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Sonntag, 24. Mai 2015

Tod der Sprache = Tod des Denkens

Selbstmord der Sprache geht mit dem Selbstmord einer Kultur Hand in Hand. Es ist die Preisgabe der Rückverbundenheit der Sprache mit dem Metaphysischen, die dieses doppelte Versagen bewirkt. 

"Die Neusprache war die in Ozeanien eingeführte Amtssprache zur Deckung der ideologischen Bedürfnisse des Engsoz erfunden worden. Siehatte nicht nur den Zweck, ein Ausdrucksmittel für die Weltanschauung und geistige Haltung zu sein, die den Anhängern des Engsoz allein angemessen war, sondern darüber hinaus jede Art anderen Denkens auszuschalten ... sollte sich ein unorthodoxer, d. h. ein von den Grundsätzen des Engsoz abweichender Gedanke, buchstäblich nicht mehr denken lassen, wenigstens insoweit Denken eine Funktion der Sprache ist ... Zahlreiche Worte wie Ehre, Gerechtigkeit, Moral, Internationalismus, Demokratie, Wissenschaft und Religion gab es  ganz einfach nicht mehr. Sie waren durch ein paar Überbegriffe ersetzt und damit hinfällig geworden ... 

Es war also in der Neusprache so gut wie unmöglich, verbotenen Ansichten, über ein sehr niedriges Niveau hinaus, Ausdruck zu verleihen ... ein mit der Neusprache als einzigem Verständigungsmittel aufwachsender Mensch würde nicht mehr wissen, daß gleich einmal die Nebenbedeutung von "politisch gleichberechtigt" gehabt oder daß frei einmal "geistig frei" bedeutet hatte, genau so wenig wie ein Mensch, der noch nie etwas vom Schachspiel gehört hat, die darauf bezüglichen Nebenbedeutungen von Turm und Königin kennen kann. Hand in Hand damit geht selbstverständlich die "Gewohnheit, bei jeder nur möglichen Gelegenheit, Abkürzungen zu gebrauchen."



George Orwell in 1984




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