Verblüffend wahre, hervorragender, gereinigter Wahrnehmung entspringende, inspirierende und mit der Metaphysik des Katholischen zur vollkommenen Deckung (bzw. Weiterführung) kommende Stellen finden sich im Schriftwerk des protestantischen Missionars Bruno Gutmann. Weil die Bücher, die dem VdZ vorliegen, 1966 datiert sind, und er damals seinen 90. Geburtstag beging, nehmen wir an, daß er bereits gestorben ist.
Ob sich das Evangelische Missionswerk, das diese großartige Reihe über die Kirchen der Welt herausgab sich an ihn noch erinnern kann? Einige weitere Bände hat der VdZ bestellt, denn die ihm vorliegenden sind schon von den Themenstellungen so anregend weil so hervorragende, sachliche Archive, daß er sicher noch einiges daraus für die Leser der ambrosius.konnotationen bergen können wird.
Darf er den Leser bei dieser Gelegenheit an die Notwendigkeit erinnern, daß er das ihm Vorliegende nur lesen kann, weil der VdZ sein Leben und Existieren in hohem Grad aus barmherzigen Zuwendungen fristet - sprich: Bittend erinnern, sich der Spendenmöglichkeit s. u. zu bedienen?
Das Heimatgefühl des Menschen nimmt in dem Grad zu, in dem Welt strukturiert ist. Das heißt, daß die typische Religiosität des Menschen, der in kaum strukturierten, flachen Ebenen lebt, der vor allem dort geboren und aufgewachsen ist, "entbodet" sich. Er erlebt sich in einem endlosen Raum (als Nichtraum), mit einem endlosen Himmel über sich. Damit nimmt auch Gott keine Struktur an. Das einzige, was diesen Menschen nun noch hält, ist das Soziale.
Das gilt in besonderem Maß für den Menschen aus Afrika. Wirkliches Heimatgefühl, wirkliche Bodenverbundenheit ist selten, und auf einige Regionen rund um die vulkanischen Seen und Brüche im Mittel-Osten des riesigen Kontinents beschränkt. Ansonsten trägt der Afrikaner alles durch und mit seinem sozialen Umfeld mit sich, was sein Existieren ausmacht. Deshalb ist es absurd, europäische Modelle des Kulturstils auf ihn übertragen zu wollen.
Vielleicht sollten wir diesen Aspekt auch bei der aktuellen europäischen Migrationskatastrophe mehr beachten. Aus der bloßen Ortsveränderung alleine läßt sich bei den allermeisten Afrikanern keineswegs eine persönliche Katastrophe ableiten. Sie "verlieren keine Heimat", und sie kennen auch so gut wie keine Solidarität mit einem "Staat", dem sie "angehören". Was immer abstrakt ist (und das belegen seriöse Untersuchungen über die in Afrika vorzufindenden Arten, zu denken) ist dem Afrikaner nicht denkbar. Alles ist bei ihm persönlich konnotiert, alles personifiziert. Sogar die Einführung des Geldes als Steuerleistung war für die Afrikaner bedeutend, weil sie sich dem den Münzen eingeprägtes Bildnis verantwortlich fühlten!
Der Erste Weltkrieg war, so schreibt Gutmann, für viele Afrikaner der Streit des Königs George um die größere Mütze des Kaisers Wilhelm II., der auf den Münzen mit einem Adlerhelm zu sehen war. Während King George auf den Münzen keine so spektakuläre Mütze am Kopf hatte. Und der Leser - ja, Sie da hinten, in der fünften Reihe, ganz links, Sie sind gemeint! - sollte sich jeden Anflug von Lächeln verbieten. Denn der VdZ ist der Meinung, daß Sie damit vielleicht den wahren Grund für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs besser erfaßt haben als die meisten Bücher, die unsere Bibliotheken füllen.
Alles drückt sich für ihn in Menschen seines unmittelbaren familiären und großfamiliären Umfeldes aus, das ein Netz von Verbindlichkeiten - von "Schuld" - ist. Den Ort alleine? Den verläßt er ohne jedes Problem. Aber es waren deshalb auch immer Sippenwanderungen, die die Geschichte Afrikas prägten. Wichtig ist ihm eben die Bewahrung der Verbindung zu einem ins Persönliche umgesetzten Umfeld.
Es waren nicht die dümmsten, und auch menschlich gesehen nicht die schlechtesten Sklavenhalter, die darum wußten, wie sehr bei den Schwarzen Arbeitsleistung und soziales Wohlgefühl (samt dem Gefühl, daß das, was er tut, der eigenen Familie, dem eigenen sozialen Umfeld zugute kommt) unmittelbar zusammenhängen. Und deshalb auch mit ihren Sklaven so umgingen - als Teil der Familie, des Hauses. Nur die dümmsten (und das war unter den Plantagenbesitzern sehr gut bekannt; aber es blieb eine kleine Minderheit) behandelten ihre Sklaven schlecht oder gar brutal. Wer diese Einsichten vertiefen möchte, dem seien die umfassenden und profunden weil auch sehr neutralen Berichte in "Roll, Jordan, Roll" von Eugene d'Genovese ans Herz gelegt. Überhaupt sollten alle, die sich der gegenwärtigen Mode gemäß über die Sklavenhaltung in den USA echauffieren, dieses Buch (und bei Gott, noch viel mehr) kennen.
Wußte der Leser, daß die Durchdringung mit Cellphones, also Handys, möglichst modernster Generation um durch Videotelephonie die Kontaktpflege zu bereichern, kaum wo so groß ist wie in Afrika? Daß es dort riesige Telekommunikationsunternehmen gibt, daß das afrikanische Telephonnetz teilweise besser und moderner ausgebaut ist wie in Europa? Ergibt das nicht vor dem besprochenen Hintergrund Sinn, daß es die sozialen Netze sind, die den Afrikaner "leben" lassen, nicht Land, ja nicht einmal "Geld"?
Morgen Teil 2)