Ohne die Frage nach dem Warum würde
 der Mensch auf die Stufe des Tieres herabsinken, und sinkt in Wahrheit 
unter diese, weil ihm die Instinktsicherheit der Tiere fehlt, die diese 
Frage eben nicht stellen können - und nur aus ihrer Beantwortung heraus 
handeln können. Es wäre die ultimative Tragödie, wenn der Mensch sich 
wirklich einreden würde, diese Frage nach dem Warum nicht mehr zu 
stellen. Umgekehrt ist die Frage nach dem Sinn nicht vortäuschbar, man 
kann Sinn nicht willkürlich definieren, um, so man es halt braucht, Halt
 im Leben zu gewinnen. Nur aus dem Glauben daran, daß es objektiven, ihm
 vorauseilenden, ihn umfassenden Sinn gibt, kann der Mensch überhaupt 
leben.
Die
 Frage nach Glück und dem guten Leben, nach Moral, ist mit materialen 
Zwecken nicht beantwortbar. Das Böse und das Gute sind Kategorien, die 
sich innerweltlich nicht beantworten lassen, und mit physischer 
Wohlfahrt nicht identisch sind. Wer das glaubt, hört nur zu früh zu 
fragen auf. Denn die Struktur der Welt ist Vernunft, diese Feststellung 
ist die Basis jedes Lebens und jedes Menschen. Also muß das Sprechen 
darüber logisch kohärent bleiben, will man über Welt und Gott sprechen. 
Und die Verfaßtheit jedes Menschen beweist, daß kein Mensch ohne 
logische Kohärenz auskommen kann - der Mensch zerfällt, wenn er keine 
logischen Antworten findet (die im letzten in einem Glauben an ein 
Absolutes aufruhen). Außerhalb von ihr über die Welt sprechen zu wollen 
ist ga rnicht möglich: Kein Gespräch könnte geführt werden, wenn es 
nicht eine über die Gesprächspartner hinausgehende, nein, diesen 
vorausgehende Sphäre der Vernunft gäbe. Gespräch, Disput ist also nur 
ein Disput über den Zugang zu dieser Vernunft.
Und
 dieser Zugang ist nur in der Liebe möglich: das heißt, in einem 
personalen Verhalten zur Vernunft ALS persönliche Reaktion, an der man 
dann teilhaben kann (die man aber nicht zwingen kann), die also in sich 
steht - Person IST.  
Jeder
 Mensch sieht sich dieser allem zugrunde liegenden Vernunft somit als DU
 gegenüber. Nur über ein persönliches Verhältnis läßt sich zur Vernunft 
überhaupt ein Zugang aufbauen - jeder Mensch kennt die Erfahrung, daß 
sich Vernünftigkeit durch persönliche Haltung verhindern oder verweigern
 läßt. Und das heißt selbst schon: Bezug zu einer rationalen, logischen 
Weltstruktur, das Ausspannen jedes weltlichen Vorgangs und jeder 
Tatsächlichkeit auf diese außerhalb eines selbst stehende Vernunft hin -
 man kann Vernunft also nur "annehmen", wie es die Sprache auch richtig 
kennt.
Ja,
 dieses Du geht dem Ich sogar voraus, das Ich empfängt sich daraus, und 
aktualisiert sich in der Bereitschaft zur Vernunft aus der Vernunft 
heraus. Das zuerst nämlich ein "ich bin es" ist, als Aufruf von einem Du
 her. Dem freilich damit auch ein bereits bestehendes Ich vorausgehen 
muß, sonst könnte sich der Mensch ja gar nicht angesprochen fühlen - der
 Anruf konstituiert, schafft also nicht das Ich, er aktuiert es nur, wie
 Guardini sagt. Die Entwicklung der Vernunftfähigkeit bei Kindern 
demonstriert dies beeindruckend.*
Könnte
 das aber dann nicht ein Computer auch erfüllen? Ein Computer, der diese
 Eigenschaften hätte, die wir als Grundlage der Welt erfahren, wäre nur 
ein anderes Wort für - Gott. Wissenschaft kann keine Moral definieren, 
denn sie ist relativ, historisch relativ, und deshalb wandert ihre Moral
 mit dem Zeitempfinden. Selbst die KZs waren wissenschaftlich in "objektiver Notwendigkeit"
 fundiert, genauso wie es die Sklaverei war - gerade jene Verbrechen, 
die im Namen der Wissenschaft, der je historischen "objektiven 
Notwendigkeit" durchgeführt wurden, sind die schlimmsten gewesen. 
Rationalität (und eine Wissenschaft hat nur Rationalität, ja das ist ihr
 Prinzip) reicht eben nicht aus, und sie ist auch nicht Vernunft, die 
diese persönliche Dimension hat, wenn sie auch in sich rational ist. 
Was
 wir heute als unethisch empfinden (und damit absolut setzen), war vor 
200 Jahren oder ist sogar heute noch auf anderen Kontinenten oft 
keineswegs als unethisch definiert. Eine wirkliche Verankerung von Ethik
 läßt sich nur darauf gründen, daß die menschliche Würde gleichermaßen 
ins Absolute verlängert wird,. also selbst absolut wird. Was dann die 
absoluten Kriterien dieser Würde sind - läßt sich nur aus Gott 
definieren. 
Nur
 aus diesem Verhältnis zur Vernunft, zur Wahrheit, läßt sich auch das 
Böse, das Leid verstehen. Das NICHT aus dem Mangel an absoluter Vernunft
 entstammt, 
sondern nur in eine Sinnfrage eingebettet werden kann, die selbst 
wiederum mit dem Verhältnis zur absoluten Vernunft direkt zu tun hat. 
Leid setzt im Letzten nämlich in der verweigerten Vernunfthaltung des 
Menschen an, in welche auch die gesamte übrige Welt mit hineingezogen 
wurde, und die von Generation zu Generation weitergegeben wird - weil 
der Mensch eben frei ist, aber sich zur Vernunft immer neu, in jedem 
neugeborenen Menschen neu aufrichten muß, ohne aber der Welt entfliehen 
zu können.
Morgen Teil 2) Die Frage nach der Wahrheit der Religion 
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