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Freitag, 25. Juni 2021

Gedankensplitter 1167e

Ich erinnere mich an eine Begebenheit, die dreißig, nein vierzig Jahre zurück liegt, mir aber seitdem nie schwächer vor Augen geriet. Sie blieb präsent, als wäre sie gerade geschehen. So eindrucksvoll war wohl das Archetypische, das unsichtbare Wirkliche, das dahinter erkennbar worden war. Und so als Grammatik erkennbar, die zeitlebens immer wieder an die Oberfläche trat.

Damals hatte ich zwei Katzen, graue Getigerte, um genau zu sein, die als Wunibald und Adele meinen Haushalt vergrößerten. Einen (früh kastrierten) Kater, ein (lange nicht kastriertes) Weiblein. Geschwister, von Geburt an also zusammen. Eines Tages nun wurde Adele - wie hätte es anders sein sollen - rollig. Wer Katzen hat weiß, wie sich das äußert. Und tatsächlich wurde ihr Gewimmere - wie oft doch die Tierwelt zeigt, daß das Paarungsverhalten vom Weiblichen, vom "Eros des Materialen" wenn schon nicht immer initiiert so doch angeregt wird - erhört. Von irgendwo kam ein bildschöner, tiefschwarzer, großer Kater. Und er erlöste das mit zunehmend heftigen Beckenstößen vor ihm am Boden rollende Geschöpf von seiner Not. Sie paarten sich, und zwar mitten am Platz vor dem Hause, und ebenso ausgiebig wie dermaßen lautstark, daß es peinlich war. Auch wenn es nur eine Katze war - man fühlte sich doch so, als wäre sie Repräsentantin des Hauses, des Namens, und damit der dort betehenden Moral. Zu deren Repertoire sicher nicht gehörte, öffentlich derart schamlos und begierig ... naja, der Leser weiß, worum es geht.

Es wurde Abend, und beide Katzen kamen nach Hause, was hieß: Zum Futternapf. Wie immer. Aber diesmal geschah etwas. Der Kater, der den ganzen Nachmittag über verschwunden geblieben war, nahm an ihr offenbar eine Veränderung wahr, die mir wenigstens vom Verhalten Adeles her vielleicht gar nie aufgefallen wäre. Aber durch den Kater sah auch ich es: Sie war anders. Mit einem mal aber ging der Kater auf seine Schwester los. Er watschte und schlug sie mit ausgefahrenen Krallen, pfauchte sie minutenlang an, als wollte er sie nicht mehr in seiner Nähe.

Adele war verändert. Und Wunibald wollte sie nun offensichtlich nicht mehr in seinem Hause. Wenn er sich mit der Zeit wohl damit abfand, daß sie blieb, nach wie vor zum Fressen kam, dann wohl eher durch Ignoranz denn durch Toleranz. Das Haus war für ihn - selbst in kastriertem Zustand! - in seinen Grenzen und Zugehörigkeiten definiert. Er gehörte diesem Ort zu, und dieser ihm. Adele hatte aber diese Bedingungen zerstört, die in Beziehungen unumstößliche und festgelegte Gesetze bedeuteten. In ihr aber waren Erfordernisse aufgestanden, die diese Gesetze nicht enthielten, und die aber nicht vermissen wollte. Somit gehörte sie fortan dem Hause (sogar für mich) weniger bis (wie ich später feststellen sollte) gar nicht mehr zu. 

Was sich nämlich endgültig bewahrheitete, als wir kurz darauf umzogen. Adele verschwand noch am Abend des ersten Tages, an dem wir den neuen Wohnsitz eingenommen hatten. Ich fand sie am nächsten Morgen totgefahren auf der Straße. 

Der Kater reagierte überhaupt nicht darauf, daß sie nun fehlte. Dabei habe ich später häufig erlebt, daß Tiere, die miteinander aufwachsen, deutlich unter dem Verlust des anderen leiden, wenn dieser eintritt, ob durch Tod oder durch Weitergabe. Warum hätte er wohl auch einen Verlust empfinden sollen. Ein Nichts kann man nicht vermissen.

Denn der Kater hatte sie von jenem Tag an, an dem sie "untreu" geworden war, sich einem anderen Mann (und Mann ist immer: Haupt, Haupt über einem Hause; ein bloßes, gewissermaßen neutralisiertes "Zusammenwohnen" mit einem Manne ist nicht möglich) untergeordnet hatte, ganz klar erkennbar ignoriert. Adele war seit jenem Tage nur noch zu gewissen Erledigungen anwesend, zu denen auch die Geburt ihrer Jungen gehörte. Ihr Verhältnis zum Hause war aber zu dem einer gefüllten Schüssel, einer versorgten Lage geworden. Sie gehörte aber nicht mehr dem, sondern einem anderen Hause zu. Und als wir den Wohnort wechselten, wurde es für sie bedeutsam. Sie entschied sich zur Zugehörigkeit ...

***

Nicht nur sind die ethischen Aufgaben jedes Menschen und in jeder geschichtlichen Situation verschieden, sondern auch die von Mann und Frau. Sie sind also an den Ort gebunden, wenn wir diesen im Vollsinn als Zentrum der Beziehungen verstehen, in dem wir stehen. Damit kann man die Vollendung der Person, diesem höchsten Lebenssinn, weder dem Schablonenhaften entwinden, noch der Uferlosigkeit überantworten. Sondern sie sind jeweils an Wesensbedingungen des Personalen geknüpft. Als immer individuell zu findenden Mitte zwischen Ideal und realistischer Möglichkeit. In dieser Tugendmitte befindet sich dann auch die dem Einzelnen mögliche Gestalt der Vollkommenheit.

Eine Entscheidung ist also niemals eine Zustimmung (mit der darin enthaltenen Ablehnung) im Sinne einer Auswahl von für sich besehen Gutem, Besserem, Richtigerem! Ihre ethische Qualität - und nur darauf kommt es an - ist eine Frage, wieweit etwas im logos des Ortes ist, an dem ich stehe, was heißt: zu stehen habe. 

Und nur so ist auch gemeint, wenn hier von Umständen die Rede ist, die "richtig" gewesen waren: Sie können nur in diesem Bezug "richtig" sein! Indem sie dem momentanen Ort entsprochen haben! 

ber in dieser Spannung muß sich auch der Einzelne wissen, und sich ihr aussetzen. Das ist heute nicht nur verpönt, sondern wird nachgerade als Gegenteil angesehen. Was aber mit Gewißheit zum Verfehlen des Selbst und zum Absinken ins Ungestaltete, Sittenlose und Unsittliche führt. Das Maß dieser Spannung festzulegen liegt beim Mann. Dessen Haus dann aber maßgebend für alle wird, die diesem Haus zubehören. Sodaß die Frau jene ist, die mit der Bestimmung durch den Mann in diesem Maß auch den Grad der Vollkommenheit vor Augen hat, auf den ihr Leben ausgerichtet ist. Es ist für sie ein Maß, das der Vater zu bestimmen hat. Ein anders Maß ist ihr gar nicht möglich, will sie sich nicht in einer contradictio in adjectio wiederfinden. Ein Maß, das aber der Mann nicht einfach selbst wählen kann, sondern das sogar muß.

Morgen Gedankensplitter 1167f



*070621*