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Freitag, 25. Juni 2021

Im Alter immer wirrer

Es ist seltsam einem Josef Hader in der Zeitung zu begegnen der verkündet, das allgemeine Klima würde immer irrer und bewege sich von der Vernunft weg. Wenn man gleichzeitig feststellt, daß der Kabarettist (den der VdZ vom frühesten Beginn seiner Karriere an kennt) in den letzten zehn Jahren immer (dürfen wir es so sagen?) dümmer, seichter und irrer, auf keinen Fall aber reifer in den von ihm kolportierten Ansichten wird. 

QR Interview Hader
Das einzige, was dabei objektiv stimmt ist, daß sich öffentlicher und eigener Standort immer weiter entfernen, wie immer man sich da auch festmachen möchte. Aber vermutlich wird Hader die Sichtweisen, die sich hier im Blog zeigen, als unvernünftig klassifizieren, während wir ihm in seinem dasselbe Etikett anhängen. Wer liegt nun richtig? Beide sagen immerhin dasselbe: Vernunft und öffentliches Klima entfernen sich immer weiter voneinander.

Was bei Hader zu beobachten war, ist, daß er sich immer tiefer in "weiche" Themen verbeißt. Und aus so manchen seiner Aussagen ließe sich schließen, daß er Teil einer Erscheinung ist, die der VdZ so beobachtet, daß sie sich still und leise wie in einem Flächenbrand ausgebreitet hat. 

Das ist eine Art des seelischen Sezierens der anderen (sic!), wie man es in der Sozio-Psychologie eines Michel Foucault findet. Und in der unter ungemein selbstsicherem (um nicht zu sagen: überheblichem) Bezug auf Evolution und Entwicklung als "der totale Durchblick", als Erklärschlüssel, in dem sich alles als im Kampf ums Überleben, im Kampf um die höhere als mächtigere Position deutet. Dem man selbst natürlich auch da und dort erlegen ist, klar, aber man will es denn doch nicht so sehr (wie andere).

Parallel zum Verlust des Männlichen als die Selbstüberschreitung ins Ungewisse, die Stärke, Mut und Todesbereitschaft verlangt und insofern tatsächlich "männlich" ist (als Gesolltes, als Schlüssel zur Ich-Werdung, nämlich über das Du), steigt natürlich die Empfindlichkeit. Auch Hader konstatiert das ja bei sich - er würde mit dem Alter empfindlicher, sagt er in einem Interview in der Kronen Zeitung zum Beginn seiner nächsten Bühnentournee. Ja, das muß mit Haltungen so sein, die diese Sichtweisen an den Tag fördern. Die selbst aber nicht der philosophischen Logik ersteigen. Das ist nur Schein, und ein Zirkelschluß. Sondern wo umgekehrt jene Philosophie ergriffen wird, die der persönlich immer mehr etablierten Haltung der Nachlässigkeit, Feigheit, Trägheit angepaßt ist. Und deren Quintessenz die moralische Entwertung des anderen ist, der nicht dieser Weichheit gefolgt ist. Der sich somit nun als "überlegen" darstellt, weil mehr Persönlichkeit aufgebaut hat. 

Foucault (als Homosexueller mit einem katholischen Gewissen) beugt da vor. Denn nun würde sein Versäumnis sichtbar. Also muß er seine Versagenskriterien zu solchen der überlegenen Moral stilisieren, während der andere, der (objektiv und im sittlichen Sinn) Stärkere der Böse wird. Der Macht über die Welt will, der einen deshalb auch zu übertrumpfen sucht.

Hader spricht also gar nicht so zufällig vom "Altern", das er mit seinen 59 Jahren (richtig, dasselbe Alter wie der VdZ) als eigenen Problemkreis entdeckt habe, weil es eine Rolle zu spielen beginnt. Was man mit diesem Alter auf jeden Fall feststellt.

Und es überrascht einen, man rechnet nicht damit, daß es etwa mit Mitte 50 nicht mehr so weitergeht wie zuvor, daß man sich von Ausreißern nicht mehr wie früher regeneriert, sondern auf dem abgesenkten Stand bleibt, und immer mehr Mühe hat, sich wieder zu dem Stand hochzuarbeiten, von dem man ausgegangen ist, was immer weniger gelingt, sprich: man baut immer mehr ab. Wehwehchen stellen sich ein, bei denen es aber nicht bleibt. Denn manche schlimmere Krankheit ist nun auch schon darunter, die man erst noch bekämpfen kann, aber auch hier zeigt sich zunehmend mehr das Ende an, richtig: Der Tod. Im Leistungsverfall. In einer Entwicklung, deren Tangenten, legt man sie an, über kurz oder lang das Lebensende bedeuten werden. Das stellt man sogar mit zunehmender Gewißheit fest. 

Haben wir zu Beginn dieser Ausführungen aber von dieser sich immer weiter spreitzenden Schere gesprochen (von Vernunft und Öffentlichkeit, mit den erwähnten diametralen Standpunkten) dann macht sich das bei Hader auch in anderen Hinsichten bemerkbar. Wenn er nämlich nicht nur nicht aufhören kann, wie es aussieht, von Problemen in Schule und Jugend zu sprechen, sondern wenn er sogar den Eindruck erweckt, als würde diese Thematik immer massiver und wichtiger. Als 59jähriger spricht Hader, der doch mit 40 Bühnenjahren auch 40 Jahre Psychotherapie (gewissermaßen) hinter sich gebracht haben sollte, die künstlerische Tätigkeit generell, besonders aber in solchen Gewerben bedeutet, nämlich noch immer von den schröcklichen Schulerfahrungen des Mobbings, die ihm angeblich widerfahren sind.

Wozu einem glatt das Stichwort von der "therapierten Erinnerung" einfällt, in dem sich aussagt, daß es eine Art des Umgangs mit Erinnerungen gibt, die nicht nur keine Aufarbeitung weil Bewältigung ist, sondern das Problem in einer hübsch gestalteten, schmeichelhaften Selbstdramatisierung immer mehr in eine Blase der Zweitwirklichkeit hebt. In der es von Jahr zu Jahr mehr gepflegt, genährt und gehätschelt wird, und zu immer monströseren Ausmaßen anwächst. Sodaß man sich sogar an Dinge "erinnert", die dem Problemkreis entsprechen, in den man sich als "eigenen" verliebt hat, und wo im Extremfall sogar Dinge, ja traumatische Erfahrungen auftauchen, die großartig und überwältigend (schlimm) sind, sodaß einem das reiche Repertoire gesellschaftlichen Trostes widerfährt. Die nur einen Haken haben: Sie sind nicht wahr. Sie stimmen nicht. Sie haben sich nie so zugetragen. Weil aber andere sich in der Regel an eigene Traumata nicht so gut erinnern können wie man selbst, fehlt auch jedes Korrektiv. Bis man völlig überzeugt ist von der eigenen Schädigung, die in der Regel andere einem zugefügt haben. 

(Wenn hier der Hinweis auf Elisabeth Loftus, "Die therapierte Erinnerung" als Beleg zu finden ist, dann als Beleg dafür, daß der VdZ sich nicht irgendetwas einbildet, das der sogenannten Fachwelt völlig unbekannt ist. Es ist ihr bekannt, daß insbesonders Kindheitserinnerungen eine nicht ganz unproblematische Sache sind, wenn man sie etwa zu therapeutischen Zwecken problematisiert.)

Aber hat Hader da nichts gelernt, nichts überwunden? Was ist da los, daß das mit den Jahren nicht nur nicht abnimmt, sondern offenbar an Schärfe noch zulegt. (Früher hat man es ihm ja noch irgendwie abgenommen, und solche Erfahrungen sind ja nicht selten, werden aber doch mit den Jahren in gewisse Bäder des augenzwinkernden Charmes abgetäuft.) 


*230621*