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Dienstag, 9. Juni 2015

Tatsächlich an einem Wendepunkt

In gewisser Weise befinden wir uns tatsächlich an einer historischen Schwelle. Denn was wir derzeit erleben, nur weiß es noch keiner, ist das Scheitern der seit der Renaissance immer feiner ausgearbeiteten Ansicht, Systeme wären steuerbar. Dies geschah, indem man mehr und mehr Abstrakta für konkrete Dinge setzte. Der Mensch ist seiner Art der Anschauung auf den leim gegangen. Denn der Mensch kann nur bildlich-konkret schauen. In den Abstrakta ist eine Spannung notwendig, die enorme Disziplin erfordert, die mit der Zeit aber einbricht.

Das wird auch bei dem durchaus hörenswerten Gespräch am Video deutlich, das die derzeitige Wirtschaftslage Europas zum Inhalt hat, und manches Interessante auf den Tisch legt. Die Politik erlebt derzeit ein Scheitern ihrer Ansätze, aus denen sie überhaupt entstanden ist. Sie vermag nur noch den Bluff ins Totale zu ziehen: Indem sie zum einen die Kriterien festlegt, nach denen angeblich ein Volk, ein Staat, eine Volkswirtschaft, die Wohlfahrt qualifizierbar wäre. Und dann geht sie daran, nur und exakt diese Parameter zu beeinflussen. Indem sie nahezu blind und enorm widerspruchsvoll um sich schlägt, um diese Parameter, an denen sie dann ihren Erfolg nachzuweisen sucht, zu erreiche. Zu "tunen", so könnte man das sagen.

Aber das Ganze gerät völlig außer Kontrolle, ist zunehmend nicht einmal mehr in teilgelähmten Systemausschnitten erreichbar, vortäuschbar, und geht derart eigene Wege, daß wir in gewiß (!) nicht langer Zeit vor einer (für die Politik) völlig überraschenden, "unvorhersehbaren" Situation stehen werden. Nur sieht es noch kaum jemand. Man hat (überall) zu hoch gegriffen, und erlebt nun ein Scheitern, gegen das man sich mit immer uferloseren Maßnahmen, mit fast panischer Tagespolitik, zu wehren versucht. Das geht nur durch immer phantastischere Verschuldungsmethoden.

Aber diese Ziele sind prinzipiell nie erreichbar gewesen, seit je. Nur war immer noch die Eigenkraft der Menschen und menschlichen Teilsysteme höher. Aber mittlerweile stößt auch diese an ihre Grenzen. "Ganz Europa wird vor sich hin siechen," prognostiziert Thomas Mayer. Das ist auch die Einschätzung des VdZ. Es braucht tatsächlich ein Innehalten und Besinnen. Denn es müssen die Ziele und Möglichkeiten der Politik überhaupt neu reflektiert werden. In jedem Fall muß und wird es heißen: Zurück zu einer schöpferischen Politik.

"Das Wort Alternativlosigkeit dürfte niemals von der Politik verwendet werden," sagt Mayer. Politik heißt doch genau das Gegenteil. Es heißt Wege zu definieren, und damit zu schaffen. Nicht Abläufe nur nachzuvollziehen oder zu perfektionieren, als sei das System seit je sakrosankt, heilig, unveränderbar. Es ist immer von uns, vom Menschen geschaffen! Wir haben es nicht und niemals in der Politik mit kosmisch hereinbrechenden Unausweichlichkeiten zu tun. Politik heißt NUR - gestalten. Sonst ist es keine Politik, und niemand braucht sie. (Das ist der wahre Hintergrund der Separationsbewegungen in ganz Europa, die die notwendige - hier ist das Wort angebracht - Reaktion auf geistige Leere sind.)

Aber dazu müßten die Prinzipien des Schöpferischen neu erfaßt werden. Und dazu müßte enorm viel losgelassen werden, an das man sich heute panisch klammert. Mayer spricht übrigens einen guten Satz aus: "Geld heißt immer: Schulden. Geldmenge heißt immer: Schulden." Denn es ist ein Leistungsversprechen bzw. -anspruch, der auf seine Erfüllung wartet.

Deshalb stimmt prinzipiell, was er sagt, auch wenn sich im Konkreten nicht viel ändert: Daß Geld einen Vermögenswert zu repräsentieren hätte, nicht eine Schuld. Das ist die überraschende Facette der Rückbindung von Geld an Gold, mit aller Vorsicht, wie gesagt. Auch Gold ist nicht absolut. Und Sachvermögen generell ist sehr (!) relativ, das vergessen die Goldfanaten gerne, was sie meist zu dümmlichen Nebelschwingern macht, die nur eine black box gegen eine andere vertauschen. Sachvermögen hängt nicht weniger als das bedruckte Papier an der menschlichen Weltbewältigung und -leistung. Ohne diese, gibt es auch kein "Sachvermögen". Auch kein Immobilienvermögen, kein Goldvermögen. Und "Gottes-Geld" gibt es nicht. Geld ist ein Humanum. Nicht mehr, aber auch nicht (!) weniger.

Die Aussage Mayers, daß die "Reichen" von der Krise weit weniger betroffen wären, als Mittelstand und untere Schichten, hängt genau daran. Denn wenn er sagt, daß die Reichen wewit mehr ZUgang zu Krediten haben, also zu Geldschöpfung, als die anderen, so berührt es genau das. Weshalb jede Sozialstaatspolitik eine Lüge in den eigenen Sack ist, aber was für eine Lüge! Sie produziert (!) jene Armen, denen zu helfen sie vorgibt. Denn jene Schichten, die NUR ihre Leistung haben, und nicht die abstrakten Ableitungen und Derivate, sind natürlich IMMER die, die in persona jede Zeche abstrakter Politik bezahlen.

Aber sind es wirklich nur die? Das ist nämlich bereits an ein bestimmtes Menschenbild gebunden. Wenn man den Menschen aber in seiner Dimension als Persönlichkeit begreift, sind es ontologisch sehr wohl auch die Wohlhabenden - zumindest prinzipiell - die ihre (relativen) Geld-Werte verlieren, und DAMIT ihren Lebensvollzug. Nur zahlen sie vielleicht nicht mit Schweißperlen. Aber sie bezahlen mit Lebensgestalt.

Denn unser Denken ist längst so verworren weil nicht mehr im Sein angekoppelt, von Ideologien und wirren Gedankenbildern korrumpiert, daß wir einen Menschen an absoluter Geldmenge und quantifizierbarer Güterkonsumtion bemessen. Aber darum geht es überhaupt nicht. Vermögen, Reichtum korreliert immer - zumindest auf Dauer - mit Persönlichkeit. Und DIE ist der Punkt des Andockens an die Gerechtigkeit, die nur als Ordnung der Ideen Gottes vorstellbar und denkbar ist, und in der Persönlichkeit sich wirklicht, zur Welt wird. Der "Reiche", der "nur" einen bestimmten Lebensführungsaufwand beschränken muß (und immer noch nicht bildlich hungert) in Zusammenhang mit Persönlichkeit und Auftrag gesehen, verliert unter Umständen, und im Insgesamt der Welt als Lobpreis Gottes (!), weit mehr, ja Gott wird damit vielleicht weit mehr der Lob vorenthalten, wenn er keinen Butler mehr hat und keine Goldborte in seiner Hauskapelle erneuern kann und keinen (von Menschen) handgefertigen Bentley mehr fahren kann (oder, noch schlimmer: will), als der Arme, der nun trockenes Brot essen muß, weil er sich die Margarine nach den letzten Lohnkürzungen auch nicht mehr leisten kann.

Aber sagen Sie das einem Heutigen ... Und sagen sie das einem verrückten Papst. Wissen Sie, geneigter leser, was vermutlich das Schlimmste am ehemals kommunistischen Ostblock ist, das der VdZ, der immerhin seit mehr als sieben Jahren dort wohnt, festgestellt hat? Es gibt keine Menschen mehr, die noch wirklich humane, große Leistung erbringen können. Das beginnt bei der simpelsten Wursttheke. Es gibt schon gar keine guten Handwerker mehr. Nur noch Menschen, die tagtäglich irgendeine zählbare "Leistung" abdrücken, um ihr Geld zu generieren. Was unterscheidet sie von den (tatsächlich) dummen Neureichen, die auch nur Geld generieren wollen? Die Menge?







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