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Samstag, 12. Juni 2021

Gedankensplitter 1165a (Einer von den ganz Wichtigen!)

Es ist ERST das Allgemeine, dann das Individuelle, das die Gestalten der Welt konstituiert. Zwar ist eines ohne das andere undenkbar, und zwar wird ein Ding (=Seiendes) erst und nur durch das Einplatzen des Einzelnen in die Umgebung, an den Ort sohin, weil darin die Beziehungen bereits vordefiniert sind, denen der Einzelne beigestellt ist (was ja sein soziales Wesen ausmacht).

ber es ist das Allgemeine, auf das hin sich das Einzelne transzendieren muß, um DADURCH - DADURCH! - zu leben. Was heißt: Die Selbsttranszendenz zu vollziehen! So wie die Freiheit, gibt es nämlich auch das Leben nur im Vollzug. Was aufhört, sich zu transzendieren, stirbt. Meist, nachdem es zuvor eine Zeit lang krank geworden ist.

Das heißt, daß ZUERST das MANNSEIN oder das FRAUSEIN besteht, das aber dann nur im Individuellen existiert. Als Hans oder Friederike, als Bertram oder als s'Nießerl. Und es ist somit auch zuerst der Familienname, als das Haus dem man zugehört, und dann das Einzelne und der Vorname.* (Siehe morgen.)

ber nicht anders ist es im Stand, der sich vor allem als Beruf äußert. Sodaß der Beruf dem Stand vorausgeht! Aber es ist höchstes Lebensziel (sagen wir) eines Tischlers, sein ganzes Leben diesem Tun zu öffnen, sodaß er sich mehr und mehr ALS Tischler seinem Selbst (als außen sichtbarer, in gewissem Sinn konstruierter und konstruierbarer, in noch prägenderem Sinn aber als vorausgegebene und durch die Institutionalisierung zur unsagbar wertvollen Lebenshilfe gewordene Identitätshülle) einschmiegt bzw. das Außen diesem inneren Tischlersein anpaßt. Wie ein Anzug, der nicht das geringste Lufträumchen übrigläßt, sodaß alles einen Umgebende zur Persönlichkeit gehört: Durchdrungen, besessen, bewahrt wie beherrscht, also dem Willen und damit der Effizienz der Zielerreichung dienstbar.

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Eigentlich ist es erschütternd, wirklich erschütternd: Wenn man nämlich einmal begriffen (weil durchs Leben erfahren) hat, wie groß die Unterschiede im Gebrauch der Sprache INNERHALB der deutschen Völker ist, kann man nur noch den Kopf schütteln, wie jemand ernsthaft auf den Gedanken kommen kann, von EINEM DEUTSCHEN VOLK zu sprechen. Sagt man nicht völlig zurecht, daß das, was die Österreicher und die Deutschen trennt, die gemeinsame Sprache ist?

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Haben wir damit nicht sehr zu unserem Leide vergessen, wie schwer es ist, sich in wichtigsten Angelegenheiten, wo die Sprache um Wohl und Wehe entscheidet, wie in der Liebe, in Vereinbarungen, im Handel, in der Literatur als geistigem Raum, also im Denken überhaupt, in allen diesen fürs Leben grundlegendsten Bereichen also mit einer fundamentalen Verstehensdifferenz ausgestattet sind?

Man wußte früher noch um den Weißwurschtäquator, man weiß noch heute um den Arlberg, um Täler und Flüsse, ja selbst Straßen als Sprach- und Sprech- und damit Denkensscheide, wie sie auch heute noch in kleinsten dörflichen Räumen anzutreffen sind. "Unten" und "oben" sind am häufigsten anzutreffen, und findet sich auch in den Namensgebungen für den engeren Siedlungsraum als "Ober-/Unter-Schondorf", selbst wenn das keine offizielle Landkarte ausweist.

as sind Kulturunterschiede, will man überhaupt dem Begriff Sinn geben. Und sie sind nur hier kleiner, dort aber größer. Und die Schwierigkeit eines Wieners, als Süddeutschem sozusagen (wobei die Unterschiede zwischen dem Österreicher und dem Bayern noch viel größer sind als es die fast gleiche Dialektvariante ausdrücken könnte) sich mit einer (sagen wir) Westfälin so zu verständigen, daß ihre Liebe problemlos eine Gestalt in der Welt fände, sind überwältigend groß. Wenn man einmal diese Problematik erkannt hat.

ie doch, bitte, auch in kleinsten, allerkleinsten Räumen besteht! Sollten wir nicht alle, wirklich alle dringendst darüber nachdenken, wieviel an Unverständnis mit dem Allernächsten, selbst der Mutter, dem Onkel, dem Bruder, aus einer "anderen Sprache" stammen? Wo doch sogar jeder Berufsraum eine "eigene Sprache" hat?

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Zählt man die Fachsprachen, wie sie in der uns immer noch gegenwärtigen "Jägersprache", der sogenannten "Gaunersprache", oder dem "Seemannsplatt" lebendig geblieben sind, kommt man schier an gar kein Ende! Und es gab auch Zeiten, in denen hat man sich in den Schulen genau damit auseinandergesetzt, und so eine Problematik angerissen, die unser Leben unendlich mehr bestimmt, als uns noch gewahr ist.

Was eine immense Gefahr ist, weil so die eine Individualisierung erst ausmachenden Unterschiede unter uns allen (!) ins Chthonische, ins Unterirdische sozusagen abgedrängt werden. Und dort einerseits verharren, anderseits aber "nach außen schieben" und somit unserem wahren Selbstsein in der Welt eine irrationale, uns nicht bewußte, von unserem bewußten Denken und Sprechen aber verschiedene Richtung geben.

Morgen Teil 2) Der Andere, der Fremde, der Bruder, der Kollege