als Höflichkeiten, sie ändern sich jede Viertelstunde, je nach Stimmung und Situation und Kommunikationsverlauf. Das ist keine Bosheit, keine Verlogenheit, keine Betrugsabsicht, ja der Partner sagt etwas offensichtlich Falsches, und dennoch lügt er nicht dabei - es ist Mentalität. Wenn Gott nicht Fleisch geworden ist, ist das Stofflich-Irdische völlig relativ. Das ist für einen Europäer fast nicht zu verstehen, und dabei höchst interessant und liebenswert. 

Nur eines muß auch klar sein: Auf dieser Mentalität läßt sich eine europäisch-westliche Markwirtschaft niemals (!) aufbauen, weshalb eine Türkei zur EU zu wünschen ein Akt besonderer Lieblosigkeit, wenn nicht Produkt typisch zeitgemäßer Technikverlorenheit ist. Denn es hieße, einem Volk sein Herz herauszureißen, es in Folge völlig umzukrempeln, um denselben Kriterien ungebremsten Geltungsvorrang einzuräumen, die Europa, noch mehr die USA (und von dort: auf Europa initial einwirkend, wie die Wirtschaftsgeschichte des 19. Jhds. zeigt) so kalt und tot gemacht haben. Selbst zwischen Deutschland und Österreich bestehen ja bereits genau dieselben Unterschiede, nur graduell anders, die (immer noch unterschätzt!) zwar vielleicht mathematisch hier und dort bessere Rechnungen ergeben, aber langfristig alles Leben austreiben, dessenwegen man ja arbeitet und handelt.  

Der Arianismus - und selbst der Protestantismus ist ein solcher (weshalb er dem Rationalismus so hohe Bedeutung beimißt; eine Reaktion auf die sich auflösende weil vor Gott bedeutungslose Welt) - des Islam wird niemals dasselbe verbindliche Verhältnis zum Fleischlichen, Konkreten als Inkarnation des Absoluten haben, wie der Katholik.

Zickurat von Samarra
Legenden, "Geschichterl", wie der Österreicher sagt (und es übrigens auch als damit sympathisierend meint), die im Fall des Islam in beachtlich hohem Maß auf schlichten Übersetzungs- und Übertragungsfehlern der Heiligen Schriften (dem zum "Quran" gewordenen aramäischen Lektionar) beruhen. So wird aus "himmlicher Hilfe" (bi-idr) durch Unverständnis des Aramäischen und später hinzugefügte, das Unverstandene interpretieren sollende Punkte ein Ort namens Badr, den es aber nie gab. Luxenberg und 100 Jahre vor ihm Ignaz Goldziher** haben enorm viele solcher Überlagerungen festgestellt, die ein Verständnis unmöglich machen, geht man nicht linguistisch ans Werk.

Die wahrscheinlich erste Moschee (masjid), die sich von einer christlichen Kirche unterschied, taucht Mitte des 9. Jhd. auf, auch wenn sie im 13. Jhd. bis auf die Außenmauern zerstört wurde. In Samarra. Sie weist neben dem rechteckigen Mauergeviert (das einmal Säulengänge vorgestellt hatte) außen einen dem altbabylonischen "Zikkurat" nachempfundenen Turm auf, der die Stiegen für den Muezzin noch außen trägt. Sie wanderten später nach innen. Ihr Name - Moschee - geht auf das aramäische Wort für einen "Platz der Gottesverehrung" zurück: masjid. In ihr ist die Gebetsrichtung Jerusalem - die Ausrichtung der christlichen Kirchen (Naherwartung des endzeitlichen Richters; genau diese eschatologische Ausrichtung ist bis in die Gotik hinein in christlichen Kirchen als OSTUNG erhalten: Christus, das Licht, ist mit der aufgehenden Sonne bzw. als sie erschienen, und erscheint jede Messe dort - das Ende liegt im Westen, im Untergang) bereits nach Mekka gewandert.


(wird fortgesetzt)




*Diese Haltung ist auch in Ungarn weit verbreitet. Trinken Sie ein Gläschen, seien sie übertrieben freundlich, loben sie alles überschwenglich, umarmen sie jeden und alles - und sie werden in den richtigen Fällen angewandt billiger kaufen, als sie je dachten.

**Der österreichisch-jüdische, genuin deutschsprachige, aber häufig ungarisch schreibende Budapester Linguist und Orientalist Ignaz Goldziher gilt bis heute als einer der maßgeblichen Kundigen des Orient (wie des Islam), und hat schon vor über 100 Jahren auf die höchst wackeligen Beine des Koran und der Hadithen hingewiesen. Was ihn aber nicht nur nicht gestört hat: er fühlte sich selbst als Orientale, ja als Muslim (auch wenn er vieles so gar nicht mochte), und hat die linguistisch überaus interessante Geschichte der Interpretationen zu erforschen begonnen. Er hat somit bereits damals begonnen (und dieser Schritt steht heute noch aus, so vielversprechend die - außerislamische - Islamforschung mittlerweile wieder angesetzt hat) den Islam aus der menschlichen Mentalitätsgeschichte heraus zu verstehen, und seinen spirituellen Kern neu herauszuarbeiten. Samt dem Erkennen der Bedeutung der Poesie bei den Arabern. Die für den Rationalisten ja ohne objektiven Belang ist, für Goldziher (und nicht nur ihn) aber die Essenz bedeutet hat.





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