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Freitag, 29. Mai 2015

Es fehlen nur ZEHN SEKUNDEN (1)

Was trägt die auf drei Teile ausgewalzte Gschichte, die mit "Bourne Identity" beginnt? Woran erkennt man, daß sie ursprünglich nicht auf drei Teile ausgelegt war? Denn daß man so gar nicht wußte, was man tat, will der VdZ einmal nicht annehmen, auch wenn es nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

Matt Damon
Es ist die Liebesgeschichte, die - und das ist das vielleicht für Sie, geneigter Leser, vielleicht Überraschende - zwischen Jason Bourne und der Sekretärin von Treadstone, Nicolette Parsons (Julia Stiles) gezeichnet ist. Nicht einmal also die sehr schöne Liebesgeschichte zwischen Bourne und Marie Helena Kreutz, die von Franka Potente so großartig dargestellt wird. In beiden Fällen also: Liebesgeschichten. Die gesamte Geheimdienstgeschichte ist schlichtes Beiwerk. 

Daß diese Sekretärin, die nur scheinbar (in Minuten fälschlich qualifiziert) eine Nebenrolle ist, im dritten Teil wieder auftaucht, einfügbar ist, ist also nicht nur Zufall, es ist ein den Verfassern des Drehbuches womöglich nicht einmal bewußtes Wiederaufgreifen des eigentlichen dramaturgischen Grundkonfliktes der gesamten (so erfolgreichen) Trilogie.

Man kann im ersten Teil schon mühelos nachweisen, daß der gesamte Plot nur davon getragen wird. Nur er ermöglichte das Anfügen weiterer Teile, wird aber - weil dieses Element gar nicht bewußt war - immer schwächer. Der Zuschauer, der die Bourne-Trilogie schaut, mag es meist gar nicht bewußt sein. Aber er will eine Liebesgeschichte sehen, die sich hinter dem Zufälligen der Geheimdienstgeschichte und Identitätsfindung verbirgt. Und genauso nicht zufällig findet Jason Bourne (Matt Damon in seiner vielleicht sympathischesten Rolle bisher, und nur deshalb empfindet an sie als sympathisch) seine Identität in der Liebe. Dazu muß er sich auch von Marie befreien.

Franka Potente
Wäre das den Verfassern der Drehbüchern klarer gewesen, nicht - möglicherweise - erst beim dritten Teil klarer GEWORDEN, hätte man den Film noch um einen deutlichen Sprung zugfähiger und damit sogar spannender machen können. Und nur weil diese Zentralgeschichte DOCH vorhanden ist, um die der Zuschauer eigentlich gar nichts weiß, trägt der Film sogar in dieser Form, weil viele andere Faktoren - nicht erlöste, aber ontologisch aufgerichtete Bögen - die rein faktische Aufmerksamkeit (Spannung als Bindung der Aufmerksamkeit als Steuerung des Interesses, als Wille, einer Wirklichkeit teilhaftig zu werden, sie also zu aktivieren, wirksam, wirklich zu machen) mittragen.

Was also im Zuschauer an der Darstellung erlebt wird ist Liebe. Und deren Gefährdung, als Gefärdung eines als möglich Erkannten, begründet die Angst ums Gelingen. Spannung entsteht, wenn der Zuschauer eine Wirklichkeit IN SICH - als damit, im Außen real, OBJEKTIV WIRKLICH - möchte, es aber nicht erreicht werden könnte.

Joan Allen
Das macht das "Spannende" an diesem Film aus. Denn der Zuschauer fürchtet, daß die Liebe nicht zur Darstellung kommt, also nicht wirklich wird - und im Betrachten in ihm, um ihn selbst (als eigene!) zu erfüllen. Dieser Macht, sein Schicksal zu bestimmen, im Erleben, im Wirklichwerden, und nur das ist Schicksal, liefert sich jeder Seher eines Films ja aus: Indem er die Gefährung erlebt, wird etwas deshalb wirklich, weil es vor dem Nichts (dem "Nicht-werden") erst für sich erlebbar und wirklich wird weil ALS WIRKLICHKEIT vor ihm steht. Er muß nur noch beitreten.

Selbst in jeder Teilspannung - kurze oder sogar kürzeste Handlungsbögen und Situationen - wirkt dasselbe Prinzip.

Damit ist auch klar, daß es eine Hierarchie der Wirklichkeiten gibt, was sich im sogar landläufig erkannten Zuschauerverhalten ausdrückt, wenn man sagt: Liebesgeschichten "ziehen" am meisten. Denn das erste ist die Liebe, aus der Welt wurde, bleibt, und wird. Ja, genau genommen, geht es immer um sie. In diesem Fall: Die Geschichte um die Aufdeckung von "Treadstone", die "theoretisch" die Funktion des Spannungsträgers erfüllen soll, ist völlig uninteressant. Der Zuschauer kennt sie noch dazu von Beginn an.


Morgen Teil 2) Das hätte man weit besser machen können




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