In dieser Frage aber liegt die Antwort eines gelungenen - oder gescheiterten Lebens verborgen. Und die Erklärung für die Tatsache, daß die heutigen Leben fast sämtlich scheitern, und noch dazu von Angst beschattet werden. Denn beides hängt zusammen. Die Angst, die noch dazu das Merkmal zeitigt, zu Entscheidungen auf "Veränderungen" zu drängen, obwohl diese gar nicht anstehen, ist eine Folge der Entsittlichung. Und werben nicht die Politischen Kräfte genau damit? Mit der Macht der Veränderung? Und locken damit nicht auch die Bewegungen des Revolutionären? Mit der Autorisierung des Einzelnen zu einer unerfüllbaren Macht Dinge zu verändern, die gar nicht in dessen Wesenskreis stehen?
Und mangelt es nicht an jener Antwort an die Gegenwart, die ihr Kriterium wäre, aber in seiner läuternden Qualität das Schöpferische nur unter jener sittlichen Kraft gebären könnte, die sich Geduld und ausharrende Treue nennt?
Vielleicht kann man die eine These sogar für alles und jedes heranziehen, denn sie ist eine Zeitqualität, die wie ein Fraktale alles durchzieht. In der es heißt:
***
Postsonatimes, geeignet zum zeitvertreiblichen Spiele, während die Damen des Publikums auf die Garderobe warten: Mir ist bewußt, was das in diesen Zeiten für einen Sturm der Entrüstung auslösen würde, würde es in breiterem Rahmen der Öffentlichkeit vorgestellt werden, als diese paar hundert täglichen Leser sind, die noch dazu meist grosso modo der hier vorgestellten Gedanken ohnehin gewogen ist und sich im Wesentlichen zumindest zustimmend verhält)
ber erlauben Sie mir, werter Leser, das was Doderer als den eigentlichen Moment des Schriftstellers als Künstler darstellt - ein "Sich-voraus-sein". Als Ausspannen in eine Ahndung, in der kein Stützkorsett materialer und intellektueller Kriterien mehr vorhanden ist. Jenes Voraussein, wo das beginnt, was man dem Künstler zuschreiben muß, wenn er überhaupt einer ist, und das ist, wo er sich mit dem Propheten vereint.
Ich habe dies schon mehrfach versucht, von Psychologen diesbezüglich Auskünfte zu erhalten. Sieht man davon ab, daß jeder Psychologe strikt bestreiten wird, daß der Gegenstand seines Handwerks (auch ihm) unklar und unwissenschaftlich ist, hat er noch nie auch nur irgendeine logisch wirklich tragfähige Erklärung erhalten. Was sich darin ausdrückt, daß die meisten psychologischen Richtungen (die wie gesagt so zahlreich sind wie es Psychologen gibt) längst eine logische, also rationale Durchdringung ihres Gegenstands als methodisch notwendig - also das logische Denken, die Forderung nach logischer Begründung und Begriffsklärung (was man dann Philosophie nennt) - schon selbst zu einem psychologischen Defekt (meist der Angst, der Unsicherheit usw.) erklären.
**Oder "isset", wie ich es meist nenne, um das Akthafte des Seins deutlicher zu machen. Wobei das - wie wir es gelernt bekamen - "Hilfsverb ist" im Eigentlichen gar kein Hilfsverb ist. Sondern eben ein Akt. Ja sogar der personale Hauptakt: Wir müssen "sein" ("issen"), um zu leben. Diese Entscheidung, dieser Wille ist in uns lediglich der Verfügbarkeit (der Leser nehme dazu die Genesis her, und lese vom Schicksal des "Baumes des Lebens") entzogen, ist uns (wie beim Tier der Instinkt) quasi wesentlich eingeschrieben, ohne daß wir bewußt dazu Stellung nehmen müssen.
Welche Entlastung! Daß wir diesen Akt bereits entschieden haben, also die im Paradies gefallene Entscheidung noch mitgenommen haben, und immer sein=leben wollen, immer "tun(issen") wollen. Weil er alle weiteren Tätigkeiten in sich birgt, der sich im "isset" als etymologischen Wortursprung erst deutlich macht.