Die Ausführungen des niederländisch-türkischen Historikers Prof. Ugor Ungor sind schon deshalb interessant, weil sie die Systematik des Genozids am armenischen Volk zeigt, die als Folie für Völkermord überhaupt gelten kann.* Höchst systematisch wird dabei anhand eines sich immer mehr spezialisierenden Volksmerkmals - "rassisch" - von der Führungselite ausgehend, auf alle Männer, dann auf die Angehörigen, indem man alle verwandtschaftlichen Bande durch Separation unterbricht, und schließlich auch auf die Gruppen übergegangen, die im Dunstkreis dieser Gruppe leben, oder (in der Türkei: zum Islam konvertierte Armenier; in Deutschland später: getaufte Juden) einmal dazugehörten. Dann wird die kulturelle Grundlagen vernichtet, Klöster und Gotteshäuser eingeebnet, Kunstgegenstände geplündert, Bücher und Schriften und die Sprache vernichtet und verboten.
Ausgangspunkt und nicht unwesentlicher Zielpunkt aber ist die lt. Ugor Ungor (der sich in mehreren Büchern mit dem Werden der modernen Türkei und den Zusammenhängen mit dem Genozid an den Armeniern befaßt) nachweislich zentral geplante Enteignung dieser Bevölkerungsgruppe, die im Fall der Armenier bislang aber noch wenig untersucht ist. (Anders, als fürs spätere Hitler-Deutschland.) Immerhin war der Anteil der Armenier an der gebildeten, wohlhabenden Mittelschicht überdurchschnittlich hoch.** Interessant dabei ist auch, daß (und es war in Deutschland ja nicht anders; Hitler hebelte ja das deutsche Rechtssystem über die Notstands-Ermächtigungsgesetze aus) diese Erlässe türkischen Gesetzen, ja sogar der Verfassung widersprachen. Aber sie waren belegbar von Istanbul aus geplant und koordiniert.
Der Genozid an den Armeniern begann also mit der Enteignung, deren Widerstand man mit wohlklingenden Versprechen möglichst hinauszuzögern versuchte. Auch das kennt man aus unserer eigenen Geschichte.
Die Motive kann man in drei Ebenen teilen: Die türkische Führungsschichte hatte ideologische Gründe. Dem Mittelstand ging es schlicht um Eigentums- und Konkurrenzvorteile. Die Motive der unteren Schichten, des "gemeinen Volkes" einzuschätzen, sei aber dem Leser überlassen.
Nicht zuletzt wurden offiziell-inoffiziell Flüchtlinge aus dem Balkan bedacht (von wo nach dem verlorenen Krieg 1912 als Ergebnis der "Entislamisierung" der Balkangebiete hunderttausende Muslime in die Türkei geflüchtet waren.)
Die Motive kann man in drei Ebenen teilen: Die türkische Führungsschichte hatte ideologische Gründe. Dem Mittelstand ging es schlicht um Eigentums- und Konkurrenzvorteile. Die Motive der unteren Schichten, des "gemeinen Volkes" einzuschätzen, sei aber dem Leser überlassen.
Nicht zuletzt wurden offiziell-inoffiziell Flüchtlinge aus dem Balkan bedacht (von wo nach dem verlorenen Krieg 1912 als Ergebnis der "Entislamisierung" der Balkangebiete hunderttausende Muslime in die Türkei geflüchtet waren.)
Geheime Erlässe aus Istanbil bereiteten diese Übernahme
armenischer Unternehmen und armenischen Vermögens durch türkische Bürger
gezielt vor. Das konfiszierte Vermögen wurde anschließend zu niedrigsten Preisen an die Zielgrupen veräußert. Darüber gibt es sogar Verzeichnisbücher, in denen die Provinzen den Fortschritt dieser Vermögenstransaktionen meldeten. Das war der eher geordnete Teil des Vermögenstransfers.
Dem ein weit größerer Anteil unterer Schichten von Türken folgte, der sich armenisches Vermögen schlicht durch Plünderung aneignete. Dorf für Dorf, Ort für Ort wurde systematisch durchgekämmt, und zwar auch durch offizielle Polizei. Eine von Ungors Thesen ist deshalb, daß besonders die Osttürkei einen Schub an aggressivem Nationalismus erlebte, der zu besonders brutalen Ausschreitungen führte. Aus den Zusammenhängen mit den Enteignungen kann man also davon ausgehen, so der VdZ, daß eine Aufarbeitung von Schuld durch Sperren des Schuldbewußtseins behindert wird, weil sie die gegenwärtige Lage in Frage stellen.
Natürlich war der "unkontrollierbare Volkszorn", den man entschuldigend anführte, nicht offiziell organisiert, so wie später in Hitler-Deutschland. Aber es gab inofizielle, organisierte Banden, die sich aus der lokalen Bevölkerung rekrutierten, und mordeten und plünderten, und deren Anführer dadurch reich wurden. Der Anteil an Toten bei der Armenieraustreibung ist in der Ost- und Südosttürkei besonders hoch.
Ungors Fazit: Ein beträchtlicher Teil der späteren und heutigen türkischen Eliten verdankte seinen Aufstieg dem Genozid, der zu einem der größten Vermögenstransfers der jüngeren Geschichte wurde. Vorzeigeindustrien der heutigen Türkei - etwa Baumwolle und Textilien, oder Haselnüsse, Tomaten, überhaupt landwirtschaftliche Produkte - gehen zu einem nicht unerheblichen Teil auf konfisziertes armenisches Vermögen zurück.
Ungors Fazit: Ein beträchtlicher Teil der späteren und heutigen türkischen Eliten verdankte seinen Aufstieg dem Genozid, der zu einem der größten Vermögenstransfers der jüngeren Geschichte wurde. Vorzeigeindustrien der heutigen Türkei - etwa Baumwolle und Textilien, oder Haselnüsse, Tomaten, überhaupt landwirtschaftliche Produkte - gehen zu einem nicht unerheblichen Teil auf konfisziertes armenisches Vermögen zurück.
*Daß Hitler die Umgestaltung durch die Türkei, die Nationalisierung des Atatürk eingehend studierte und als Vorbild für die Umgestaltung Deutschlands heranzog, ist ja bekannt.
**Als der VdZ vor Jahren ein Gespräch mit einem österreichischen Architekten führte, erzählte ihm dieser von einer Studienreise in die Türkei, wo die "türkische Architektur" in ihrer Großartigkeit studiert wurde. Bei näherem Betrachten der genannten oder am Bild gezeigten Objekte stellt sich zu dessen Überraschung aber heraus, daß der überwiegende Anteil dieser Gebäude - wenn nicht sogar ausschließlich - entweder armenischen, oder christlichen, orthodox-griechischen Ursprungs, oder von westeuropäischen (auch österreichischen) Architekten geplant war. Daß die Hagia Sofia, die zum Vorbild sämtlicher Moscheen der Welt wurde, bis 1452 ein christlicher, eigentlich katholischer Bau war, muß da gar nicht extra erwähnt werden. Wir haben uns an dieser Stelle ja bereits mit den katholischen Wurzeln des Islam (Koran) befaßt, weshalb diese Affinität ohnehin nicht verwundert.
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