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Sonntag, 10. Mai 2015

Im Kußhauch der Welt - Mutter

Jeder christliche Altar, jede Kirche geht auf das Geheimnis der Weltwerdung zurück. Der christliche Kult begann als Kult über den Gräbern, und noch heute ist jeder Altar ein Grab, eine Tombe, und muß zur gültigen Zelebration ein Stück eines Märtyrers (Reliquie) enthalten. Man legt im Totenkult den Leib des Verstorbenen zurück in den Schooß der Welt, während seine Wirklichkeit deshalb frei ist, weil sie in den Lebenden weiterlebt. Im Totenkult ehren deshalb die Lebenden das, was sie selbst wirklich sein - nicht nur: geworden sein - läßt. 

Erst mit dem Erkennen der Person, des Selbst, als eigenen Träger eines Ich, als eigenen Geist, wie es in der Philosophie und in der Kunst der Antike etwa ab dem 5. Jhd. (vereinzelt freilich schon viel früher, auch in anderen Kulturen, es gibt dafür Zeugnisse in Kunst und Literatur) immer deutlicher erkennbar wird, wurde den Menschen bewußt, daß nicht "alles" an ihm schlicht Teil eines Gesamtstromes ist, sondern daß er selbst an einem noch viel höheren Gesamtstrom der Menschheit, des Geistes, Anteil hat, als eigener Träger und Weiterträger der Fackel der Menschheit und Schöpfung. Erst ab hier beginnt "Geschichte", erst ab hier kann sich der Mensch als Träger des Geschehens begreifen, und sich aus den zuvor bestehenden (aus alter Ahnung des Vorsündlichen erhaltener!) Vorstellungen eines (dem Traum vergleichbaren) bloßen und ohnmächtigen Teiles eines Ganzen, eines schicksalshaften Gesamtgeschehens, dem er fatalistisch ausgeliefert ist, lösen. Dessen einzigen Sinn man aus irdischer Beobachtung (daß nämlich die Welt sehr wesentlich immer wieder das Gleiche, Allgemeine zeigt) in einem Kreislauf entdecken konnte.

In der Geburt Christi, der ultimativen Selbstoffenbarung Gottes, wurde endgültig klar, daß Gott Person (und Geschichtsträger) ist - und daß DESHALB der Mensch Person (Selbstträger in der Vernunft, der Wahrheit, als wikliche wie wirklichende Gestalt!) ist, und nicht im Allgemeinen aufgeht, im Gegenteil, sich aus dem Allgemeinen herausheben muß (weil das Allgemeine des Menschen der Ruf zum Individuellen ist), in der Sittlichkeit, im Hineinsterben in dieses Individuelle, das nur dann geboren werden kann, weil es erst dann Gottes Kraft selbst die Tür zur Welt öffnet, frei wird zur Aushauchung Gottes, die im Zurückhauchen (Geist = spiritus = spirare = atmen, hauchen, als Metapher zu verstehen, als Bild, nicht als Geschehen selbst, wie es manche Religionen fehldeuten) als Geist in der Welt bleibt.

So wird die zentrale Stellung als allgemeine Wirklichkeit der Welt und Schöpfung in der Gottesmutter Maria deutlich, die nicht selten direkt über dem Tabernakel dargestellt wird. Denn aus ihrer Leibeshöhle - Gott im freipersonalen Akt höchstmöglicher menschlicher Sittlichkeit (weil erbsündefrei) zur Verfügung gestellt in ihrem FIAT "Mir geschehe, wie Du es gesagt hast, nach Deinem Wort" - ersteht jene Wirklichkeit, jenes absolute Leben, aus dem alles wird, wenn es der Mensch, dieses zerbrechliche Gefäß, ergreift. Im weiten Mantel, der die Verwobenheit der Welt symbolisiert, die zum Einen geführt wird, sich über jenes Eine stülpt, aus dem Alles wird. Während sie das göttliche Kind am Schooß trägt, das die Weltkugel in der Hand hält.

Nur, wenn man den Muttertag solcherart transzendiert (und gerade erst dann wird er von der Personswürde der realen Mutter nicht trennbar, wird Ihr Leben frei gebender Dienst zum Heiligen Dienst), wird er vom heidnischen Aberglauben zum Fest des Lebens weil der Wirklichkeit. So ist die Mutterschaft dann zu ehren, als Selbstüberschreitung ins Allgemeine-Ewige des Lebens selbst, das sich zeugend im Geist herabsenkt, und im wechselseitig atmenden Kuß der Liebe in der Welt bleibt.

Damit wird auch die Analogie Mutter - Volk - Muttersprache (Sprache als Raum des Geistes) deutlich. Wie die Mutter, ist das Volk, ist die Sprache jener Ort des Allgemeinen, aus dem sich das Individuelle erst erheben kann, wenn der Einzelne sich dorthinein transzendiert. Dem Staat - Vater - Haus (Familie) gegenübersteht, die im Namen das Allgemeine (materia) zum Besonderen, Individuellen rufen.


Gnadenbild Mariazell; mit Mantel


Die darunter befindliche eigentliche Gnadenstatue


Mariazell Hauptaltar - eine Grabstätte, eine Tombe




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