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Dienstag, 1. Juni 2021

Leistungsprinzip - umflort von Leichengeruch (1)

Man kann der Frage kaum genug Gewicht beimessen, wieweit das "Leistungsprinzip" als "Prinzip der Hierarchie" eine Gesellschaft vollkommen aus den Angeln zu heben und deren notwendige Gemeinschaft unwiederbringlich aufzulösen vermag.

Diese Bedeutung ist aber eine Gefahr. Die deshalb so groß ist, weil es nicht nur eine der mächtigsten Kräfte einer Gesellschaft ist, sondern in seinen wahren Wirkungen völlig verkannt und deshalb in seinem Wesen unerkannt bleibt. Sodaß wir sogar vor der erschütternden Tatsache stehen, daß das Prinzip Leistung den Rang eines obersten Prinzips nicht nur eingenommen hat, sondern von unseren Völkern vollauf akzeptiert wird. 

Die damit den eigenen Tod akzeptieren. Denn die Langzeitfolgen sind Lähmung und Katatonisierung des eigentlichen und vitalen Volkskörpers*, dessen Seele (Seele ist das, wodurch ein Organismus lebt) existiert und durch ein eingefügtes explizites, also positivistisches, behauptetes und verordnetes (Ordnung ist das, was Struktur IST wie geben soll) Wertekorsett ersetzt wird.

So wird eine Gesellschaft vollkommen neu strukturiert, und wäre es nur das: sie wird ersetzt. Aber nicht durch ein vollwertiges (weil ganzes) Äquivalent, sondern durch eine Effizienzmaschinerie, die aus jedem sozialen Verband, der immer ein Verband der Schuldigkeiten und Verbindlichkeiten ist, deshalb unbedingt auch "Schwache" braucht, nur das Brauchbare heraus und nach oben zieht, somit auf ein Gerippe reduziert, das dem notwendigen, aber nur kurze Zeit erlaubten Ausrichten auf eine Not- und Kriegssituation vorbehalten bleiben muß. 

Die (wir haben es hier schon ausgeführt) nicht nur auf eine vorsichtig und zurückhaltend zu bemessende Zeitdauer vorhalten darf, sondern auch in der Hand von Kräften bleiben muß, die NICHT den Erfolgsnotwendigkeiten der Notstruktur unterliegen, also von außerhalb des Kriegs- oder Nothilfemechanismus stehen muß, und das in einer nie beschädigten Position der Macht über die Gesellschaft, egal in welcher Form sie sich konstituiert.

Somit ist aber nicht nur der Vater der Leistungsgesellschaft der Krieg, sondern eine Gesellschaft, die nach solch einem Prinzip hierarchisch aufgebaut ist, befindet sich im Krieg als Dauerzustand. Wenn man sich also die Frage stellt, warum das Leistungsprinzip heute so vorherrscht, daß es bis ins kleinste soziale Gebilde vorgedrungen ist, ist die Erklärung rasch bei der Hand. 

Wir haben nach 1918 und 1945 nie aufgehört, uns als im Krieg befindlich zu betrachten. Wir haben es also hier mit der Spätfolge der Kriege des 20. Jahrhunderts zu tun, deren Befindlichkeit als permanent Verbleibendes festgelegt beziehungsweise nie abgesetzt wurde.

Das heißt, daß sie technizistisch auf ein augenblickliches Ziel der Politik ausgerichtet ist und bleibt. Dadurch hat sie die Legitimation, ihre Gesellschaft nach jenen Leistungsträgern durchzukämmen, die sie zu benötigen meint. Damit dünnt sie jeden gesunden Organismus von Menschen immer vollständiger aus, und saugt ihm die vitale Kraft aus wie ein Vampir das Blut aus einem Körper. 

Was fehlt sind jene Kräfte, die nur AN IHREM ORT wirken und deshalb verbleiben müssen. Nur so kann eine Gesellschaft im Ganzen leistungsfähig und vital bleiben. Deren Lebensform in einer anderen Betrachtungs- und Realitätsweise immer Kultur ist, die aber hoch wie niedrig sein kann, oder die sogar insofern ganz verschwinden kann, als sie von einer anderen Kultur ersetzt wird.

Diese Ausdünnung vollumfänglicher Lebensfülle und -werte, die nur bestimmte Werte gelten läßt, die dazu legitimiert werden, alle übrigen zu verdrängen, geht einher mit einer Metastasierung eines letztlich irrationalen Zieles, auf das sich eine Gesellschaft ausrichten soll, sonst besteht sie überhaupt nicht mehr. Ein Ziel, das aber keinen absoluten Grund kennt, und deshalb mit der Zeit, ja innerhalb einer einzigen Generation deshalb jede (ohnehin nur durch Propaganda und Lüge aufzurichtende) Anziehungskraft verliert.  

Und wer an dieser Aussage zweifelt, der sollte sich einmal überlegen, warum solch abstruse Dinge wie das Burnout-Syndrom zu "Krankheiten" geadelt wurden, die den begriffsformierenden Kriterien nach im Westen ein Drittel sämtlicher Arbeitnehmer erfaßt hat. Der sollte sich die unzähligen Menschen ansehen, die unter der "Leistungsforderung" regelrecht zombifiziert (hier paßt das Wort einmal sogar) wurden und wie autistische Automaten ihrer Arbeit nachgehen, die ein aus dem Leben herausgenommenes Feld betrachtet wird. 

Daß allen Umfragen nach gut die Hälfte der Arbeitnehmer die Corona-Lockdowns nicht nur nicht als Verlust (der sie in Wahrheit natürlich sind, und wie!) betrachten, sondern als Zugewinn. Wobei hier nicht leichtgeschürzten, in der Nase aber schon tiefgefrorenen Aussagen wie "Arbeit muß Spaß machen" das Wort geredet werden soll! Eine Forderung, die eines der wahren und tiefen Probleme Afrikas darstellt, das nur nebenbei.

Leistung ist dem richtigen Lebensvollzug immanent, dabei aber niemals "für sich stehend" und für sich stehend meßbar. Die einzig zulässige Frage kann sein, ob und wie ein Mensch (oder ein Ding) die ihm gestellte Aufgabe - die immer eine zugefallene Aufgabe ist - erfüllt.

Deshalb steht "wahre Leistung" in einem fundamentalen Gegensatz zum Kapitalismus, also dem, was mißbräuchlich und täuscherisch als "freier Markt" bezeichnet wird. Aber was er im Namen trägt nicht enthält, sondern umdeutet: Freiheit.
Weil der Kapitalismus in einer Verkennung der Realität (die er auf physikalische Einzelfaktoren reduziert, also gegen jede Behauptung vor der Kostenwahrheit flieht, die nur bei Gesamtbetrachtung eines Volks- als Wirtschaftsraumes erkennbar wird) in seiner Auflösung in mathematische (Zins!) Kriterien von der Kapazität des Arbeitenden (der zum bloßen Faktor in einer Gleichung wird) wie aber auch der Maschine (!) ausgeht, und nicht von der Aufgabe her. 
Darin mißbraucht jedoch der Kapitalismus sämtliche Produktionsfaktoren, also Umwelt, Material und (!) Maschine.

Wie kann man diese Absage ans Leistungsprinzip aber richtig verstehen? Wollen nicht auch wir, daß wir es überall und in allen Lebensbereichen mit kompetenten Menschen zu tun haben, die stets darauf achten, daß unsere Anliegen effizient, rasch und ohne unnötige Beilast erfüllt werden?

Nur gibt es keine ein für alle Mal festgelegte Urteilsgrundlage, die uns die Frage, was es denn sei, was die Welt und alle ihre Dinge und Organisationsformen "gut'" oder "besser" qualifizieren ließe, ohne die Frage nach der Autorität beantworten ließe. Nach einer Autorität, die uns die ersten Prinzipien des absoluten Guten vermittelt hat, als wir noch kaum über den Windelrand hinausscheißen konnten, die vom ersten Tag unseres Lebens an jene Welt der Wertformulierungen prägt, aus der wir dann das je Passende wählen, und erst nach und nach mit der eigenen Erfahrung von Welt abstimmen lernen, die zu allem Anfang an aber eine ganze Welt war und ist und bleiben muß. In die hinein wir unsere Urteile ausrichten. 

Damit gibt es nichts, das nicht in einem übergeordneten, ja in gewisser Weise als hierarchisch höherstehenden Ganzen akzeptiert wird. Nichts kann im Urteil, auch wenn es einzeln gefällt wird, alleine bestehen, sozusagen eine Qualität nur für sich sein. Und - das kann es nicht einmal "für uns" haben: wir übernehmen diese Einschätzungen von Autoritäten, jede Genese eines Kindes erzählt genau diese Geschichte. 

Und diese Autoritäten sind Institutionen, ob "sichtbar" oder "heimlich".  Sie zeigen als diese die wahre Kultur an, in der wir leben oder jemand heranwächst (beides kann nämlich differieren: Wenn die Jugend in eine andere Kultur hineinwächst als die der Eltern, ist es eine Frage der Autoritäten, die sie haben; die "neuen" Urteile kommen nicht "aus der Jugend selber", das ist ein fataler, um nicht zu sagen lächerlicher Trugschluß. Wir sprechen vielmehr heute nicht unberechtigt von "heimlichen Erziehern", in jedem Fall sind sie neu, seit die elterliche Gewalt über die Kinder mehr und mehr abgebaut wurde, und nun sogar zu "Kinderrechten" aufgemopst zu einer völligen Emanzipation aus elterlicher Gewalt führen wird. Die Kinder aber haben sich nicht verändert. Sie sind aus ihrer Natur heraus auf Autoritäten ausgerichtet, ja sie erleben als Baby sogar eine Welt, die überhaupt nur Autorität ist.

Es sind immer die Organisationen, die Korpora, die Organismen, die vitalen Lebenseinheiten in unzähligen (und theoretisch unendlichen) Formen und Varianten und Abstufungen, und die in ihnen dargestellte Ordnung und Struktur, die eine Gesellschaft vorgeben und ausmachen, ja SIND. Es sind somit nicht "die Menschen". An denen hängt nichts und darf nichts hängen. 

Wenngleich man zu dieser Feststellung vor Augen halten muß, daß WEIL der Mensch so ist (also immer einer Gemeinschaft zubehörig sein muß weil eben IST, und nur in diesem Zugehörigkeitsaspekt ACTU bleibt, also im Modus des sich-Vollziehens) er auch erst in einem solchen Bezugsrahmen zu seinem eigentlichen Menschsein kommt, sich also erst so vollzieht. Jeder kann an sich selbst erproben, was es bedeuten würde, wenn das, was er tut nicht auf andere bezogen wäre! Es gibt buchstäblich nichts, das das nicht ist. 


Morgen Teil 2) Leistung heißt nicht "Ziel", sondern sogar "kein Ziel". Menschliches Entfalten aber ist eine Frage des Zieles,
dem dieses Entfalten dient

*250521*