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Montag, 6. September 2010

Fragen der Intelligenz

Es wurde die Frage aufgeworfen, ob Intelligenz vererbt und vererbbar sei. Dieser Begriff freilich wird häufig ungenau gebraucht, und die meisten Erkenntnisfehler resultieren aus ungenauer Begrifflichkeit, aus der falschen Verwendung von Worten, aus dem Vermischen von Ebenen, besonders bei Analogieschlüssen, wo die Metapher zur bildhaften Wörtlichkeit herabsinkt, ihre gesamtheitliche Fülle nicht gehalten werden kann. Daniel Feuling zeigt das sehr schön in "Hauptfragen der Metaphysik", das Buch wird hier noch öfter zitiert werden.

Intelligenz teilt sich in zwei Komponenten - in den reinen Verstand, der der strengen Logik unterliegt, ja aus dem die Logik selbst erwächst, und der, wie Schopenhauer sehr plausibel darstellt, eine leidende Eigenschaft ist. Schopenhauer meint deshalb, daß der Verstand als Fähigkeit des Menschen vom Weib vererbt wird.

Und dann haben wir die Vernunft, die aus einer den ganzen Menschen umfassenden Haltung des Urteilens über die Welt erwächst. Erst sie macht den Verstand sinnvoll, und sie gründet in den Grundhaltungen des Menschen, seinen Tugenden, seinen Lastern, seinen Willen und seiner Freiheit und seiner Unfreiheit. Genauso, wie seine Religiosität, und damit: seine Religion.

Selbstverständlich kann also auch die Religion von Vernunft und damit Intelligenz nicht getrennt werden. Es gibt keine Intelligenz "an sich", ihr Grad ist - weil sich der Mensch zutiefst und zuerst über seine Religion definiert, ob er das will oder nicht, ob er das zur Kenntnis nehmen will oder nicht - immer und zuerst ein Grad der Wirklichkeitsbereitschaft. Keine Akademisierung der Welt, die sich noch dazu wie heute üblich als technische Bewältigungsfähigkeit innerhalb von im Range von Dogmen befindlichen Mechanismen versteht, vermag das zu verändern.

Eine Bekenntnisreligion wie der Islam - insofern ist also zweifellos Sarrazin zuzustimmen - hat also nur einen eingeschränkten Zugang zur Wirklichkeit, ihr Wahrheitsgrad bewegt sich innerhalb weltlicher Kategorien, ist vergleichbar jenem eines politischen Bekenntnisses, einer Weltanschauung. So, wie das bei einem mißverstandenen, zur Weltanschauung verkommenen Katholizismus der Fall wäre.

Ist also davon auszugehen, daß ein "leeres" Grundvermögen von Intelligenz vererbt und vererbbar ist, so ist deren Entfaltung - als entscheidendes Kriterium (denn in einer falschen Haltung wird hohe Verstandeskraft zum gefährlichen Ding) - eine Frage der Lebens- und Vernunftbedingungen, unter denen ein Mensch heranwächst und lebt.

 
*060910*