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Freitag, 26. Juni 2015

Nachtgespräch im Taxi

Es war ein netter, sympathischer Mann in den Mittdreißigern, der das Taxi lenkte, in das V gegen halb drei einstieg. Und er sprach ausgezeichnetes, nur mit leichtem Akzent beschlagenes Deutsch. Kinzerplatz? Ja, Hoßplatz, rechts, oder von der Alten Donau hinauf. Das kannte er. Ob die Nacht gut sei fürs Geschäft? Man kam ins Gespräch. Flau im Moment, am Abend sei es noch sehr gut gewesen, jetzt aber sehr schwach. Wie lange er schon Taxi fahre? Vier Jahre. Aber er mache es nur zur Überbrückung. Welche Überbrückung? Er sei Tischler, und mache seit Jahren die Meisterschule. Der Kurs beginne aber jeweils zu Jahresanfang, mit dem nächsten aber werde er den Meister abschließen. So lange fahre er eben Taxi.

Wo er her sei? Aus Kapadokien, ob V das kenne? Er wisse, wo es liege, sagte V. Ob er Kinder habe? Ja, zwei, eine 7jährige Tochter, einen 3jährigen Sohn, bereits hier geboren. Wie die hießen? Narja das Mädchen, Amid der Sohn. Was er weiter vorhabe? Er sei sich nicht sicher, aber er tendiere dazu, nach der Ausbildung wieder in die Türkei zurückzugehen. Was er zu einem EU-Beitritt der Türkei sage? Er lehne ihn ab, das sei unvereinbar. Europa sei christlich, und die Türkei muslimisch, das gehe nicht zusammen.

Einige Minuten herrschte Schweigen, er kannte den Weg nun gut. Als sie zur Alten Donau einbogen, fragte V: Sagen Sie, was würden Sie sagen, wenn ihre Tochter einen Christen heiraten wollte? Sofort kam die Antwort. Das würde er nicht zulassen. Schweigen. Als sie angekommen waren, drehte er sich um. Was würden Sie sagen, wenn ihre Tochter einen Muslim heiraten wollte? V mußte nicht lange nachdenken. Ich würde es zu verhindern suchen, aber ich rechne mir keine Chance aus, es verhindern zu können.

Eigentlich verstanden sie einander gut, sogar sehr gut, der Türke und der Wiener. Als hätten sie im Grunde die gleichen Haltungen, auch ihrer Religion gegenüber, und respektierten einander eben deshalb. Sie sahen den selben unüberbrückbaren Abstand, und genau diese Vernunft einte sie. V zahlte, wobei er großzügig aufrundete, stieg aus. Das Taxi fuhr weiter. Solche Leute kann man zu Freunden haben, dachte V. Die sich alle zwei Jahre besuchen. In Wien, in Kapadokien.




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